Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die Liebe ist schmutzig..."

Christoph Sepin

Pixel, Post-Punk, Psychedelia und sonstige Ableger der Popkultur

27. 1. 2017 - 12:40

Die Liebe ist schmutzig...

...und auch ein bisschen ekelig. Das demonstrieren Schnipo Schranke am neuen Album "rare".

Meine allerliebste Diskussion im FM4-Forum stammt aus dem Jahr 2015. Damals waren Schnipo Schranke für ein Gästezimmer bei uns und stellten ein paar ihrer Lieblingslieder vor. Der kurze Austausch zwischen mehreren Usern unter der Story dazu, drehte sich in erster Linie um den größten Hit des Duos aus Hamburg. Die Herzschmerznummer "Pisse" und die zentrale Zeile "warum schmeckt's wenn ich dich küsse, untenrum nach Pisse" stand darin im Mittelpunkt und die Frage, was das denn überhaupt bedeuten soll.

"So viel künstlerische Freiheit in Sachen Syntaktik muss sein", lautete die Antwort eines anderen Users darauf. Ein Statement, das mir Schnipo Schranke darauf angesprochen auch bestätigen. Denn die künstlerische Freiheit, die stellte sich die Band schon am Debütalbum "Satt" aus dem Jahr 2015 in den Vordergrund und auch jetzt wieder am neuen, zweiten Album "rare", das diese Woche erscheint.

Schnipo Schranke

Simone Scardovelli

"Hobbies: Liebeskummer, poofen (Anm.: Hamburger Slang für schlafen), rauchen" singen Schnipo Schranke am "Schnipo-Song" vom ersten Album. Zu den Hobbies sind mittlerweile keine dazugekommen, sondern eher weggefallen: "Liebeskummer haben wir nicht mehr", sagen Fritzi Ernst und Daniela Reis lachend. "Wir haben jetzt noch weniger Hobbies als vorher. Aber schlafen und rauchen sind immer noch weit vorne. Aber wir brauchen ja auch keine Hobbies mehr, wir haben jetzt ja ein erfülltes Bandleben."

Über die Liebe wird trotzdem noch gesungen auf "rare". Aber nicht nur. "Wir haben unseren Themenbereich erweitert und da sind nicht mehr nur noch Liebeslieder, sondern es sind auch Themen dabei, die faktisch schwerer sind, wie psychische Krankheiten. Wir hoffen ja immer, dass wir den Sachen die Schwere nehmen können, indem wir Songs darüber schreiben."

Das emotionale Gewicht, das dadurch mehr wird, ist spürbar auf "rare". Das Album präsentiert sich melancholischer und, darf man es denn bei einer Band, die Songs hat die "Pisse" heißen sagen, "erwachsener" als die letzte Platte. Das hört man auch schon im direkten Vergleich der ersten Songs von "rare" und von "Satt", die lustigerweise beide Intro heißen. Denn der Introductionsong auf der neuen Platte hält sich deutlich stärker in Moll und nachdenklicher Langsamkeit.

Komplett düster geht es aber auf "rare" auch nicht zu und ganz weg von der humorvollen Provokation geht die Band nicht. Zu erwachsen sollte man sowieso nicht werden, was Lieder mit so schönen Namen wie "Pimmelreiter" zeigen, mit Textzeilen drin, die lauten: "Wir existieren in mir, da seh ich vier, ich reit' durch Pipi, Sperma und so weiter". Ist halt immer noch Schipo Schranke und die sind eben so.

Schnipo Schranke

Simone Scardovelli

Fritzi Ernst und Daniela Reis haben sich damals auf der Musikhochschule kennengelernt, die klassische musikalische Ausbildung ist also vorhanden. Aus der Dissonanz zu den auf den ersten Blick ganz simplen Lyrics entsteht daraus Musik zwischen Chanson-Punk und Cabaret-Rock im Stil der Dresden Dolls. Schwermütig, gleichzeitig voll mit Witz und Spaß an der Sache.

Albumcover rare von Schnipo Schranke

Schnipo Schranke

"rare" von Schnipo Schranke ist auf Buback Tontraeger erschienen.

Die allererste Nummer, die Schnipo Schranke für das Album geschrieben haben, ist die Adoleszenzhymne "Dope" geworden. Eine Nummer, auf der das Duo auch einmal auf Englisch singt: "Ich glaube der Refrain ist schon ziemlich alt, den haben wir auch früher schon mal auf youtube gepostet. Mir ist halt ein Satz eingefallen, den ich griffig fand." Das Endresultat ist ein Track, der sich präsentiert wie eine überemotionale Klavierballade, aber sich trotzdem um die Zeile "mother was a lie, father was a joke. That's why I love dope" dreht.

Polarisieren, so wie das Vorgängeralbum "Satt" wird auch "rare". Schimpfwörter, Fäkalienwitze und das Thema Sex gehören weiterhin zum Repertoire der Band. Und das ist eben nicht jedermanns Sache. Aber so ist das eben mit der Liebe, die ist manchmal halt ein bisschen schmutzig. Und auch ein bisschen ekelig.