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Rainer Sigl

Spiel, Kultur, Pop im Assoziationsblaster.

23. 1. 2017 - 15:37

Ruf der Wildnis

Das Survival-Abenteuer "The Long Dark" ist der beste Wildnis-Überlebens-Simulator - auch wenn es noch nicht fertig ist.

Hinterland Games

Eigentlich hätte es ja nur ein kurzer Spaziergang zum Feuerholzholen werden sollen. Dann habe ich im plötzlich aufziehenden Nebel die Orientierung verloren, ein Wolf hat mich gejagt und beim Versuch, das Lagerfeuer anzuzünden, habe ich die letzten Zündhölzer ohne Erfolg verbraucht. Langsam zieht die Dunkelheit herein, und mit den Temperaturen sinken auch meine Überlebenschancen. Da ist es auch fast schon egal, dass ich mir beim Essen von rohem Kaninchenfleisch eine Lebensmittelvergiftung zugezogen habe.

Ja, das Leben ist ganz schön hart in “The Long Dark”. In diesem First-Person-Abenteuer braucht es keine bösen Gegner, knifflige Rätsel oder eine komplizierte Story, und trotzdem erlebt man seinen ganz persönlichen Thriller, der meist ohne Happy End verläuft. Gestrandet in der eisigen Wildnis Kanadas ist unsere einzige Aufgabe, möglichst lange am Leben zu bleiben.

Apokalypse im ewigen Winter

* "Early Access" bedeutet, dass ein Spiel schon vor seiner offiziellen Fertigstellung gekauft und gespielt werden kann - auch wenn noch viele Features fehlen und häufig noch zahlreiche Bugs vorkommen können - Letzteres ist bei "The Long Dark" nicht der Fall.

Dass in der eisigen Wildnis kein einziger Mensch mehr lebt und sich die Tiere seltsam aggressiv verhalten, hat vielleicht etwas mit einer geomagnetischen Anomalie zu tun, die die ganze zivilisierte Welt an den Rand der Auslöschung bringt, aber: So genau werden wir das wohl erst später, vielleicht sogar noch dieses Jahr erfahren. “The Long Dark”, das bereits 2013 erfolgreich auf Kickstarter finanziert und bereits seit 2014 (!) im Early Access* spielbar ist, ist nämlich noch nicht fertig - ein Story-Modus lässt noch auf sich warten. Dank fleißiger Entwickler ist die Survival-Sandbox aber inzwischen bemerkenswert herangereift.

Ein Besuch des in den letzten Jahren kontinuierlich verbesserten Spiels zeigt: Schon jetzt bietet die bloße Überlebenssimulation im eisigen Norden das vielleicht spannendste Survival-Spiel der jüngeren Spielegeschichte. Auf jeden Fall ist es jenes mit der beeindruckendsten Atmosphäre; die einsame Naturkulisse ist ebenso majestätisch wie furchteinflößend. Beim Wandern durch verschneite Wälder sieht man sich vor allem in den ruhigen Momenten mit einem beeindruckenden "Naturerlebnis" konfrontiert, und wenn hinter eisigen Bergen die Sonne untergeht und ein Schneesturm losbricht, wird einem auch beim Spielen eiskalt.

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Mensch gegen Natur

“The Long Dark” ist für Windows, Mac, Linux und Xbox One im Early Access erschienen.
Hier habe ich mein bisheriges Survival-Abenteuer kurz zusammengefasst.

Es gibt kaum Sandbox-Spiele, die so gekonnt minimalistisch sind wie “The Long Dark”, und das macht es auch für Spielerinnen und Spieler interessant, die dem ewigen Kreislauf von Grinding und Crafting der anderen Genrevertreter wenig abgewinnen können. Seine Herausforderung liegt nicht, wie sonst oft, im Kampf gegen Zombies oder menschliche Mitspieler, sondern ausschließlich im einsamen Kampf des Menschen gegen die Natur - und wer da am längeren Ast sitzt, ist bekannt. Beim Tod durch Verhungern, Erfrieren oder Krankheit hilft übrigens auch kein gespeicherter Spielstand - und die Gefahr des Permadeath macht “The Long Dark” trotz seines ruhigen Tempos nervenzerreißend spannend.

Wer immer schon wissen wollte, wie er sich fernab der Zivilisation so schlagen würde, kann schon jetzt in die eisige Wildnis aufbrechen - auch im halb fertigen Zustand ist “The Long Dark” schon jetzt ein wahres Abenteuer.