Erstellt am: 30. 1. 2017 - 11:22 Uhr
Hollywood versus Trump
Es ist das Ende der Mani-Cam-Berichterstattung, das Ende der reinen "Who wore it better" und "Hot Red Carpet"-Looks-Bilderreigen, die - zusätzlich zu den drei Absätzen, wer was gewonnen hat, nach der Verleihung von Filmpreisen durch die Medien tanzten. Die Verleihung der Screen Actors Guild Awards stand gestern im Zeichen des Protests gegen Donald Trum und gegen seinen immigrant ban. So richtig interessiert hat diese Preisverleihung bisher immer nur die, die bei der Oscarwette gewinnen wollten, nahmen doch die SAG Awards die Oscarpreisträger meist vorweg.
Doch 2017 sind die Schlagzeilen zur Preisverleihung nicht Oscar-Spekulationen oder Slideshows der schönsten Roben: Es sind die Reden der SchauspielerInnen, die sich gegen Trump aussprechen. Den Beginn macht Ashton Kutcher, der die Verleihung mit den Worten "Good evening, fellow SAG-AFTRA members, and everyone at home, and everyone in airports that belong in my America. You are a part of the fabric of who we are. And we love you and we welcome you." Aktuelle Anlässe fanden üblicherweise keinen Eingang in Hollywood Selbstabfeierungsblase, das ist 2017 anders.
Schauspielerin Julia Louis-Dreyfuss beginnt ihre Dankesrede mit Witzen über russische Hacker, um dann bei der eigenen Familiengeschichte zu landen. "My father fled religious persecution in occupied France, and I’m an American patriot and I love this country, and because I love this country I am horrified by its blemishes, and this immigrant ban is a blemish and it is un-American".
SAG
Auch Mahershala Ali, ausgezeichnet für "Moonlight", verwebte die eigene Familiengeschichte in seiner Rede:
“My mother is an ordained minister. I’m a Muslim. She didn't do backflips when I called her to tell her I converted 17 years ago. You put things to the side and I’m able to see her and she’s able to see me. We love each other. The love has grown. And that stuff is minutiae. It’s not that important.”
David Harbour, der die Rede hielt, als die "Stranger Things" mit dem Preis für "Bestes Ensemble" ausgezeichnet wurde, war vielleicht der mitreißendste und raffinierteste Redner, weil er seine Botschaft ins Narrativ von "Stranger Things" verpackte: "As we act in the continuing narrative of 'Stranger Things', we 1983 Midwesterners will repel bullies. We will shelter freaks and outcasts, those who have no home. We will get past the lies. We will hunt monsters!"
SAG
Pathosdurchzogene Reden, emporgetragen von orchestralem Pomp, in denen Freiheit, Toleranz und Mut zum Widerstand beschworen wird, das konnte Hollywood schon immer inszenieren. Doch während Filmfiguren zu Ikonen im Widerstand gegen unterdrückende Systeme oder auch einfach nur celluloid gewordene Botschaften in Sachen "Mut zum Anderssein" sind, schwang in Hollywood abseits der Leinwand selten jemand große Reden mit politischen Zwischentönen. Schauspieler, die bei Demonstrationen oder Protestaktionen verhaftet wurden, wie Woody Harrelson oder Martin Sheen, waren eher die Ausnahme als die Regel. Hollywood gilt als Sympathisant der Demokraten, als im Englischen liberal, als links, wobei man wohl das Hollywood-"Links" nicht mit der eigenen, europäisch geprägten Vorstellung von "Links" gleichsetzen darf. (Ashton Kutcher auf Twitter: "If standing for the America that doesn’t discriminate makes me a left-wing actor who is out of touch. Fuck it." Also "left-wing" ist nicht etwas, als das man sich selbst bezeichnet, sondern etwas, was die Anderen über einen sagen).
SAG
Der aus "Two and a half man" und der aus "The Big Bang Theory" nutzen also die Medienpräsenz einer Preisverleihung, um sich klar politisch zu positionieren - wir reden hier nicht von alten Bekannten in Sachen klarer politischer Position wie Oliver Stone, Susan Sarandon oder Martin Sheen. (Ich schätze mal, früher oder später wird jemandem bei Breitbart das Wortspiel sitcommunist für Kutcher und Helberg einfallen.)
Seit Meryl Streep bei der Golden-Globe-Verleihung Anfang Jänner die Rede dazu nutzte, Donald Trump - ohne seinen Namen zu nennen - und sein bullying zu kritisieren, war klar, dass sie eine - vielleicht auch nur kurzfristige - neue Ära in Sachen Dankesreden einläutet. Die Produzenten der diesjährigen Oscars haben schon bekanntgeben lassen, dass sie derartiges Engagement begrüßen, was das genau heißen wird, werden wir am 26. Februar sehen, wenn die Oscars verliehen werden. Recht politisch war das bisher nie.
GOlden Globes
Die Oscarverleihung wird seit 1953 im Fernsehen übertragen, doch die Möglichkeit, eine Rede nicht nur an die Nation, sondern quasi an die Welt zu halten, nutzten nicht viele für politische Kommentare. 1975 entschuldigt sich Host Frank Sinatra sogar dafür, als Bert Schneider, einer der Väter des sogenannten New Hollywood in einer Dankesrede den Vietnamkrieg thematisiert. Am ehesten noch nutzten DokumentarfilmerInnen die kurze Redezeit, um - üblicherweise auf das Thema, um das sich ihr Film dreht - nochmal verstärkt hinzuweisen. Als Jared Leto 2015 als "Bester Nebendarsteller" ausgezeichnet wurde, erwähnte er die Menschen, die in der Ukraine und in Venezuela auf die Straße gingen. Das fiel raus aus der üblichen, euphorischen "Danke Eltern, Danke Gott, Danke USA, Danke Meryl Streep"-Dankesreden-Konstruktion.
Die letztjährigen Oscars wirken nun rückblickend wie eine "Wir haben es euch eh immer gesagt"-Gala. Leonardo diCaprio nutzte seine Auszeichnung als "Bester Hauptdarsteller" in "The Revenant" für eine Rede gegen den Klimawandel. "Climate change is real, it is happening right now", gerade so, als hätte er schon geahnt, dass ein Jahr später einer Präsident der USA sein würde, der globale Erwärmung für eine Erfindung der Chinesen hält. Adam McKay warnte bei den Oscars 2016 vor einem weirdo billionaire und Andy Serkis bezeichnete Trump als planet-threatening monster.
- Der iranische Regisseur Asghar Farhadi wird die Oscar-Verleihung nicht besuchen, wie er in einem offenen Brief in der NY Times mitteilt, ebenso Schauspielerin Taraneh Alidoosti, die eine Hauptrolle in Farhadis oscarnominiertem Film "The Salesman"spielt
Und was hat Donald Trump gemacht, während Hollywood öffentlich gegen ihn Stellung bezogen hat und Tausende am JFK-Flughafen in New York gegen den immigrant ban protestiert haben? Er lud zu seinem ersten offiziellen Filmscreening ins Weißen Haus. Gezeigt wurde "Finding Dory". Wahrscheinlich wird Trump Krake Hank gefallen: "I just want to live in a glass box alone. That's all I want. "