Erstellt am: 1. 2. 2017 - 10:31 Uhr
Ein Seestern-Terminator fürs Great Barrier Reef
Steigende Temperaturen, schmutziges Wasser, Korallenbleiche: eigentlich hat das Great Barrier Riff an der Nordostküste Australiens schon genug Probleme. Statt auf bunte Unterwasserlandschaften blickt man durch die Taucherbrille vielerorts auf einen Korallenfriedhof.
Dornenkronenseesterne im Visier
Stress verursachen dem Riff auch allzu gefräßige Bewohner: Dornenkronenseesterne (Crown-of-Thorns starfish). Sie sind esstellergroß, über und über mit Stacheln bedeckt und gehören zu einem gesunden Riff dazu. Gelangen durch ungeklärtes Abwasser aber zu viele Nährstoffe ins Meer, vermehren sie sich unkontrolliert.
Der Dornkronenseestern soll am Great Barrier Reef für etwa 40 Prozent des Korallenrückgangs in den vergangenen 30 Jahren verantwortlich sein. Natürliche Feinde hat er nur wenige, durch seine giftigen Stachen ist er vor Fressfeinden bestens geschützt. Bisher setzt Australien menschliche Taucher gegen die gefräßigen Bewohner ein. In Zukunft könnten sie Unterstützung von einem Roboter bekommen, der gerade an der Queensland University of Technology entwickelt wird.
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Fast 100 Prozent Erkennunsrate
Der Roboter ist knallgelb, und erinnert an einen Spielzeug-Torpedo, wenn er fast lautlos ins kristallklare Meerwasser abtaucht. Angetrieben wird er von sechs Miniturbinen. An Bord befinden sich neben einer Kamera ein Echolot und ein Computer. Für seine tödliche Mission benötigt er außerdem einen ausfahrbaren, fast einen Meter langen Metallarm, mit dem er Gift in die Seesterne injiziert.
"Bei bisherigen Testeinsätzen war der Roboter sensationell", sagt Matthew Dunbabin, von der Queensland University of Technology. "Die Erkennungsrate liegt bei 99,4 Prozent. Wir wollen ja nur Seesterne dezimieren. Der Roboter soll kein anderes Tier oder gar Korallen in die Fänge kriegen. Wir waren daher bei der Entwicklung übervorsichtig, das war für uns eine der größten Herausforderungen."
Giftspritze und Künstliche Intelligenz
Damit der sogenannte Cotsbot selbständig arbeiten kann, muss er verlässlich einen Seestern von einem harmlosen Clownfisch unterscheiden können. Dafür setzen Matthew Dunbabin und sein Team auf eine hochauflösende Kamera und lernfähige Software aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz.
"Die Aufgabe ist für den Roboter schwierig, da er sich in einer sehr komplexen Umgebung bewegt. So ein Korallenriff ist äußerst vielfältig. Auch die Wassertiefe und der Grad der Verschmutzung beeinflussen, was der Roboter erkennt. Um ihn auf seinen verantwortungsvollen Job vorzubereiten, haben wir hunderttausende Trainingsbilder vom Riff und von Seesternen gebraucht."
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Im Zweifelsfall nur ein Foto
Mittlerweile ist der Roboter in der Lage, bis zu vier Seesterne pro Minute zu erlegen. Im Zweifelsfall knipst er nur ein Foto und lernt für seine nächste Mission dazu. Um Hackerattacken auszuschließen ist der Roboter nicht mit dem Internet verbunden. Außerdem sind ins Design mehrere Sicherheitsfeatures eingeflossen:
"Der Roboter verfügt über Sensoren, mit denen er erkennt, ob er sich im Wasser befindet. Erst ab einer bestimmten Tiefe kann er seine Giftspritze aktivieren. Wir machen uns wenig Sorgen darüber, dass er gehackt werden kann. Es kann natürlich sein, dass jemand die Technik abkupfert und damit unlautere Pläne verfolgt. Das kann ich leider nicht verhindern, auch wenn ich es möchte. "
Nebenjob: Daten sammeln
Eine wichtige Grenze hat Dunbabins Team aber festgelegt: mit dem Militär werden sie keinesfalls zusammenarbeiten. Ihr Roboter soll wirklich nur Seesterne ins Fadenkreuz nehmen.
"Für die spezielle Aufgabe im Riff ist der Roboter sehr geeignet, er macht ja nichts anderes als die Taucher. Für andere Zwecke würde ich ihn jedoch nicht verwenden. Wir schätzen das Risiko, das von ihm ausgeht, als sehr gering ein. Am Riff trifft er kaum auf Menschen. Anfangs hat jede Entscheidung des Roboters jemand aus unserem Team abgesegnet. Jetzt, im autonomen Modus macht der Roboter beim geringsten Zweifel nur ein Foto."
Schweizer Taschenmesser unter Robotern
Bisher war der Cotsbot nur im Probebetrieb im Einsatz. Die Forscher arbeiten aber schon an einer Weiterentwicklung, dem Rangerbot: Das Gerät soll künftig auch Verschmutzungen ausmachen, die Wasserqualität kontrollieren und bei der Kartographierung des Meeresgrunds helfen.
Ein Schweizer Taschenmesser unter den Robotern, sagt Matthew Dunbabin. "Es gibt so viel, was wir über das Great Barrier Reef herausfinden wollen. Roboter können für uns das Datensammeln viel effizienter erledigen. Die Robotik hat bisher kaum Vergleichbares hervorgebracht. Wir wollen unsere Erfindung zu einem vielseitig einsetzbaren Beschützer des Riffs umfunktionieren."
Um das 2.000 Kilometer lange Reef abzudecken wird eine kleine Armada an Unterwasserbots nötig sein. Vor ein paar Wochen hat Dunbabin einen hochdotierten Preis bei der Google Impact Challenge Australia gewonnen und will damit den Grundstock für seine ökologische Rettungsflotte legen.