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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 1. 2017 - 15:16

The daily Blumenau. Thursday Edition, 26-01-17.

Digitales Österreich: Wirtschaft, Politik und Unis freuen sich über Schulterschlüsse und unerwarteten Gleichschritt, laufen aber Gefahr die digitale Kluft zu erweitern.

#digitalagenda #demokratiepolitik #iktk17

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Das ist ein Bericht vom Konvent der Informations- und Kommunikations-Technik-Branche, der in enger Zusammenarbeit mit Regierung & Universitäten die künftige digitale Agenda aufsetzt.

Siehe auch "Digitale Kompetenz" als Pflichtübung. Schulen wollen flächendeckend Medienkompetenz vermitteln; von Lukas Lottersberger.

Sollte die medial flott zur Koalitionskrise erklärte, vom Kanzler herbeigeführte, seltsam öffentliche Debatte um eine neue Arbeitsübereinkunft die Regierung wirklich vor eine Zerreiß-Probe gestellt haben, dann sind ihre Mitglieder mehrheitlich exzellente Schauspielerinnen und Schauspieler.

Vier davon waren nämlich gestern beim IKT-Konvent in der Aula der Wissenschaften in Wien inhaltlich sattelfest, formal locker und ausgesprochen guter Dinge - ganz im Gegensatz zur medialen Insinuation, diesem Dauerzustand gekünstelter Aufgeregtheit auf der Suche nach Empörungs-Usern.

Die Ministerinnen Karmasin und Leichtfried sowie die Staatssekretärinnen Duzdar und Drozda (die alle mit Digitalisierungs-Themen befasst sind) waren die Stargäste bei dieser Selbstvergewisserung von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zum Thema "Digitale Zukunft", dem Konvent der Internetoffensive Österreich und somit Teil des wohl positiv-entspanntesten politischen Projekts unserer Tage. Zumal in diesem Bereich (make Austria digital great oder so) hochgradige Einigung, sichtbare Fortschritte und Überraschung über Tempo und Machbarkeit das sonst übliche Gejammer verstummen und das Sonntagsreden-Niveau hinter sich ließen.

Nach langen Stillstandsjahren verdichten sich aktuell nämlich die Fortschritte: nach dem vielbeachteten Start-Up-Paket im Vorjahr innerhalb von wenigen Tagen präsentierte die Regierung ihre lang aufgeschobene Digital Roadmap und das Konzept Schule 4.0, mit dem Pfichtfach "Digitale Kompetenz" und anderen wichtigen Neuerungen.

IKT steht für Informations- und Kommunikations-Technologie.

5G bezeichnet die nächste Generation technischer Standards.

Autonomes Fahren, Autos ohne Lenkrad und Driver, Stichwort Google-Car.

MINT-Fächer umfassen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik - siehe auch stem-fields.

Der Kongress der IKT-Wirtschaft brachte nun den informellen Startschuss der sogenannten 5G-Vorreiterschaft. Da wird mit Begriffen wie "Pilotland" hantiert, wo BIP-Wachstum und Arbeitsplatzbeschaffung garantiert sind - obwohl die üblichen Verdächtigen in Fernost oder Skandinavien da schon viel weiter sind. Aber, immerhin: der Schulterschluss von Industrie und Politik wird diesmal wohl das sonst übliche Nachhinken um 2 bis 5 Jahre verhindern - auch bei den anderen großen Themen (Industrie 4.0, autonomes Fahren, VR...).

Einig ist man sich da vor allem angesichts der gemeinsamen Gegnerschaft, der Silicon Valley-Kraken: die europäischen Regierungen reiben sich an deren Steuer-Schummelei, während die Telekomriesen ihr Kerngeschäftsfeld bedrängt sehen.

An diesem Kongress-Tag fliegen die Commitments nur so durch die Luft: die Politik bekennt sich zu regulativen Erleichterungen und breiter Unterstützung, die Unis zu gezielterer Ausbildung in den MINT-Fächern, auch zur Förderung von Frauen, die Wirtschaft bekennt sich zum Standort und zur Kooperation, CEOs dürstet es nach Narrativen. Alle sind von der leisen Untergangs-Furcht getrieben den Anschluss aber so was zu verpassen, dass sie so freundlich und konstruktiv miteinander umgehen, wie es in jeder anderen politischen Konstellation, bei jedem anderen gesellschaftspolitischen Thema auch hoch angebracht wäre.

Trotzdem bleibt man, und das liegt in der Natur der Sache, unter sich. Das ist kein Eliten-Ding nach dem interessensgetriebenen Holzschnitt-Denken der Hofer-Campaign, hat nix mit einer Hautevolee oder einer Abgehobenheit (im Gegensatz zum stammtischgrabschenden Populismus) zu tun.
Aber: wenn sich Höchstleister mit Entscheidern, Definitionsmächtige mit Multiplikatoren, besprechen, dann werden nur jene mitgedacht, die sich in dieser künftigen Welt behaupten werden. Also gut Ausgebildete. Oder die ganz Jungen, die ab 2018/19 auch noch ihre Bildungsreform bekommen. Alle anderen aber schauen durch die Finger.

Die einzige, die diese Gefahr gecheckt hat, ist Staatssekretärin Muna Duzdar, die als Staatssekretärin nicht nur für die Digitalisierung, sondern auch die Diversität zuständig ist, und deswegen einen Blick für die digital divide hat. Die "anderen", die "das Digitale" für eine Geschichte halten, die erst in ferner Zukunft relevant wird, diejenigen, die glauben, dass sie das kaum oder "nix mehr" angehen wird, denen stehen böse Überraschungen bevor. Auch weil sehr viele Berufs-Bereiche (Stichwort Automatisierung) betroffen sind und sich überall (Stichwort Big Data) Veränderungen einstellen werden. Veränderungen, die allesamt höchst politisch sind, aber keinesfalls ins öffentliche Bewusstsein sickern konnten, wo vergleichsweise realitätsferne Themen (Flüchtlinge, subjektive Sicherheitsgefühle) eine hohe emotionale Nähe veranschlagen.

Es besteht nun also die Gefahr, dass die bereits einfach, nämlich im gesellschaftspolitischen Diskurs Abgehängten (und die in jeder Hinsicht, politisch und ökonomisch Prekären sowieso) in diese digitale Kluft fallen und dann ganz schnell verlorengehen. Versinken im Wutbürger-Delta jener, die Robert Misik hier als "beschämt" und nicht mehr "stolz" beschreibt.

Dass sich der IKT-Konvent nicht um einen einheitlichen Twitter-Hashtag bemühte, hake ich als minor problem ab.

Der IKT-Konvent blieb bei den für die Wirtschaft wesentlichen Dingen hängen, bei einer verbesserten Ausbildung der Fachkräfte mit der Vorstufe einer verbesserten Schulbildung. Die Erwachsenen-Bildung, die inhaltliche Nachrüstung eines bis dato (teilweise auch bewusst) unbeleckt gehaltenen guten Teils der schlecht ausgebildeten Mehrheitsbevölkerung.

"Jeder Mensch in Österreich soll an der Digitalisierung teilhaben können. Wir wollen die digitale Kluft schließen", so lautet der 1. von 12 Leitprinzipien der digital roadmap, die von Duzdar und Harald Mahrer, einem anderen hochpolitischen Kopf dieser Regierung, ausgearbeitet wurden. Die meisten anderen Punkte (ich würde sagen: acht) wurden beim IKT-Konvent so behandelt, dass ich mir um die Erledigung wenig Sorgen mache - schließlich hängt das ureigenste Interesse der Wirtschaft (der Gewinn) dran.

Der Gewinn dabei alle, vor allem die "anderen" mitzunehmen, ist nicht bezifferbar, es wäre nur die Rettung der Demokratie. Mal sehen, wem daran was liegt.