Erstellt am: 21. 1. 2017 - 11:47 Uhr
Ein Bestseller, aber öd und derb
Es kann sehr grotesk zugehen in den Thrillern des Tiroler Bestseller-Autors Bernhard Aichner. Das hat er seinen LeserInnen bereits in zwei Bänden rund um die Hauptfigur Blum dargelegt: Blum ist eine Bestatterin, die Menschen auch unfreiwillig unter die Erde bringt. Auch der finale Teil der Trilogie ist nicht weniger mörderisch - aber öd und derb.
Was ist geschehen? Wir rekapitulieren kurz.
Simon Welebil zum Erscheinen der "Totenfrau"
Brunhilde Blum taucht das erste Mal als "Totenfrau" auf: Der so betitelte Roman wird der erste große Verkaufserfolg Bernhard Aichners. "Mache ich doch eine nette Mörderin", hat er sich gedacht, "zum Einen, dass es mir gut geht beim Schreiben, zum Anderen, um zu polarisieren." 170.000 verkaufte Exemplare der "Totenfrau" zählt der Verlag. Die Sympathien der LeserInnen sind auf Blums Seite.
Ursula Aichner
In ein mörderisches Kuriositätenkabinett führt Aichner mit seinem zweiten Band "Totenhaus" mit Frau Blum. Es klingt wie eine Horrormeldung auf einer Chronik-Seite: Frau entdeckt Zwillingsschwester als Exponat einer "Körper-Kunst"-Ausstellung. Ausgestopft ist der vermeintliche, erwachsene Zwilling, drapiert auf einem ebenso präparierten Zebra. Blum ist gezwungen, sich auf Spurensuche in das vergangene Leben der zur Schau gestellten Toten zu machen. Die Mutter zweier Mädchen, die Witwe eines Polizisten, die adoptierte Tochter eines Bestatters verlässt also ihr Haus und ihr bisheriges Leben auf einem Motorrad.
Und jetzt ist Blum auf der Flucht und sie hat ihre zwei Töchter dabei. In Hamburg wird sie stranden für "Totenrausch". Es soll das Finale werden. Der dritte Band einer Trilogie. So würde das der Autor wahrscheinlich selbst anteasern. Denn Bernhard Aichner teasert viel und das stets in kurzen Sätzen. Daher liest sich „Totenrausch“ flott und erinnert an Lesenlern-Texte in der Volksschule. Wären da nicht grobe Schilderungen derber Handlungen.
Die "Totenfrau": Ein Interview mit der Thanatologin, Ritualforscherin und Bestatterin Christine Pernlochner-Kügler: Sie soll Bernhard Aichner als Vorbild für seine Hauptigur gedient haben.
Der Handlung kann man ohne Schwierigkeiten folgen, selbst wenn man die anderen Bände nicht gelesen hat. „Ein großer Sumpf ist alles. Tief und schwarz.“ Hamburg ist ein Abziehbild des Klischees der Hafenstadt. Hauptsache, es stehen dort Villen und es gibt ein Zuhältermilieu. Zu jenen KrimiautorInnen, die ihre Schauplätze akribisch beschreiben oder große Lust auf Reisen machen, gehört Aichner nicht. Erwarten können sich Fans des Tiroler Autors mehr von inzwischen allzu Bekanntem und seitenweise Variationen ein- und derselben Gedanken Blums. "Sie will daran glauben, dass sie nur eine willkommene Abwechslung in seinem Leben ist, ein Prachtweib mit Eiern in der Hose." Aha. Wie immer ist sie in existentieller Gefahr. Aber in weit größerer Gefahr sind all jene, die ihr begegnen.
„Lügen waren es, die die Wunden der Kinder heilten. Die Wahrheit behielt Blum für sich, diese Sätze, die immer wiederkamen, in ihr laut waren. Eure Mama hat fünf Menschen umgebracht, meine Lieben. Sie hat euch euer Leben gestoheln. Aber Mama wird alles wiedergutmachten.“
Blum stilisiert sich als Opfer, das nicht aus kann und so erschlägt sie mal den einen, dann den anderen nicht. Die Blum ist unsympathisch geworden, mehr Figur als Charakter, und ihre Motive sind längst nicht mehr nachvollziehbar. Der Rahmen für die Morde ist konstruiert wie ein mittelmäßiger "Tatort". Zuhälter, "Bluthund" und der Rechtsstaat, der das Unterweltimperium zu Fall zu bringen droht, stehen Blum als Feinde gegenüber. Blum begibt sich in die Schuld eines Zuhälters und am Ende bekommt sie rettenden Beistand aus der Vergangenheit.
Ursula Aichner
fm4.orf.at/buch Literaturempfehlungen und Porträts von AutorInnen
Bernhard Aichner arbeitet mit Cliffhangern, wie man sie aus Fernsehserien kennt. Was er am Ende eines Kapitels andeutet, löst er zu Beginn des nächsten auf. Eine Verfilmung drängt sich geradezu auf und laut Aichner will der Sender Lifetime noch im Frühjahr einen Piloten drehen. Im neuen Band "Totenrausch" gelingt dem Bestseller-Autor ein einziges Mal ein überraschender Moment, der Rest beeindruckt nicht. Während Aichner im vorigen Blum-Band mit dem Titel „Totenhaus“ zumindest mit einer bizarren Geschichte abgehoben ist, bleibt „Totenrausch“ banal und pathetisch.
„Zwanzig Minuten lang sitzt sie im Wagen. Dann steigt sie aus, geht am Zaun entlang und schaut in den Garten. Zeit totschlagen will sie, einen kurzen Blick auf die heile Welt hinter dem Zaun werfen. Ich habe keine andere Wahl, Lambert.“
Blum schlägt nicht die Zeit, sondern Menschen tot. Der dritte Band sollte tatsächlich der finale sein.