Erstellt am: 19. 1. 2017 - 13:46 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 19-01-17.
#medienkompetenz #99percent
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Die erwähnten acht reichsten Männer sind: Bill Gates (Microsoft), Amancio Ortega (Zara), Starinvestor Warren Buffet, der Telekommunikations-Tycoon Carlos Slim, Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Facebook), Larry Ellison (Oracle) und der Finanz/Medien-Tycoon Michael Bloomberg.
Am Montag schoss diese Geschichte allerorts punktgenau ins Gerechtigkeitsempfindens-Zentrum aller Wutbürger (besser: Wutprekären): Oxfam, der informelle Dachverband internationaler Hilfs- und Entwicklungsorganisationen vieler westlicher Industriestaaten (plus Mexico und Indien, Österreich ist dafür nicht dabei) veröffentlichte seinen alljährlichen Bericht unter dem Titel An Economy for the 99 Percent. Ergebnis der ausführlichen Studie: das reichste Prozent der Menschheit besitzt mehr als der gesamte Rest. Und, neu: acht Männer besitzen mehr Vermögen als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Im Vorjahr wären das noch 62, vor zwei Jahren 80 gewesen. Die Schere gehe also massiv auf.
An der prinzipiellen Wahrheit der extremen Ungleichverteilung rüttelt niemand - allein kam heuer Kritik an der (veränderten) Berechnungs-Methode ins Spiel, die die von Oxfam gezogenen Vergleiche deutlich verzerrt hätten.
Ebenso punktgenau zum Erscheinen des Oxfam-Berichts landete eine Analyse des hiesigen Think Tanks Agenda Austria in den österreichischen Redaktionsstuben. Titel: Oxfam irrt: Das Problem ist Armut, nicht Reichtum. Der Bericht, der in ein formschönes 40-Seiten-Heftchen gepackt, tags darauf auch in den analogen Postfächern landete, war bereits vor dem Jahresbericht 2016 erschienen, befasste sich also nicht mit den heuer veränderten Mess-Methoden, sondern übt prinzipielle Kritik. Kritik, die sich, wie in Wirtschaftskreise üblich, eher nicht an Fakten, sondern (ökonomie-ideologischen) Glaubenssätzen wie "Mehr Staat ist keine Lösung" orientiert.
Der Agenda-Bericht operiert ebenso wie der Oxfam-Bericht mit der Relativierung von Kennzahlen (wie etwa der Armutsrate) und Statistiken. Und er agiert auch gezielt machtpolitisch, indem er etwa den Alarmismus der Oxfam-Aussendungen in direkten Zusammenhang mit der Finanzierung der Oxfam-Projekte setzt.
Zu diesem Zweck zitiert die AA-Analyse Oxfam-Verantwortliche, die das werbliche Klotzen, die lobbystrategischen Marketing-Effekte, derer sie sich bedienen, durchaus offen verhandeln. Bis hin zum Bekenntnis auch Skandale für Öffentlichkeits-Schaffung nutzen zu wollen. Man stellt also die wohlbekannte Tatsache, dass sich Oxfam als NGO wie Greenpeace, WWF etc zum Aktivismus (im Sinne der grassrootsbewegten, weltweiten Basis-Bewegungen) bekennen, als verpönt/amoralisch dar; und vermutet dahinter eine hidden agenda - in Zeiten wo der US-Präsident den Klimawandel als chinesische Erfindung bzw Störagenda gegen die USA sieht, eine durchaus populäre Methode.
Während Oxfam seinen Aktivismus (also seine Agenda) also gar nicht bestreitet oder verneint, hat die Agenda Austria damit eher ein Problem. Sie ist nämlich nicht irgendein unabhängiger Think Tank, sondern, wie es der ebenfalls wirtschaftsnahe Kurier hier ungeschönt darstellt, die Denkfabrik der Millionäre. Es existieren zwei Lesarten der Entstehung (und Funktion) der Agenda Austria. Entweder ist sie von (global und medienkenntnisreich denkenden) Teilen der Industrie veranlasst/gegründet worden, oder wirtschaftsfreundliche Journalisten/Experten haben die Marktlücke erkannt und sich angeboten. Egal wie: wir haben es mit einer klassischen Hund/Herrl-Situation zu tun. Die AA leistet schlicht Lobby-Arbeit für die sehr, sehr Reichen - rund um die Debatte zur Hamburger Elbphilharmonie ist der schöne hanseatische Begriff des Pfeffersacks wieder aufgetaucht; der passt hier wunderbar.
Bloß: im Gegensatz zu etwa Oxfam vergisst sie gerne diese Tatsache (also das Lobbyieren fürs Herrl) auch gebührend zu erwähnen.
Und weil gerade die Wirtschaftsredaktionen dieses Landes von Journalisten durchsetzt sind, die sich als Partner der Industrie, Hochfinanz und ökonomisch Mächtigen sehen, und auch gerne auf gut dotierte PR-Posten in diesen Bereichen spitzen, die nach jahrelanger gefälliger Berichterstattung als Lohn für sie abfallen, werden die Aussendungen der Agenda Austria allzu oft als objektive Stellungsnahmen ausgeschildert. Und weil die Agenda Austria zu allem etwas zu sagen hat und in ihrer nicht spezialisierten und sehr allgemein gehaltenen Think-Tank-Funktion in Österreich keine Konkurrenz hat, kommen die AA-Einschätzungen sehr gerne und sehr oft völlig unkritisch in die Medien.
Deshalb werden Agenda-Austria-Einwürfe im Fall Oxfam dann nicht als das, was sie sind, nämlich lobbyierende Propaganda, sondern als objektive Expertise transportiert. Dabei hätte die Agenda ihren Zweck ja eh schon im Namen drin.