Erstellt am: 10. 2. 2017 - 11:03 Uhr
Bitcoin auf der Mahü
Bitcoin ist einfach zu benützen, aber schwierig zu erklären.
Einfach zu benützen, weil eine simple Smartphone-App dafür reicht und ein Zahlungsvorgang leichter ist als mit einer Bankomatkarte. Wer es schafft, SMS oder Whatsapp zu benützen, kann auch Bitcoins senden und empfangen.
Schwierig zu erklären ist Bitcoin, weil es sich um eine Netzwerk-Technologie handelt. Das Bitcoin-Netzwerk beruht auf Open-Source-Software. Diese wurde im Jahr 2008 von ihrem Erfinder unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ins Internet gestellt. Das Netzwerk ermöglicht es, Wert als Nachricht zu übertragen.
Zahlungsdienstleister wie PayPal oder Kreditkartenfirmen sind dabei nicht nötig, weil der Bitcoin-Transfer direkt von User zu User erfolgt. Das funktioniert, weil eine bis 2008 für unmöglich gehaltene Kombination aus Verschlüsselung und Peer-to-Peer-Datenbank für den ständigen Konsens über die Eigentumsverhältnisse sorgt. Vor 2008 wurde die Umsetzbarkeit dieser Idee weitgehend angezweifelt, aber trotzdem eineinhalb Jahrzehnte lang in der Cypherpunks-Mailinglist diskutiert.
Christoph Weiss
Ich wollte wissen, was genau in dem in Wien neu eröffneten „House of Nakamoto“ geschieht. Von außen fällt das Geschätslokal mit breiter Glasfront und einem drei Meter hohen Bitcoin-Logo auf. Drinnen eine Couch, ein paar Bilder und Bitcoin-Memes an den Wänden. Ich treffe Geschäftsführerin Magdalena Isbrandt. Sie hat Sinologie studiert und drei Jahre lang in China gearbeitet. Dort ist sie 2011 zum ersten mal aufs Thema Kryptowährung gestoßen. Sie war fasziniert davon, dass das Bitcoin-Netzwerk keine zentrale Schaltstelle hat und deshalb von keiner Regierung abgeschaltet und keiner Zentralbank kontrolliert werden kann.
Wäre ich ein interessierter Bitcoin-Neuling, der gerade in ihr Geschäft gekommen ist, dann würde Magdalena mir zum Beispiel helfen, eine Bitcoin-App auf dem Smartphone zu installieren: „Und dann würden wir zu unserem ATM gehen und dir ein paar Satoshi eintauschen.“
Christoph Weiss
Bitcoin-ATMs sind Geldautomaten, mit denen man Fiatgeld in Kryptowährung (und umgekehrt) wechseln kann. Weltweit gibt es circa 1000 solche Geräte. Der ATM im „House of Nakamoto“ wird von der umtriebigen Grazer Firma Coinfinity betrieben, die schon mehrere solche Geräte betreibt und außerdem in 3000 Trafiken österreichweit den sogenannten Bitcoinbon vertreibt.
Isbrandt legt Wert auf die Feststellung, dass es sich beim House of Nakamoto nicht um eine Bank handelt. Die unterschiedlichsten Menschen würden sich an sie wenden - mit verschiedenste Fragen: „Das sind Privatpersonen genauso wie Mitarbeiter von Versicherungen und Banken. Es gibt keine universelle Frage, die immer wieder auftaucht.“ Manche seien nur neugierig, andere würden sich für die langfristige Perspektive von Bitcoin und der Blockchain-Technologie interessieren.
Bitcoin pfui, Blockchain hui?
„Blockchain“ ist im Vorjahr zum Buzzword geworden. An der Technologie wird unter anderem im Rahmen des Hyperledger-Projekts der Linux Foundation, bei der chinesischen Zentralbank oder in der EU geforscht. Die Hoffnung ist, dass Blockchain-Technologie in Zukunft nicht nur für ein weltweites, dezentralisiertes Kryptogeld wie Bitcoin nützlich sein wird, sondern für viele andere Systeme, in denen man Transaktionssicherheit ohne Zentrale - also ohne einen Single Point of Failure - herstellen will. Kurios finde ich allerdings, dass der Begriff „Blockchain“ seit kurzem immer dann verwendet wird, wenn eigentlich Bitcoin gemeint ist - weil Bitcoin irgendwie mit Spekulation und mit Drogen zu tun haben soll und deshalb als anrüchig gilt.
Foto: Christoph Weiss
Ich sage zu Magdalena: „Heute ständig über Blockchain anstatt über Bitcoin zu reden ist so, als hätte man 1995 gesagt, das Web ist pfui, aber HTTP ist schon irgendwie nützlich.“ Viele Firmen dachten in den neunziger Jahren tatsächlich so – und ließen sich vom Web weitgehend isolierte Intranets erstellen. Das Schmuddelimage von Bitcoin erinnert an den Ruf von Bitcojn, aufgrund dessen sich Banken heute private Blockchains bauen lassen, anstatt das dezentralisierte Bitcoin-Netzwerk zu nützen. Magdalena stimmt dem zu:„Ich verwende in Bezug auf Bitcoin auch immer die Analogie zum Internet. Denn da wusste man auch nicht, wo diese Technologie einmal hingeht. Birgt sie eine Gefahr? Welche Vorteile und welche Nachteile hat sie? Und ich denke mir: jede neue Technologie hat beides.“
Christoph Weiss
Vorträge und Workshops
Wie gesagt: Bitcoin ist einfach zu benützen, aber schwierig zu erklären. Aufwändige Erklärungen wird es deshalb auch im „House of Nakamoto“ geben. Im Obergeschoß des Lokals gibt es einen kleinen Veranstaltungsraum mit etwa 50 Sitzplätzen. „Wir planen hier mindestens einen Vortrag pro Woche", sagt Magdalena Isbrandt. "Der erste – von Bitcoin Austria - wird am 1. März stattfinden, zum Thema der steuerrechtlichen Einordnung von Bitcoin.“
Geldgeber hinter dem House of Nakamoto ist die Berliner Firma Roch Technology. Deren Eigentümer Mathias Roch kommt ursprünglich aus der Forschung im Bereich Maschinenbau und Werkstoffe, beschäftigt sich aber seit einigen Jahren auch intensiv mit Bitcoin, neuen Zahlungsverfahren und Blockchain-Technologie.
Foto: Christoph Weiss
Neben der Beratung, dem ATM und den Vorträgen werden im „House of Nakamoto“ auch Hardware-Wallets verkauft und sogenannte Paperwallets angefertigt. Letztere stellen seit jeher eine der sicherstesten Arten der Aufbewahrung von Bitcoins dar: Ein Paperwallet wird offline generiert und bleibt auch offline. Ein Stück Papier lässt sich nicht hacken. Offline-Wallets dieser Art sind deshalb möglich, weil der Besitz von Bitcoin auf Mathematik und Kryptographie basiert, nicht auf der Speicherung von Währungseinheiten auf einer Computerfestplatte oder einem Smartphone. Paperwallets kann zwar auch ganz einfach selbst generieren, im „House of Nakamoto“ ist das auf Wunsch auch unter notarieller Aufsicht und mit besonders aufwändigem Material möglich.
Foto: Christoph Weiss