Erstellt am: 14. 1. 2017 - 06:00 Uhr
Ein Comic-Denkmal für Dostojewski
„Schuld und Sühne“, „Die Brüder Karamasow“, „Der Spieler“, „Der Idiot“ - Fjodor Michailowitsch Dostojewskis prägnantes und durchaus auch düsteres Werk gehört zur Weltliteratur.
Das Leben ein Abenteuer und ein ständiger Kampf mit sich selbst und mit den Umständen: Der Autor Fjodor Michailowitsch Dostojewski war zum Tode verurteilt, wurde begnadigt und musste in ein Straflager. Er lebte immer wieder am Existenzminimum, war spielsüchtig und litt an Epilepsie. Hinzu kamen schwierige Beziehungen und Verhältnisse. Vieles aus seinen großen Werken kannte er zu gut aus seinem eigenen Leben.
Knesebeck Verlag/Vitali Konstantinov
Das alles fasziniert den in Odessa geborenen Illustrator und Autor Vitali Konstantinov. Außerdem, fügt er hinzu, "war Dostojewski ein 100%iger unbeugsamer Freiberufler und betrieb sein Werk und sein Geschäft nicht bloß aus der Langeweile oder als Hobby, wie die Großgrundbesitzer Tolstoi, Turgenew & Co. es taten, sondern im vollen Ernst und mit dem vollen Einsatz. Er kannte das ständige Balancieren zwischen seinem künstlerischen Anspruch, dem Kompromiss und dem ewigen Druck, Geld verdienen zu müssen."
Etwas, das dem mittlerweile in Berlin lebenden Vitali Konstantinov wohl auch selbst bekannt ist. Für ihn ist FMD "ein großartiger Profi ohnegleichen".
Knesebeck Verlag/Vitali Konstantinov
Vitali Konstantinov kam bereits im Vorschulalter mit Dostojewski in Berührung. Sein Vater war ein großer Fan und las seiner Mutter immer wieder Texte vor. Natürlich musste er als Schüler in der UdSSR auch Dostojewski lesen. Auf Russisch klinge Dostojewski für ihn keineswegs düster, schwer oder gar unlesbar, sondern äußerst unterhaltsam und spannend.
Vor einigen Jahren hatte er die Idee, seinen Lieblingsautor mit dem Genre des Comics zu verbinden. "Wenn man damit anfängt, kann und will man ja eigentlich alles zeigen."
Alles auf einmal im Simultancomic
Wie sich das Leben und Werk beeinflusst haben, will Vitali Konstantinov aufzeigen. "Es war mir auch wichtig, die Verflechtungen zwischen dem Werk und dem Leben des Schriftstellers chronologisch zu zeigen, also musste jedes Werk, jeder Roman als eine überschaubare Einheit in die fließende Biografie-Wiedergabe integriert werden."
Die Biographie erzählt Vitali Konstantinov in der traditionellen Erzählform des Comics – in Panels. Für die Werke bedient er sich aber einer Darstellungsweise, die ihren Ursprung im Mittelalter hat: dem Simultanbild. "Alles auf einmal." Verschiedene Handlungen, die zeitlich oder räumlich getrennt sind, werden gleichzeitig dargestellt.
Die Leserichtung spielt da für ihn weniger eine Rolle, wichtiger ist der Gesamteindruck.
Knesebeck Verlag/Vitali Konstantinov
"Ich sehe Comic nicht als einen auf Papier gebannten 'Film'´, sondern doch/eher/immer noch als grafische Kunst, wobei das einzelne Blatt als Gesamtkomposition unmittelbar wahrgenommen wird. So ist auch jede Comic-Seite ein in sich geschlossenes grafisches 'Kunstwerk', bzw. sie soll versuchen, solches zu werden."
Das hat natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll auf die bedeutendsten Werke von Dostojewski teasern und Interesse an ihnen wecken.
Knesebeck Verlag/Vitali Konstantinov
Diese gewaltigen Bilder hat Vitali Konstantinov mit Bleistift gezeichnet. "Mit edlen japanischen Stiften in verschiedenen Stärken auf einem schönen handgeschöpften heißgepressten Papier aus Frankreich." Auch das Lettering ist von Hand – auf einer eigenen externen Ebene. Dadurch kann der Comic leichter übersetzt werden. In die USA und nach Kolumbien wurden bereits Lizenzen verkauft.
So hat Vitali Konstantinov im besten Sinn mit seiner Handschrift auf nur 64 Seiten dem Leben und Werk von Dostojewskis ein Denkmal gezeichnet.