Erstellt am: 31. 1. 2017 - 18:09 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 31-01-17.
#fußballjournal17 #trumpismus
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Siehe dazu auch daily Blumenau, Wednesday Edition, 11-01-17: Ist eine auf 48 Teams hochgepimpte Fußball-WM wirklich böse?
Es war auf der spobis in Düsseldorf, einem dieser vielen Sport & Business-Vernetzungstreffen unserer Tage, es war dieses Wochenende, als die Vereins-Bosse Rummenigge und Watzke auf einer Podiums-Couch ihre Befindlichkeiten ausbreiten konnten; und es war gestern Abend, als Ausschnitte davon in einem der braven Erfüllungsgehilfs-Medien zu sehen waren.
Rummenigge, von der Veranstaltung schlicht als "Chef" von FC Bayern München angekündigt, griff das große öffentliche Thema der letzten Wochen auf: die Erweiterung der Fußball-WM durch die FIFA, der seine Interessensvertretung, die ECA, ebenso feindlich-kritisch gegenübersteht wie vielen Ideen der UEFA.
Rummennige lief im Beschwerde-Modus: alle wären doch mit der 32-Teilnehmer-WM zufrieden gewesen. Und nur weil sich Asien und Afrika den Wunsch auf mehr Teilnehmer ihrer Kontinental-Verbände herausnehmen... Letztlich, das sagt er nicht, waren auch die amerikanischen Verbände für die Aufstockung - und bis auf Europa niemand dagegen. Und selbst dort ist man unterschiedlicher Meinung.
Soweit zu Rummenigges Begriff von "alle".
Das sind im wesentlichen er und die anderen befreundeten Barone mit ähnlichen Partikularinteressen. Also die Minderheit der Minderheit.
Dahinter steht ein Grundproblem: FIFA/UEFA funktionieren nicht nach der goldenen Stronach-Regel (dass die Regeln macht, wer das Gold hat), sondern nach dem One-Vote-Prinzip, was - zumindest theoretisch - demokratische Partizipation bedeutet, die von den Blatter/Platini-Seilschaften (und auch schon davor) zu einem fetten Oligopol umgebaut wurden, aktuell aber wieder aus sich selbst heraus funktioniert.
Als Alternativ-Modell zu Trump.
Ebenso wie der hat FIFA-Chef Infantino den "Kleinen" die Aufstockung (make great again) versprochen, anders als Trump, der neben Symbolpolitik (z.B. dort einen Mauerbau anordnen, wo eh schon eine Mauer steht) Maßnahmen zur Errichtung einer autokratischen, oligarchisch organisierten, im schlimmsten Fall auch kleptokratischen Ordnung vorbereitet, also revolutionären Worten dann gegenläufige, simpel interessensgesteuerte Taten folgen lässt.
Watzke, Chef von Borussia Dortmund, sekundiert dann Rummenigge: er verstünde die Notwendigkeit der Regionalisierung nicht, dass aus jeder Weltgegend Teams teilnehmen müssen dürfen. Wenn kein Team aus Meckpomm gut genug für die Bundesliga ist, dann sei das halt so. Leistung, Gesetz des Stärkeren, Darwinismus...
Rummenigge wie Watzke würden am liebsten eine Europa/Weltliga mit den 20 Traditions-Topvereinen sehen und eine WM mit Argentinien/Brasilien und den sechs Top-Europäern; also eine geschlossene Gesellschaft, wo sich Weltklasse auf Augenhöhe gegenübersteht und das Geschäftsgebaren langfristig gesichert ist. Ähnlich wie die Franchise-Ligen der großen Sportarten in den USA.
Das globale Modell des Fußballs allerdings funktioniert anders; auch weil es einen Sport betrifft, der überall und von jedem ausgeübt werden kann und deshalb diese basisdemokratische Anmutung besitzt. Die Spannung beim Fußball kommt nicht nur durch die großen Duelle der Giganten, sondern aus den Auseinandersetzungen Klein-Groß - auch weil der Kleine im Fußball immer eine Chance hat.
Die big player werden in diesem Spiel der ungleich verteilten Chancen nur deshalb so klaglos akzeptiert, weil sie ihren Solidarbeitrag leisten. Weil Bayern oder Chelsea im Cup auch auf einen Zwerg treffen können; weil auch kleine Teams den Aufstieg in die (nicht geschlossene, sondern offene) oberste Liga schaffen und dann einen Saison gegen die Stars mitspielen können; weil auch die großen Nationalteams einen Zwerg zugelost bekommen und einmal im Jahr bespielen müssen.
Überall sonst wird den großen Klubs und potenten Nationalteams ohnehin der Teppich aufgerollt: in die Niederungen der Champions oder Euro-League-Quali müssen sie etwa gar nicht mehr. Dass der maltesische Meister auch einmal Juve bekommt, so wie das früher möglich war (und für Festtage sorgte) wurde eh schon gestrichen. Und auch die Zahl der Spieltage in der CL-Gruppenphase wurde systematisch reduziert.
Diese Kennziffer bleibt auch bei der 48er-WM gleich: sieben Matches pro Team. Und davon vielleicht einen gegen einen Gegner wie im schlechtesten Fall newbies wie Panama oder Uzbekistan, im Normalfall aber regulars Ägypten oder Paraguay.
Apropos Kennziffern: da regierten bei Rummenigge auch die alternativen Fakten. Als er noch gespielt hatte, habe man noch acht Länderspiele im Jahr gemacht, heute wären es 15. In den letzten 15 bis 20 Jahren habe sich die Zahl der Matches also verdoppelt. Nun, abgesehen davon, dass es eher schon 35 Jahre her ist, seit KHR als Spieler aktiv war: diese Zahlen sind falsch.
Im Jahr 1978 gab es 13 DFB-Länderspiele, 1980 elf, 1982 etwa gab es sogar 15, 83 zehn und 84 dann elf, 1986 wieder 15. Um die Jahrtausendwende waren es dann bis zu 17, mittlerweile hat man sich tatsächlich um die 15 eingependelt. So viel verändert hat sich also nicht, die acht Matches im Jahr sind einfach ein Schmäh, aber Rummenigge reicht diese gefühlte Anzahl um seine postfaktischen Fake News vor ein brav abnickendes Publikum und unkritisch übertragende Medien zu bringen. So geht Lobby-Arbeit.
Sein Podiums-Echo, Dortmund Hans-Joachim Watkze, erklärte sich dann selber die Grenzen des Gemotze: aus dem aktuellen System Fußball, also den Verbandsstrukturen auszusteigen, das sei schwer bis unmöglich. Ohne das Gesamtbild, das Ideal der vielen Kleinen, die es erreichen können bis hin zu den wenigen Top-Teams zu gelangen, existieren auch die Großen nicht, egal ob Vereine oder Nationalverbände. Und eine weitere reine Geld-Liga nach US-Sportvorbild (aber ohne den Markt der USA) braucht der Planet nicht unbedingt. Das geht maximal dann wenn China und Indien unter die Top 20 kommen - weshalb die WM-Aufstockung dann auch für die Rummenigge-Pläne eigentlich gut sein müsste.
Vielleicht ist die planlose und faktenbefreite Fassungslosigkeit der One-Percenter des Weltfußballs aber auch einfach nur auf die Verwirrung zurückzuführen, die derzeit alle umfasst. Dass nämlich der angewandte Trumpismus (quasi-sozialistische plus nationale Versprechen) dann, wenn er nicht nur Gerede ist, sondern - soweit im Kapitalismus möglich - auch umgesetzt wird, den Interessen der Geldadel-Vereine (und -Verbände) gar nicht dient, sondern sie zu durchaus mehr Wohltätigkeit verpflichtet als sie gewillt sind einzugehen. Was dann wiederum den Narzissmus des Großkotzes an sich beleidigt. Und weitere Quengeleien 'wie gemein die Welt (und vor allem die Bloßfüßigen) nur zu den Top-Verdienern' sein können, nach sich ziehen wird.