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Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

30. 1. 2017 - 12:25

Für immer Vergänglichkeit

Der Wolkenrapper Yung Hurn war im WUK und es war ausverkauft.

Letzte Woche war Falco-Woche in Wien. Am 19. Februar wäre Hans Hölzel 60 Jahre alt geworden, fast einen Monat davor nahm sich das die Veranstaltungsreihe "Junge Römer" zum Anlass, den Falken mit Musik zu feiern. Lesungen und Lectures wurden abgehalten, Clubabende gefeiert und natürlich jede Menge Livemusik gespielt.

Neben österreichischen Acts, denen die Nähe zu Falcos musikalischem Vermächtnis anzusehen ist - Flut, Patrick Pulsinger, Eberhard Forcher, Der Nino aus Wien - buchte man sich auch eine schöne Zahl von internationalen Musikern und Musikerinnen. Dass da eine gewisse Dissonanz zu der Falco-Feierei entstehen könnte, ist nicht nur vorstellbar, sondern auch passiert: Am Samstag bei der "Junge Römer"-Show im Casino Baumgarten, wo gefühlt ein Drittel des Publikums den Saal verließ, als die unendlich großartige Anna von Hausswolff auf die Performance von Nino aus Wien & Ernst Molden folgte.

"Ich hoff', da gibt's heute jede Menge vom Falken zu hören", erzählt mir jemand eine knappe Stunde davor und schwärmt von der letzten Falco-Tributenight, bei der er im Publikum war. Gespielt hat es das zu seinem Pech aber nicht bei der düster-brachialen Romantik einer Anna von Hausswolff.

Yung Hurn

Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Am Sonntag feierte die Konzertwoche ein Finale, dessen Nähe zu Falco auch erstmal gezeigt werden musste: Yung Hurn spielte eine Show im WUK, die ordentlich voll und komplett ausverkauft war. Den Falcobezug hat der Rapper im Gegensatz zu anderen Acts der Reihe aber auch schon mehr: "Ich hab's halt viel gehört, auch von den Eltern damals", sagt Yung Hurn im Gespräch mit Stefan Trischler. "Wenn du irgendwo so einen toten Künstler hast und ein paar Tracks, die dir arg gefallen, dann empfindest du schon was."

Ob viele Besucher am Sonntagabend für Falco anwesend sind, ist zu bezweifeln. Richtig voll mit langen Schlangen vor Einlass, Bar und Garderobe ist es aber auf jeden Fall. Die Menschen in den Schlangen tragen schöne Hauben und schöne Pullover, es gibt Yung-Hurn-Lookalikes zu erspähen und Leute mit Dekorationen in den Haaren, Katzenohren und Einhornhörnern, Trainingshosen und Trainingsjacken.

Yung Hurn

Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Der offizielle Slogan des Abends ist ein lautes "Michi Häupl!" Das wird von den Leuten in diversen Pausensituationen fußballstadionmäßig skandiert. Because why not. Yung Hurn höchstpersönlich kommt dann, wie es sich gehört, bereits rappend die dunkle Treppe auf die Bühne herunter. "Ferrari", los geht's. "Und ich fahr durch die Nacht und ich fahr durch die Stadt." Und alle Leute singen schon mit, bouncen mit, filmen mit dem Handy mit.

Dann wird es wieder Zeit für ein bisschen Politik. Diesmal nicht SPÖ-Stadtpolitik mit Michael Häupl, sondern Präsidentschaftspolitik: "Ich muss was sagen: Vor 2 Tagen wurde Van der Bellen angelobt und das feiern wir heute!" Die erste Referenz zum weißen Pulverchen lässt auch nicht lange auf sich warten im Set. Coco Bello am Tisch und so.

Yung Hurn

Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Außer dem Namen Michi Häupl fällt auch oft der Name Lex Lugner. Eh klar, weil der macht die schönsten Beats. Weil wir hier ja quasi bei einer Veranstaltung eines Energy-Drink-Herstellers sind, ist es dann auch an der Zeit, ein bisschen über Mixgetränke zu rappen: "Stoli in der Hand und ich chil'", lautet die Devise. Dazu werden riesengroße, aufgeblasene Wodkaflaschen durchs Publikum gereicht, während auf der Bühne das Getränkelogo mit zwei Bullen drauf stolz leuchtet. Irgendwie bekommt jeder plötzlich Lust auf Wodka Red Bull, keine Ahnung wieso, muss Zufall sein.

Die Anzahl der Leute, die mit ihrem Handy direkt für Snapchat mitfilmen, ist übrigens immer noch um einiges geringer als die der Leute, die einfach nur ein Video fürs später Anschauen machen. Das sollte aber auch irgendwann einmal kippen. Vielleicht sollte man einfach ein Snapchat-Lied schreiben, das würde dem sicher nachhelfen.

Yung Hurn

Matthias Heschl / Red Bull Content Pool

Das schönste Liebes- und Lieblingslied folgt dann fast zum Schluss: "Baby, wenn du willst, dann werd' ich Opernsänger. Nur für dich und deine Eltern." Und dann wird auch schon die Bühne verlassen. Statt "Zugabe" rufen die Leute "Michi Häupl!", das ist so die postmoderne Grundstimmung. Die Zugabe ist dann natürlich der Welthit "Bianco" und das ist schon ziemlich super. Und als allerletzte Nummer wird dann der 22. Bezirk Wiens gefeiert. "Sie fragt, woher ich bin: 22ster!" Und alle Leute singen mit, auch die, die nicht aus dem 22. kommen. Weil heute dürfen sie mal so tun.

Und dann wird relativ schnell relativ viel kaputt gemacht, wenn Yung Hurn sich auf der Bühne auf das Jahr 2017 freut und sich bei der Journalistin für seinen "Fame" bedankt, deren Mobbing auf Social Media zu einem digitalen Shitstorm geführt und damit auch einiges zu seinem Bekanntwerden beigetragen hat. Das geht halt leider überhaupt nicht, trotz all der Ironie. Weil die schaltet sich bei solchen Dingen einfach aus.

Nach knapp über einer Stunde ist alles auch schon wieder vorbei. Zu kurz, sagt manch einer, aber das hat schon gepasst. Weil Zeit ist sowieso eine Illusion und wir waren alle gemeinsam Teil einer temporären Ewigkeit, in der alles mal kurz für immer war. Für immer Scheiß auf Morgen und Vergänglichkeit. Für immer Deepness und Introversion. Für immer politische Slogans und Wodka Red Bull saufen, Freunde filmen und Falco und Opernsänger. Und für immer die Zeile: "Meine Pommes brauchen kein Salz. Ich lass paar Tränen einfach rauf tropfen".