Erstellt am: 26. 1. 2017 - 15:30 Uhr
Wählen übers Internet
Alexander Van der Bellen ist angelobt, Österreich hat endlich wieder einen Bundespräsidenten. Bekanntlich war die Wahl langwierig wie nie zuvor. Auf den ersten Wahlgang folgte eine Stichwahl, die erfolgreich beim VfGH angefochten wurde, im Vorfeld der Wiederholung kam es dann zu Problemen mit den Briefwahl-Kuverts. Der Termin musste verschoben werden und erst im Dezember 2016 kam es dann zur endgültigen Entscheidung wer unser nächster Bundespräsident sein würde. Das Wort des Jahres 2016 hat sich an all diesen Vorgängen orientiert:
Bundespräsidentschaftsstichwahlwiederholungsverschiebung. Ein anderes, etwas kürzeres Wort, über das im Zusammenhang mit den Wahlen ebenfalls oft geredet wird, lautet: E-Voting.
Mit dem Begriff E-Voting meinen wir eigentlich zwei verschiedene Arten der elektronischen Stimmabgabe: Jene mit einer Wahlmaschine im Wahllokal, wie das z.B. in den USA völlig üblich ist, und jene übers Internet von zu Hause. Für Letzteres hat sich vor zwei Wochen Innenminister Wolfgang Sobotka beim Ministerrat ausgesprochen: Er will die elektronische Stimmabgabe zunächst bei Auslandsösterreichern ausprobieren. Sollte dieser Test positiv verlaufen, könnte es auch ein E-Voting-System innerhalb Österreichs geben. Wichtig sei ihm dabei die technische Sicherheit.
APA/GEORG HOCHMUTH
Gerade diese könne aber nicht gewährleistet werden, sagt Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit. Beim Wählen am eigenen Computer müssten die Wähler selbst dafür sorgen, dass ihre Endgeräte nicht durch Schadsoftware kompromittiert sind. Stoff weist in diesem Zusammenhang auf ein widersprüchliches Sicherheitsverständnis seitens der Regierung hin: "Das Innenministerium will selbst um viel Geld den Bundestrojaner entwickeln lassen - eine Software, die sie aufgrund der Sicherheitslücken auf den Endgeräten der wahlberechtigten Bürger installieren kann."
Magisches Dreieck
Wie aber müsste ein E-Voting-System theoretisch beschaffen sein, damit es auch die Iniative für Netzfreiheit als "sicher" akzeptiert? Markus Stoff spricht vom "magischen Dreieck": Elektronisch, geheim, nachvollziehbar. Die Nachvollziehbarkeit ist beim Wählen am eigenen Computer ein Problem: "Sie ist ein Feature, das bei der Papierwahl inhärent ist. Wir sehen, dass die Urne leer ist. Wir werfen unsere Kuverts hinein. Wir wissen, dass in der Urne kein Kobold sitzt, der die Stimmzettel umschreibt. Wir zählen die Stimmen aus und wissen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Wenn ich das Ganze mit einem Computer durchführe, dann sitzt da sehr wohl ein Kobold drin, der potenziell die Stimmzettel ändern könnte."
Aus diesem Grund – wegen der nicht vorhandenen Nachvollziehbarkeit – hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2012 das E-Voting bei der ÖH-Wahl 2009 als verfassungswidrig beurteilt.
Blockchain to the rescue?
Initiative für Netzfreiheit
In jüngster Zeit wird als Möglichkeit für nachvollziehbares, fälschungssicheres E-Voting oft die Blockchain-Technologie genannt - also jene Netzwerktechnik, auf der Kryptowährungen wie Bitcoin beruhen. Aufgrund ihrer Verschlüsselung und ihres Proof-of-Work-Konsensmechanismus können Einträge in der Bitcoin-Blockchain nämlich nicht nachträglich geändert werden. Deshalb experimentieren auch Banken zunehmend mit der Technologie. Aber: "Im Gegensatz zum Online-Banking wollen wir beim Wählen keine Nachweisbarkeit haben. Wir wollen eine geheime Wahl haben."
Auch mit Blockchain wäre also das "magische Dreieck" – elektronisch, geheim, nachvollziehbar – nicht zu erfüllen, sondern um den Aspekt des Wahlgeheimnisses reduziert. Für die Initiative Netzfreiheit ist der Wunsch nach verfassungskonformen Wahlen übers Internet deshalb nicht umsetzbar.
Anlässlich der Debatten rund um die mögliche Einflussnahme Russlands auf die amerikanische Präsidentschaftswahl weist Markus Stoff außerdem auf zukünftige Wahlen in Europa hin: "Sowohl Deutschland als auch Österreich haben schon von der Möglichkeit gesprochen, dass Russland versuchen wird, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen. Gerade Deutschland steht dieses Jahr vor den Bundestagswahlen, da wurde das vom Innenminister direkt angesprochen. In so einem Umfeld dann die Wahl, um die man sich bereits Sorgen macht, zusätzlich ins Internet zu verlagern und sie dadurch eigentlich erst hackbar zu machen - das hat schon etwas Kurioses."