Erstellt am: 2. 2. 2017 - 06:00 Uhr
"Der Krieg der Welten" revisited
Egmont Verlag
"Krieg der Welten" von H.G. Wells ist im Jahr 1898 als Buch erschienen. Das ist mittlerweile also über ein Jahrhundert her. Trotzdem verliert die Geschichte nicht an Faszination. Sie wurde seit damals für alle denkbaren anderen Medien umgesetzt. Besonders berühmt ist natürlich das Hörspiel von Orson Welles, das im Jahr 1938 die Zuhörer in Panik versetzt hat. Auch Steven Spielberg hat sich an einer Adaptation versucht. 2005 hat er die Geschichte mit Tom Cruise in der Hauptrolle in die Gegenwart gezerrt. Nun gibt es ein neues Comic vom deutschen Zeichner Thilo Krapp, das sich der Geschichte von der Marsinvasion annimmt.
Das Schöne an "Krieg der Welten" ist, dass nicht lange gefackelt wird. Man muss sich nicht durch eine ewige Disposition kämpfen, keine ausführlichen Vorstellungen der Figuren oder ein langes Vorbereiten der Ausgangssituation über sich ergehen lassen. Gleich auf den ersten zehn Seiten landet das außerirdische Flugobjekt auf einem Feld in Horsell und bald steigt daraus ein tintenfischähnliches Wesen. Dieses lässt uns auch nicht lange im Unklaren darüber, was seine Absichten sind. Noch an Ort und Stelle beginnt es, die schaulustige Menge mit einem Feuerstrahl einzuäschern. In riesigen, dreibeinigen Maschinen staken die Außerirdischen durch die englische Landschaft und zerstören bzw. töten alles, was sie finden.
Egmont Verlag
Der deutsche Comiczeichner Thilo Krapp hat viel Recherchearbeit darin investiert, die Kleidung und Einrichtung möglichst historisch korrekt darzustellen und die Geschichte im viktorianischen England angesiedelt gelassen. Die Menschen sind den Marswesen technisch hoffnungslos unterlegen und können nur flüchten, um zu überleben. Im 19. Jahrhundert, als Wells seine Geschichte veröffentlicht, zeigt er damit der Kolonialmacht England auf, wie es wäre, wenn ihr eigenes Land plötzlich von Angreifern überrannt werden würde, die mit größter Brutalität und Willkür wüten. Er dreht die Rolle von Eroberern und Eroberten um.
Im heutigen Kontext fühlt man sich nicht mehr als Kolonialherrscher von der Geschichte angesprochen, sondern sie trifft einen anderen, aktuellen Punkt, nämlich, wie schnell jemand aus seinem Alltag gerissen werden und zum Flüchtling gemacht werden kann. Und wie Menschen selbst angesichts des Unvorstellbaren versuchen, so etwas wie Normalität aufrecht zu erhalten.
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Thilo Krapps Zeichenstil ist disneyesque. Daraus entsteht ein Kontrast zum Inhalt, wenn in hübschen Zeichnungen Menschen zu Skeletten verbrannt werden. Außerdem hat er den Hauptfiguren, die im Buch eher als diffuse Erzähler im Hintergrund bleiben, ein Profil gegeben und die Exkurse der Originalgeschichte zusammengedampft. Dadurch wird seine Comicversion von "Krieg der Welten" kompakter, ohne dabei an Relevanz, Gegenwartsbezug oder Bedrohlichkeit zu verlieren.
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