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Ali Cem Deniz

Das Alltagsmikroskop

7. 2. 2017 - 16:03

Titel wird nachgereicht

Aufschieben, was geht! Tausende Youtuber, Blogger und Selbsthilfebücher beschäftigen sich mit Prokrastination.

FM4 Auf Laut

Am 7. Februar ab 21.00 Uhr und im FM4 Player: Titel wird nachgereicht

Mit Ali Cem Deniz diskutiert die Prokastinations-Expertin Sandra Wimmer.

Ihr könnt mitreden unter 0800 226 996

Auf Laut

    Irgendwas ist immer. Eine Deadline, die bald ausläuft, traurige Blumen, die in der Ecke auf Wasser warten, Freunde, die man irgendwann wieder treffen wollte, ungelesene Bücher und unerledigte Amtsgänge. Das Aufschieben fühlt sich einfach gut an. Erst wenn die To-Do-Listen den Umfang von einem Joyce-Roman erreichen, die Deadlines verstreichen und die Mahngebühren kommen, meldet sich das schlechte Gewissen. Dann heißt es Lösungen finden. Am besten dort, wo man wahrscheinlich ohnehin zu viel Zeit verbringt: im Netz.

    Prokrastination Definition

    waitbutwhy.com

    Die Prokrastination ist zu einem der Lieblingsmemes des Internets geworden. Hier versprechen angesehene Professoren, überdrehte Start-Up-Gründer, Esoteriker und pubertierende Youtuber unterschiedliche Heilmittel. Die beliebtesten Kommentare unter den Videos sind dann so: „Toller Vortrag. Werde ich mir bei Gelegenheit mal anschauen!“

    In Deutschland geben über 70 Prozent der Studierenden an regelmäßig aufzuschieben. An der Uni Münster gibt es eine „Prokrastination-Ambulanz“. In den USA sind 20 Prozent der Bevölkerung „chronische“ Aufschieber. Facebook, Twitter, Youtube oder Wikipedia sind verlockende Ablenkungen.

    Wieso die Diplomarbeit schreiben, wenn man was über Yakuza-Kriege in den 1980er lesen kann? Vermutlich gab es noch nie so viele Möglichkeiten, die Prokrastination so abwechslungsreich zu gestalten wie heute. Aber das Phänomen selbst ist gar nicht so neu.

    Oblomow und andere Helden

    Wer nach Synonymen für Prokrastination sucht, stößt auf den Begriff „Oblomowerei“. Laut Duden beschreibt er eine „lethargische Haltung“ und „tatenloses Träumen“. Der Erfinder der „Oblomowerei“ ist der russische Schriftsteller Iwan Gontscharow, dessen Romanfigur Ilja Iljitsch Oblomow zu den prominentesten Nichtstuern der Literaturgeschichte zählt.

    Und wie das bei Aufschiebern so üblich ist, bringt erst ein Schockerlebnis Oblomow aus der Ruhe: er wird aus seiner Wohnung rausgeschmissen. Mithilfe seines deutschen Freundes Andrej Stolz versucht er nun sein Leben umzukrempeln. Stolz ist genau das Gegenteil und damit das Modell aller Prokrastinierer. Er ist fleißig, effizient, selbstbewusst. Sein Leben, seine Karriere sind eine einzige Erfolgssträhne.

    Oblomov

    - public domain -

    Ilja Iljitsch Oblomow

    Oblomow ist nicht der einzige Held der Prokrastination. Melvilles Schreiber Bartleby, findet sich in einer ähnlichen Situation wieder. Die Anweisungen seiner Vorgesetzten ignoriert er mit seinem legendären Satz „Ich würde lieber nicht.“ Die perfekte Formel für den Müßiggang.

    Die neue Prokrastination

    ExpertInnen des Aufschiebens werden aber schnell merken, dass sich die literarischen Vorbilder des 19. Jahrhundert von den modernen Prokrastinierern unterscheiden: sie gehen voll und ganz in ihrer Untätigkeit auf. Die zeitgenössischen Aufschieber hingegen beschäftigen sich einfach mit alternativen Dingen, statt bestimmten Verpflichtungen nachzugehen. Sie werden sogar zu Workaholics. Oblomow und Bartleby sind exzentrische Einzelgänger. Ihr Nichtstun bleibt ihrer Umwelt unverständlich. Prokrastination hingegen ist heute ein Alltagsphänomen.

    Nicht nur Ablenkungen, sondern prekäre Arbeitsverhältnisse, steigender Leistungsdruck und Selbstoptimierungs-Trends bieten den fruchtbaren Boden für das Aufschieben. Prokrastination ist heute kein persönliches Schicksal, sondern ein gesellschaftliches Thema.

    Das Allheilmittel gegen Prokrastination hat übrigens bis jetzt noch niemand entdeckt. Zum Glück! Denn mit der Suche nach Abhilfe, lässt sich ganz hervorragend prokrastinieren.

    FM4 Auf Laut: ---TITEL WIRD NACHGEREICHT---

    Die Hausübung am Montag in der Früh schreiben, die Seminararbeit nach der Deadline abgeben und den Urlaub gar nicht erst planen. Das chronische Aufschieben hat einen Namen: Prokrastination.

    Wie lassen sich Arbeit und Freizeit einteilen, ohne ständig Deadlines zu verpassen? Und wo ist der Unterschied zwischen Aufschieben und Muße? Darüber diskutiert am Dienstag ab 21 Uhr Ali Cem Deniz in FM4 Auf Laut mit Prokastinations-Expertin Sandra Wimmer und AnruferInnen.

    Die Nummer ins Studio: 0800 226 996. Später dann... Und noch später auch im FM4 Player, sieben Tage lang, also keine Eile.