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Erich Möchel

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15. 1. 2017 - 19:00

CETA-Abstimmung im EU-Parlament wird knapp

Die Entscheidung über CETA fällt in der sozialdemokratischen Fraktion, die dem Freihandelsabkommen mit Kanada derzeit gespalten gegenübersteht

Die Nachrichten vom Ableben aller Freihandelsabkommen nach die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten waren verfrüht, denn am Donnerstag kamen wenigstens vom CETA-Abkommen mit Kanada klare Lebenszeichen. Im Umweltausschuss des EU-Parlaments stimmte eine deutliche Mehrheit für das Abkommen, wie auch schon im außenpolitischen Ausschuss im Dezember. Der Sozialausschuss hatte CETA hingegen Anfang Jänner mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Für die Plenarabstimmung im Februar zeichnet sich also ein knappes Ergebnis ab, entscheiden wird das Stimmverhalten der sozialdemokratischen Fraktion. Die ist in dieser Frage gespalten, wie auch die österreichische Abgeordnete Karoline Graswander-Hainz gegenüber ORF.at bestätigte. Die übrigen Fraktionen haben sich bereits festgelegt, das geht aus einer Umfrage von ORF.at bei österreichischen Abgeordneten von fünf Fraktionen hervor.

23. Jänner im Handelsausschuss

Karoline Graswander-Hainz

Foto Perjen

MEP Karoline Graswander-Hainz (SPE) ist wie viele ihrer Fraktion skeptisch und noch unentschieden

Während sich ÖVP und Neos (Liberale Fraktion ALDE) auf ein eindeutiges "ja" zu CETA festgelegt haben, sind die Grünen ebenso klar dagegen. Graswander-Hainz (SPE) geht davon aus, dass sich an der sichtbaren Spaltung der Sozialdemokratischen Fraktion bis zur Abstimmung nicht viel ändern wird. In zwei der drei Ausschüsse stimmten jeweils etwas mehr Sozialdemokraten für das Abkommen mit Kanada als dagegen. Das wird im Außenhandelsausschuss (INTA) des Parlaments, der voraussichtlich am 23. Jänner zusammentritt, wohl nicht anders sein. Mit Bernd Lange stellen die Sozialdemokraten dort den Vorsitzenden, dementsprechend ist von einer Zustimmung auch im INTA auszugehen.

Die österreichischen SPE-Abgeordneten sind da offenbar skeptischer als viele ihrere Kollegen vor allem aus dem Süden der EU. "Im Moment analysieren wir noch die 38 Zusatzerklärungen sowie das interpretative Instrument auf deren Rechtsverbindlichkeit und ob diese noch zu Verbesserungen führen können", so Graswander-Hainz: "Sollte sich herausstellen, dass diese Zusatzerklärungen nichts am Text ändern - und dies zeichnet sich immer mehr ab - werden meine KollegInnen der SPÖ-Delegation und ich gegen das CETA-Abkommen stimmen."

Othmar Karas

Parlamentsdirektion / WILKE

MEP Othmar Karas und seine Fraktion EVP haben sich auf Zustimmung zu CETA festgelegt

Streitfall Investorenschutz

Gerade wegen dieser nachträglichen Zusätze hatte Bundeskanzler Christian Kern im Sommer die österreichische CETA-Blockade im EU-Ministerrat aufgehoben. Juristen waren damals schon recht einhellig der Ansicht, dass diese Zusatzprotokolle nichts am Vertragstext selber ändern würden. Und darin stoßen sich Graswander-Hainz und Kollegen am Investorenschutzkapitel, "auch wenn daran einiges verändert wurde, besteht die Gefahr einer Paralleljustiz für Konzerne mit der Möglichkeit, an unabhängigen Gerichten vorbei vor Sondergerichten zu klagen, auch weiterhin", sagt Graswander-Hainz (SPE).

Die 15. und vorerst letzte TTIP-Runde lief im Oktober unüblicherweise fast geräuschlos ab, um die Verabschiedung des CETA-Abkommens nicht zu gefährden.

Für Othmar Karas (EVP), der anders als viele seiner europäischen Parteikollegen CETA von Beginn an durchaus kritisch gesehen hatte, wurden mit den Änderungen bereits alle notwendigen Maßnahmen getroffen, "der Investorenschutz wird auf neue Beine gestellt. Das Nein zu privaten Schiedsgerichten wurde durchgesetzt."

Gerade das aber wird sehr bezweifelt, denn zum einen bedarf der von der EU-Kommission angekündigte Internationale Schiedsgerichthof erst seiner Gründung und auch wenn er zum Teil mit echten, ehemaligen Richtern besetzt wird, ist es dennoch ein Tribunal abseits der ordentlichen Gerichte des jeweiligen Staats.

Pro-Stimmen der Liberalen

Von Mitte 2015 bis Mitte 2016 ist die Zahl der Investorenschutzklagen weltweit explodiert, hundert neue Verfahren gegen Staaten wurden angestrengt

Die Liberale Fraktion, nach Konservativen, Sozialdemokraten und Rechtskonservativen immerhin die viertstärkste Fraktion im EU-Parlament, war von Beginn an fast vorbehaltslos für CETA und andere Freihandelsabkomenn eingetreten. So auch Angelika Mlinar (Neos) , die das "Abkommen mit Kanada inhaltlich für das beste, das je verhandelt wurde", bezeichnete. "Die mit dem CETA-Vertrag gesetzten hohen Standards" könnten "eventuell auch weltweit für höhere Standards bei derartigen Abkommen sorgen."

Angelika Mlinar

Europäische Union, 2014 – EP

MEP Angelika Mlinar befürwortet das Abkommen, wie die gesamte liberale Fraktion ALDE

Tatsächlich sind etwa die einzelnen Schritte zur Einleitung eines Investorenschutzverfahrens im Rahmen von CETA bis in kleinste Details normiert und vorgegeben. Wie weit das das sogenannte "frivole Klagen" von Konzernen gegen Staaten - Kanada ist selbst gerade mit mehreren solchen Klagen konfrontiert - verhindern kann, wird also erst die Praxis zeigen, falls CETA tatsächlich verabschiedet wird. Im Übrigen fördere Freihandel den Wohlstand und sei "gerade für eine Exportnation wie Österreich Garant für Arbeitsplätze."

Gegenstimmen von den Grünen

Investorenschutzkläger gewinnen auch wenn sie verlieren, weil die millionenschweren Klagen auch als Druckmittel gegen weitere Staaten eіngesetzt werden können

Dem für Karas mithin wichtigsten Argument für CETA, dass die "Daseinsvorsorge, wie zum Beispiel die Wasserversorgung, unangetastet und die Sozialѕtandards gesichert bleiben." widerspricht der Grüne MEP Michel Reimon ganz entschieden. Mittel- bis langfristig führe nämlich auch CETA zu einer Deregulierung von Standards bei öffentlichen Dienstleistungen und in der Landwirtschaft. Besonders sauer stößt den Grünen natürlich das ausführliche Investorenschutzkapitel auf. Mit der dadurch abgesegneten, strukturellen Verknüpfung von Freihandel mit Investorenschutz werde also "ein neuer, schlechter Standard gesetzt", sagte Reimon, der wie seine gesamte Fraktion gegen CETA stimmen wird.

Michael Reimon

Europäische Union, 2014 – EP

MEP Michael Reimon, Grüne Fraktion

Von der FPÖ bei der ebenfalls angefragt wurde, traf bis Redaktionssschluss am Sonntag keine Antwort ein. Wie auch die gesamte von Marine Le Pen geführte Rechtsfraktion ENL, hatte die FPÖ bisher stets gegen Freihandelsabkommen aller Art Stellung bezogen. Auch die zweite Rechtsfraktion der grundsätzlichen EU-Gegner EFDD, die von Nigel Farrage angeführt wird, sollte weitgehend geschlossen gegen CETA stimmen. Die EFDD hatte sich in der Sache zwar kaum bis nicht zu Wort gemeldet, in der Vergangenheit hatte die Fraktion jedenfalls aus Prinzip noch jeden internationalen Vertrag der Union abgelehnt.

Rechnet man dann noch die Stimmen Linksfraktion dazu, stehen hier etwa 200 Stimmen gegen 350 Befürworter von Konservativen (EPP), Rechtskonservativen (ECR) und Liberalen (ALDE), wenn es nach der Papierform geht. Die Aufteilung der 189 Sozialdemokratischen Stimmen auf die beiden Lager wird hier den Ausschlag geben. Die Bruchlinien dürften laut MEP Graswander Hainz zwischen Nord und Süd bzw. zwischen höher und weniger entwickelten Staaten wie Rumänien und Bulgarien verlaufen, aus denen die wenigsten Vorbehalte gekommen waren. Mit einem Wort kann es also "arschknapp" werden, wie der designierte Bundespräsident Alexander van der Bellen bei solcher Gelegenheit zu sagen pflegt.

Nachsatz über die Untoten

Was das völlig in der Versenkung verschwundene Freihandelsabkommen TTIP anbetrifft, so ist das nicht als beerdigt, sondern eher als untot zu betrachten. TTIP wurde vom designierten Präsidenten Trump schon deshalb nie abschätzig beurteilt, weil Trump TTIP überhaupt nie explizit erwähnt hat. Trump hatte nur allgemein über zu komplizierte Abkommen gescholten, richtig gewütet aber hatte er gegen TPP und NAFTA, das seit 1995 in Kraft ist. Anders als TTIP, das den Handel zwischen hochentwickelten Industriestaatenbünden weiter antreiben soll, sind sowohl im transatlantischen TPP wie auch im nordamerikanischen NAFTA Billiglohnländer wie Malaysia oder Vietnam bzw. Mexiko vertreten.