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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

1. 2. 2017 - 16:02

Graz wählt

Am Sonntag ist Gemeinderatswahl in Graz. Wer sind die SpitzenkandidatInnen der antretenden Parteien und was versprechen sie? Pia Hierzegger hat sie am Freitag im Theater im Bahnhof zu Gast.

Pia Hierzegger ist Schauspielerin und Regisseurin aus Graz. Nächste Woche wird sie zum vierten Mal auf der Berlinale zu Gast und diesmal in Josef Haders Regiedebüt "Wilde Maus" zu sehen sein.

In Wien im brut und in Graz finden regelmäßig "Zu Gast"-Abende statt. Gewöhnlich stehen Menschen im Mittelpunkt, die sonst nicht in der Öffentlichkeit stehen.

Am 5. Februar wählen die GrazerInnen einen neuen Gemeinderat. Vorzeitig. Denn der amtierende Bürgermeister Siegfried Nagl von der ÖVP hat für seinen Budgetplan keine Mehrheit gefunden, die KPÖ zog nicht mit. Die Grazer KommunistInnen hatten sich für eine Volksbefragung zum geplanten Murkraftwerk stark gemacht, das wiederum lehnte Siegfried Nagl ab.

Am Freitag gibt es im Grazer Theater im Bahnhof den Abend "Zu Gast", bei dem VertreterInnen aller aktuell im Grazer Gemeinderat vertretenen Parteien von Schauspielerin Pia Hierzegger befragt werden. Von den meisten Parteien kommen die SpitzenkandidatInnen, nur von der FPÖ Gemeinderatskandidat Matthias Eder. Der Abend ist eine Last-Minute-Gelegenheit, sich vor der Graz-Wahl am Sonntag einen Überblick zu verschaffen und die neuen Gesichter mancher Partei persönlich kennenzulernen.

Pia Hierzegger

Johannes Gellner

Pia Hierzegger befragt die SpitzenkandidatInnen der Graz-Wahl bei "Zu Gast" am 3. Februar im Theater in Bahnhof.

Pia Hierzegger hat für den Abend einen 110 Fragen umfassenden Fragenkatalog vorbereitet. "Es geht nicht darum, dieselben Fragen wie die Medien zu stellen, sondern Porträts der SpitzenkandidatInnen zu machen", erklärt die Schauspielerin. Koalitionsfragen wären durchgekaut, Hierzegger interessiert sich für Haltungen zum Leben. Zwischen "Hast du ein Haustier?", "Bist du politisch?", "Wofür lohnt es sich zu kämpfen?" und "Muss man in Graz Angst haben?" ist alles möglich.

Warum sollte man wählen gehen?

Pia Hierzegger selbst geht immer wählen. Einmal hat sie weiß gewählt. "Das würde ich nicht mehr machen. Es ist nicht wie in einem Supermarkt, wo du sagst, es ist leider nichts dabei".

Um junge Menschen zum Wählen zu animieren, hat die Stadt Graz mehrere Videos in den Sozialen Medien verbreitet. Die Stadt kommt darin bestenfalls als Shopping City vor und als größte Herausforderung wird die Wahl zwischen beigen oder grauen Highheels oder die Entscheidung, das Auto oder das Rad zu nehmen, dargestellt.

Der Wahlkampf? Ein bissl fad

Stadt, Land, Wasserkraftwerk?

Inmitten der Stadt wird in Graz ein Wasserkraftwerk gebaut. Das freut nicht alle. Wir haben in FM4 Auf Laut diskutiert.

Bislang ist der Wahlkampf ruhig verlaufen. "Es gibt ein großes Thema, das Murkraftwerk. Da gibt es aktionistische Dinge, sonst ist es ein bissl fad", sagt Pia Hierzegger.

Auf Plakaten in der Stadt liest man "Graz darf alles", "Graz kann aufatmen" oder "Fremd im eigenen Park". Mit Klebe- und Überschmieraktionen Unbekannter wurde "Graz" auf etlichen Plakaten diverser Parteien zu "Gras". Ein "Wir holen unser Graz zurück" der FPÖ liest sich entsprechend anders, aus "Fremd in der eigenen Kultur?" wurde ein "Freund in der eigenen Kultur?" oder "Fremd im eigenen Körper?". Aus "Fremd im eigenen Park?" wurde "Fred im eigenen Park" und diesem Fred wurde auch schon eine Party gewidmet.

Beschmierte Plakate der FPÖ in Graz

Radio FM4

Die plakatierten Botschaften sind wenig überraschend, findet Pia Hierzegger: "Die meisten wollen eh, dass alles gleich bleibt. Anderen, also der FPÖ, ist es zu fremd. Ich hoffe, dass die Leute diese Angst nicht haben. Die KPÖ ist mit dem Wohn-Thema präsent, auf das sie immer setzen."

Den Erfolg der KPÖ muss man erklären

Die KPÖ ist derzeit zweitstärkste Kraft im Gemeinderat und stellt mit Elke Kahr die Vizebürgermeisterin. Den Erfolg der Kommunistischen Partei in Graz muss man Außenstehenden oft erklären, sagt Pia Hierzegger: "Die KPÖ verwaltet in Graz seit einiger Zeit sehr erfolgreich das Wohnthema. Viele, die die großen Parteien nicht wählen - wobei die SPÖ in Graz eh keine große Partei mehr ist - wandern in Graz nicht unbedingt zur FPÖ ab, sondern wählen aus Protest die Kommunisten."

Für die FPÖ tritt Mario Eustacchio in der Wahl um den Bürgermeistersessel an, bereits zum vierten Mal in Folge tritt für die ÖVP der amtierende Bürgermeister Siegfried Nagl um das Amt an.

Bürgermeister Nagl im Grazer Gemeinderat bei der Sondersitzung zur Selbstauflösung

APA/ERWIN SCHERIAU

Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP), am 17. November 2016 bei einer Sondersitzung des Grazer Gemeinderats zu Budgetprovisorium und Selbstauflösung für die Neuwahlen in Graz.

Nagls Pläne für die Stadt sehen unter anderem eine Gondel über die Mur vor. Sind Pia Hierzegger andere Visionen aufgefallen? "Visionen sind für mich etwas Größeres als eine Gondel. Das wäre z.B. ein Konzept für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs." Entsprechend große und vor allem konkrete Pläne in der Art hat in Graz aber niemand.

Neue SpitzenkandidatInnen

Neue Gesichter im Wahlkampf präsentieren die SPÖ, die Grünen und die NEOS.

Michael Ehmann ist Spitzenkandidat der SPÖ, er ist gelernter Zahntechniker, war Abgeordneter zum Nationalrat, ist aktuell Stadtrat in Graz. "Es gab ein Plakat, auf dem gestanden ist: ‚Dafür stehe ich‘. Das war aber das Einzige, weil auf der Rückseite wurde vergessen, wofür er eigentlich steht", sagt Pia Hierzegger. "Das war ein bisschen ein Sinnbild der Situation der Sozialdemokraten in Graz." Dass die Graz-Wahl für die SPÖ andernorts nicht erwähnt wird, ist der Regisseurin aufgefallen. Für Christian Kern zum Beispiel war die Gemeinderatswahl bislang kein Thema.

Tina Wirnsberger ist die zweitjüngste Kandidatin im Wahlkampf, die 34-jährige diplomierte Sozialpädagogin ist aktuell Grüne Bezirkssprecherin im Lend und macht sich im Wahlkampf - wie auch schon vor ihrer Kandidatur - für ein gesellschaftliches Miteinander und gegen eine Politik der Ausgrenzung stark.

Knapp zehn Jahre jünger als Tina Wirnsberger ist der Spitzenkandidat der NEOS, Niko Swatek (wir kennen ihn von der ÖH-Wahl 2015). Er ist Student der Technischen Physik. Die NEOS werben mit "Graz darf alles" - und sind Pia Hierzegger damit aufgefallen: "Sie sind präsenter als viele andere". Wahlhilfe für Niko Swatek kam aus Wien: Der Nationalratsabgeordnete Niko Alm wollte an einem Tag Verbote in Graz brechen und rief via Facebook auf, ihn dabei anzuleiten. Die Rückmeldungen waren überschaubar.

Für die Piraten, die bei der letzten Graz-Wahl erstmals in Graz angetreten waren, ist aktuell Philipp Pacanda im Gemeinderat. Er hat Innovationsmanagement studiert und ist erneut Spitzenkandidat der jungen Partei. Im Wahlkampf haben die Piraten ein "BürgerInnenbudget" verteilt: Sie riefen die GrazerInnen auf, unterstützenswerte Projekte und Initiativen zu nominieren, über die abgestimmt wurde. Die beliebtesten Projekte unterstützt die Piratenpartei mit einer einmaligen Geldspende. Das Geld haben die Piraten von der Parteienförderung gespart.

Verbotsstadt und Ordnungswache

Mit seinen Verboten vom Taubenfüttern über Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit in der Innenstadt hat Graz Aufmerksamkeit in der internationalen Presse und den Titel "Verbotsstadt" bekommen - wie es ja von den NEOS in ihrem Wahlkampf thematisiert wird.

Welches Verbot in Graz würde Pia Hierzegger abschaffen, wenn es in ihrer Macht stünde? "Ich brauche dieses zweischneidige Alkoholverbot nicht. Ich sehe nicht ein, dass alle trinken dürfen, wenn gerade Punschzeit ist oder Fasching gefeiert wird, aber ein paar Obdachlose und Punks am Hauptplatz dürfen das nicht. Das finde ich peinlich, eigentlich lächerlich. Und ich brauche auch die Ordnungswachen nicht, die mir sagen, wie ich etwas tun soll oder die mich vor irgendwas beschützen sollen."

Wenig präsent: Kultur und Feinstaub

Die Luft-Ampel zeigt in Graz BewohnerInnen an, wie hoch die Feinstaubbelastung ist und empfiehlt an stark belasteten Tagen, nicht mit dem Pkw zu fahren.

Screenshot / www.umwelt.graz.at

Screenshot der Feinstaubampel vom 1.2.2017

Themen, die im Wahlkampf kaum Beachtung finden, sind die Feinstaubbelastung in der Stadt und Kultur.
Zu letzterer hat die ÖVP unter Siegfried Nagl immerhin starkes Interesse gezeigt, den Kulturstadtrat zu stellen.

Pia Hierzegger liegt das Thema Feinstaubbelastung sehr am Herzen: In den vergangenen Wochen waren die Messwerte zur Luftgüte durchgehend alarmierend. Auch für heute ist die Prognose-Ampel der Stadt Graz auf rot geschaltet: "Auto unbedingt zuhause lassen!".

"Der Feinstaub wird - außer von den Grünen - nirgends thematisiert. Das ist ein wahnsinnig wichtiges Thema und man sollte eigentlich plakatieren: 'Kein Individualverkehr, wenn die Feinstaubgrenzen überschritten sind'", finde Pia Hierzegger. Ein Einwand dagegen: Für eine solche Forderung wären wohl nur BewohnerInnen der Innenstadt zu gewinnen, weil viele andere für ihre Arbeitswege ja auf Autos angewiesen sind. "Dafür muss man langfristig planen, da hätte man jetzt ja wieder fünf Jahre Zeit."

Fünf Jahre ist der gewählte Gemeinderat im Regelfall im Amt und kann über solche Dinge entscheiden. Erstmals in der Geschichte hatte sich der Grazer Gemeinderat im November selbst aufgelöst. Jetzt ist es an den GrazerInnen, einen neuen Gemeinderat zu wählen.