Erstellt am: 8. 2. 2017 - 10:28 Uhr
Ein Sturm hat sich zusammengebraut
Ende November, Anfang Dezember vergangenen Jahres machte eine Schlagzeile die Runde, die viele zuerst nicht glauben konnten: Sproing, Österreichs größte und langlebigste Computerspielfirma, hatte Konkurs angemeldet. Das Unternehmen galt als wirtschaftlich besonnen und gewissenhaft, und so war die Verblüffung dementsprechend groß.
Sproing
Lange ist's her: Anfang 2006, noch keine fünf Jahre alt, hatte Sproing gerade mal 15 Mitarbeiter/innen.
Im Laufe der vergangenen zehn bis 15 Jahre gab es immer wieder Firmenauflösungen in der heimischen Games-Branche - allen voran die Schließung von Rockstar Vienna (ehemals Neo Software) Mitte 2006. Doch Sproing war dabei immer der Fels in der Brandung, eine von Anfang an konservativ, aber erfolgreich geführte Firma, die vor allem Auftragsarbeiten ausgeführt hat und dabei erstmal nicht sonderlich wählerisch war. Um Coolness und Distinktionsgewinn hat sich Sproing selten bemüht. Unter anderem sind "Moorhuhn"-, "Schlag den Raab"- oder "Mein Gestüt"-Spiele entwickelt worden, wofür das Unternehmen oft belächelt wurde.
Doch die 2001 von Harald Riegler and Gerhard Seiler gegründete Firma war beständig und hat im Laufe der Jahre auch eigene Games konzipiert und gestemmt ("Jacked", "Panzer Tactics"). Die Projekte waren immer klein bis mittelgroß, um so nie nur an einem Spiel zu arbeiten und das Risiko zu streuen. Technisch war Sproing ebenso talentiert und flexibel wie im kaufmännischen Bereich: Die Firma hat früh damit begonnen, für unterschiedliche Systeme zu entwickeln - für Windows als auch für diverse Konsolen und Handhelds.
Free to play als Paradigmenwechsel
Die gesamten 2000er Jahre hindurch war das Geschäftsmodell von Sproing wasserdicht und nicht ins Wanken zu bringen. Trotz der mehr oder weniger uncoolen Außenwirkung war die Firma in der Branche bestens vernetzt und hatte einen sehr guten Ruf. Man hat sich trotz der Schritt für Schritt steigenden Firmengröße dabei immer als Indie-Entwickler gesehen, wenn auch nicht im klassischen Sinn des kreativen Eigenbrötlertums. Bis heute ist Sproing unabhängig: Obwohl die Geschäftsführung es nicht explizit ausspricht, hört man bei Vorträgen und Gesprächen heraus, dass (Teil-)Verkäufe und Investorengelder eigentlich immer unerwünscht waren und man stattdessen lieber seine Freiheit genossen hat.
Sproing
Doch rund ums Jahr 2010 hat sich die Games-Branche einem massiven Paradigmenwechsel unterzogen. Bis dahin wurden Spiele entwickelt, auf DVD gepresst und dann im Handel als physisches Produkt verkauft. Nun gab es nicht nur völlig neue Spielsysteme (Smartphones und Tablets), sondern auch ein neues Geschäftsmodell, bei dem die Spiele erst gratis waren und nur ein Bruchteil der User später für einzelne Services oder virtuelle Gegenstände Mikrobeträge bezahlten. Auf Disk gebrannt wurde auch immer weniger, vertrieben wurde nun vorwiegend und später fast ausschließlich digital.
Beim FM4-Porträt zum 10-jährigen Jubiläum im Jahr 2011 war Sproing noch voller Vorfreude und Eifer ob dieses neuen Aufbruchs - in diesem Jahr ist ihr erstes Free-to-play-Spiel "Skyrama" erschienen. 55 Mitarbeiter/innen zählte die Firma damals, bis Ende 2016 sollte sich diese Zahl fast verdoppeln.
Die Kunden wollten mehr, Sproing wollte mehr
Der Perspektivenwechsel durch das Free-to-play-Modell hat auch das Wesen von Sproing verändert. Man war es gewohnt, sich von Auftragsarbeit zu Auftragsarbeit zu hanteln. "Nach dem Projekt ist vor dem Projekt", wie es Sproing-Geschäftsführerin Johanna Schober im FM4-Interview nüchtern zusammenfasst.
Sproing
Die Firma ist sodann in eine Art Midlife Crisis gerutscht und wollte es nun wissen: Sie hat nicht mehr nur entwickelt, sondern auch damit experimentiert, Investitionen mitzutragen, um später auch am Markterfolg mitpartizipieren zu können. Und sie ist auch als Publisher, also Verlag, aufgetreten, vor allem für das Spiel "Asterix & Friends". Das hätte alles prinzipiell gut geklappt, so Schober. Wenn nicht im Jahr 2016 fast alle laufenden Projekte nahezu zeitgleich eingeknickt wären. Dazu kommt, dass die Verträge mit den jeweiligen Partnern von und für Sproing nicht immer optimal ausverhandelt worden sind. Die Geschäftsführerin bestätigt, dass Vertragsdetails auszuarbeiten auch Machtspielchen sind und es oft nicht einfach ist zu wissen, wie weit man gehen kann, bis das Gegenüber abspringt.
Was die hohe Zahl der über 100 Mitarbeiter/innen betrifft, die bis Ende November bei Sproing gearbeitet haben: Das sei einfach immer mehr geworden, weil es die Kunden wollten und man so effizientere und professionellere Teams erstellen konnte. Außerdem hat die langjährige Tätigkeit und Erfahrung der Firma - auch im Personalmanagement - zuversichtlich gemacht, dass man eine solche Firmengröße handhaben können würde.
Gewissenhafte Abwicklung der Insolvenz
"Die schlimmste Zeit war, als sich der Sturm zusammengebraut hat", so bringt die Geschäftsführerin die Wochen vor der Insolvenz auf den Punkt. Als dann Ende November 2016 klar war, dass man sich von 60 der ehemals 105 Angestellten trennen musste, um ein Weiterexistieren der Firma zu ermöglichen, war die Geschäftsführung reumütig.
Johanna Schober, die vergangene Woche in Wien bei Subotron einen sehr offenherzigen (und bemerkenswert gut besuchten) Vortrag darüber gehalten hat, wie es zur Insolvenz kommen konnte, hat - ebenso wie das ganze Führungsteam - alles andere als pragmatisch agiert. Die Kündigungen sind schweren Herzens und mit entsprechenden Schuldgefühlen erfolgt - von Krokodilstränen keine Spur. Das macht die Sache zwar nicht besser, aber durchaus menschlicher. Vor allem, weil während der Abwicklung der Insolvenz darauf geachtet wurde, dass alle - ob gekündigt oder nicht - zu ihren Gehältern kommen. Es werden den ehemaligen Mitarbeiter/innen auch Jobinserate und Angebote weitergeleitet, einige sind bereits wieder neu beschäftigt.
Robert Glashüttner
Im Nachhinein ist es zwar etwas seltsam, wenn man sich überlegt, dass Sproing als braves Jungunternehmen begonnen hat und erst später ein wilder Hund geworden ist. Andererseits kann man einer erfahrenen Firma nicht automatisch Fahrlässigkeit vorwerfen, nur, weil sie sich weiterentwickeln und wachsen möchte. Die Geschäftsführung aus der Verantwortung zu nehmen, wäre naiv, doch es dürfte tatsächlich in erster Linie eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen sein, die in die Krise geführt hat.
Neustart
Seit Montag (6.2.) ist das Insolvenzverfahren abgeschlossen und Sproing kann wieder in Eigenverantwortung tätig sein. Eine Zeit wird es wohl noch dauern, bis man sich von diesem Schock erholt hat. Doch das österreichische, mittlerweile schon als traditionsreich zu bezeichnende Computerspielentwicklerstudio lebt weiter. In den nächsten Tagen erscheint das Strategiespiel "Quarantine" in einer Early-Access-Version. Zwei weitere, noch unangekündigte Projekte sind ebenfalls am Laufen.
505 Games / Sproing
Sproing geht ein bisschen zu seinen Wurzeln zurück - was die Anzahl der Anstellungen betrifft als auch die Geschäftsgebahrung. Das kann nichts Schlechtes sein: Die Stabilität der Firma war die letzten 15 Jahre lang ein Grundpfeiler der heimischem Games-Landschaft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie das wieder werden kann.