Erstellt am: 29. 1. 2017 - 12:57 Uhr
FM4 Filmgeschichten mit Lars Eidinger
FM4 Filmgeschichten
mit Lars Eidinger im Gespräch mit Petra Erdmann (Produktion: Rudi Ortner) - ab sofort für 7 Tage im FM4 Player.
Er sorgt seit Jahren für ein ausverkauftes Haus an der Berliner Schaubühne, wenn er seine exzessive Interpretation von Hamlet oder Richard III liefert oder dort als DJ seinen Club "Autistic Disco" veranstaltet. Der deutsche Theater- und Kinostar Lars Eidinger behauptet von sich, den Musikgeschmack einer 12-Jährigen zu haben.
Eidinger ist ein großer Fan des österreichischen Hip-Hops. Seine Begegnung mit Rapper Yung Hurn hat er als die wichtigste des letzten Jahres bezeichnet. Und auch sein Verhältnis zum Wiener Burgtheater ist ein sehr gutes, wenn er sagt: "Ich war noch nicht mal Schauspieler, da wusste ich schon, dass man in Österreich als Schauspieler beim Bäcker vorgelassen wird."
Rudi Ortner
In den österreichischen Kinos taucht Lars Eidinger derzeit gleich zweimal in Erscheinung. In "Die Blumen von gestern" von Regisseur Chris Kraus spielt der 40-Jährige einen neurotischen Holocaustforscher. Seit Freitag ist er auch neben Hollywood-Actrice Kristen Stewart in Olivier Assayas' "Personal Shopper" im gespenstisch unterkühlten Modebusiness zu sehen. Aufgetaut gibt sich Lars Eidinger in den FM4 Filmgeschichten. Ein Auszug:
Du spielst demnächst in der BBC-Mini-Serie "SS-GB" einen Nazi. Du hast auch gerade den Film "Werk ohne Autor" von Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck abgedreht, der auch vom Nationalsozialismus erzählt. Bekommt man als deutscher Schauspieler zu viele Rollen als Nazi angeboten?
Lars Eidinger: Es ist natürlich super einen Nazi zu spielen. Auch, wenn das ein Klischee ist. Die Uniform zu tragen, ist wahnsinnig beeindruckend, aber ich merke auch, wie man sich nicht verführen lassen darf, um nachträglich darauf reinzufallen. Ich merke oft an anderen Filmemachern und Schauspielern, dass es da eine seltsame Form von Faszination gibt, die ich fragwürdig finde. Diese Verführung spüre ich teilweise auch. Die Engländer haben da ein komplett anderes Verhältnis dazu und einen viel besseren Humor. Ich erinnere mich an eine der ersten Szenen, die ich für "SS-GB" gedreht habe. Ich musste gerade einen Bösewicht etablieren, während sich neben mir zwei Statisten (dem einem fehlte tatsächlich ein Arm und dem anderen ein Bein) darüber unterhielten, was Hitler-Deutschland besser machen hätte können, um den Krieg doch noch zu gewinnen.
Was hat es für einen Vorteil, einen Bösewicht zu spielen. Kann man da als Schauspieler besser aus sich herauswachsen?
Lars Eidinger: Einen cholerischen Misanthropen in "Die Blumen von gestern" zu spielen fiel mir fast schwerer, weil die Figur mir so nah ist. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich besser bin, wenn ich Rollen spiele, die mir möglichst fremd sind. Einen Bösewicht oder einen Psychopathen zu spielen, das liegt mir mehr, weil ich privat eher ausgeglichen und äh (lacht) lieb bin. Ich glaube, sich selbst zu spielen, ist die schwierigste Disziplin überhaupt.
Filmladen
Wie würdest du dich denn selbst beschreiben?
Ich bin wahnsinnig schamhaft. Dieses Gefühl ist immer da und ich versuche es immer zu verbergen. Ich habe immer Angst, dass mir etwas nicht gelingt und ich scheitere. Ich mobilisiere wahnsinnig viel Energie, um das zu kompensieren. Ich wirke vielleicht selbstbewusst und teilweise sogar arrogant, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich habe einen wahnsinnigen Minderwertigkeitskomplex, den versuche ich durch meinen Beruf in den Griff zu kriegen. Ich brauche das Publikum und den Erfolg, um mir die Selbstbestätigung zu holen, die ich mir selbst nicht geben kann. Ich bin sehr ehrgeizig. Ich halte mich aber auch für sehr mutig, weil ich die Kraft habe, in die Angst rein zu gehen.
Woher nimmst du diesen Mut in der Kulturszene, die sich immer risikoloser produziert?
FM4 Filmgeschichten
mit Lars Eidinger im Gespräch mit Petra Erdmann (Produktion: Rudi Ortner) - ab sofort für 7 Tage im FM4 Player.
Es heißt, die Künstler müssen immer mutiger sein. Ich glaube aber, die Art, wie Mut in unserer Gesellschaft definiert ist, hat mit Mut gar nichts zu tun. Mut wir oft mit Virtuosität verwechselt. D.h. mutig ist der Superheld, der mit dem Umhang vom Haus springt, noch die Frau rettet und auf der anderen Seite wieder sicher ankommt. Der Superheld, der unten aufschlägt, der interessiert keinen und der möchte ich eigentlich sein. Das Risiko eben eingehen, dass ich so spiele und mit dem Gesicht unten aufschlage. Wenn ich das kultivieren kann, dass die Fehlerhaftigkeit des Menschen interessant ist und nicht das Brillieren, dann werde ich es weit gebracht haben.
Musik, die Lars Eidinger gerne hört – eine Tracklist
Carla Bruni | Quelqu'un m'a dit |
Tommy Genesis | Art |
Yung Hurn | Skrrt Skrrt |
Charlotte Gainsbourg featuring Beck | Heaven can wait |
A-HA | Hunting High and Low |
Michael Jackson | Billie Jean |
Kraftwerk | Menschmaschine |