Erstellt am: 13. 1. 2017 - 15:36 Uhr
Urban Birding
Nachdem das alte Jahr gebührend verflucht wurde und das neue schon mal schlimm anfing - weltweit mit dem Terroranschlag in Istanbul und der Amtseinsetzung Trumps, privat mit einer Rippenprellung und dem Abschied von einem sehr alten, treuen Haustier - ist es nun Zeit, das Alte hinter sich zu lassen und positiv in den Rest-Januar zu gehen.
Das ist in Berlin zurzeit gar nicht so einfach. Die Stadt zeigte sich kurz in Weiß und dann bald wieder in den winterüblichen 50 Grauschattierungen. Der Regen, der Schmutz der Straße, der Schneematsch, die platt getretenen Rasenflächen, selbst die Sträucher und kahlen Bäume, Häuser, Bretterbuden, Autos, Menschen - alles grau, grau, grau. Grau in Grau.
Das ist traditionell die Zeit, in der die Berlinerin den Kopf heben und es laut aussprechen muss: Berliner Winter! DU machst mich nicht fertig! Denn wer den dreißigsten Berliner Winter in Folge erlebt, hat ein paar Tricks und Gegenmittel auf Lager, ihn zu überstehen.
1. Trotz allem rausgehen.
2. Den Kopf heben, in den Himmel schauen - das stimmt optimistisch.
3. Am Warmbadetag in prächtige alte Schwimmbäder gehen.
4. Abends in prächtige alte Kinopaläste gehen.
5. Auf Konzerte in alte Theaterkästen gehen.
6. In Bars gehen
7. Trinken hilft manchmal
8. Geselligkeit immer.
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Sehr gut ist es auch, in dieser schwierigen Jahreszeit ein neues Hobby zu suchen. Da hat in Berlin die altehrwürdige Institution „Volkshochschule“ so einiges zu bieten.
Das Programm hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Während die VHS früher das Image des Seniorentreffs mit Aquarellmalerei und Salzteigbacken - also Beschäftigungstherapie für gelangweilte Pensionäre - anhaftete, gibt es jetzt voll die schicken Sachen. Zum Beispiel
Manga zeichnen, Beauty-Coaching/Frisurentechnik, vor und über Kunst reden, Fotos selbst ausdrucken, historische Tänze aus Renaissance und Barock für Fortgeschrittene, Nassfilzen – Fantasien in Filz und so fort. Von den ganzen Sprachkursen, Sportsachen wie Yoga, Pilates, Feldenkrais, Achtsamkeit, Ernährungsberatung, Computerkurs und kreatives Schreiben ganz zu schweigen!
Dem ein oder anderen Misanthropen wird das natürlich alles zu popelig und nicht hip genug sein - aber auch da ist Rettung in Sicht. Wir leben schließlich in Berlin, und hier entstehen quasi täglich neue Trends und Moden, an die man sich dran hängen kann. Über den allerneuesten Freizeittrend berichtete diese Woche das Berliner Regionalfernsehen: Urban Birding.
"Berlin ist die Hauptstadt der Sperlinge", so Rainer Altenkamp vom @NABU_Berlin. Aber es gibt viel mehr Vögel in Berlin zu entdecken: pic.twitter.com/1VbkgPqlw3
— rbb Abendschau (@rbbabendschau) 8. Januar 2017
Urban Gardening ist ein alter Hut, aber Urban Birding, das kennt noch keiner.
Diese Tätigkeit – formerly auch als „Vogelbeobachtung im Winter“ bekannt- bringt den winterdepressiven Berliner vor die Tür, regt zur Bewegung an und eröffnet eine ganz neue Welt, die Vogelwelt. Der Winter eignet sich besonders gut für Urban-Birding Anfänger, da hält sich nämlich die Vogelvielfalt in Grenzen, kein Blattwerk behindert die Sicht auf unsere gefiederten Freunde und so lernen auch die Anfänger schnell, ein paar Vogelarten zu unterscheiden: das Rotkehlchen, die Ringeltaube, die Amsel, der Gartenbaumläufer, der Mäusebussard. Bald wird auch den absoluten Beginnern klar: Berlin ist die Stadt der Sperlinge!
Für besonders penible, erbsenzählerische Naturen brachte das neue Hobby „Urban Birding“ am letzten Wochenende ein absolutes Highlight: Vogelinventur in Berlin! Der Naturschutzbund NABU rief dazu auf, die Vögel der Stadt zu zählen.
Dazu sollte man sich einen Platz aussuchen, von dem aus man gut beobachten konnte. Dann sollte man von jeder Art die höchste Anzahl der Vögel, die im Laufe einer Stunde gleichzeitig zu sehen waren, notieren. Eine Zählhilfe zum Ausdrucken stellte der NABU online bereit und gab auch Tipps zum Vögel bestimmen.
Wie jedes Hobby birgt aber auch Urban Birding Gefahren: Allzu pedantische Urban Birder können bei der Vogelinventur leicht verrückt werden, weil die zu zählenden Vögel ja immer wieder davonfliegen und man nicht weiß, ob sich nicht die gleichen 5 Spatzen immer wieder auf dem gleichen Ast niedergelassen haben. Da hilft nur Ruhe und Gelassenheit! Und wer sich beim Urban Birding zu sehr aufregt, kann ja immer noch einen Achtsamkeitskurs bei der Volkshochschule machen.