Erstellt am: 12. 1. 2017 - 15:55 Uhr
EU-Parlamentspräsidentenwahl: Es ist kompliziert.
Sieben der acht Fraktionen im EU-Parlament haben Kandidaten aufgestellt. Als aussichtsreich gelten aber nur zwei: Der von der Europäischen Volkspartei (EVP) nominierte Berlusconi-Intimus Antonio Tajani, und der Sozialdemokrat Gianni Pittella. Dass die Sozialdemokraten überhaupt einen Kandidaten aufstellen, lässt die Konservativen nun schäumen.
Den Grund dafür liefert am Dienstag der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, bei einer Pressekonferenz. Er veröffentlicht ein Dokument, dessen Existenz schon lange vermutet wurde.
Das ist sie: geheimabsprache zwischen @ManfredWeber und @MartinSchulz über Wechsel an der EP-Spitze @SPIEGELONLINE pic.twitter.com/69o6uyxKZk
— Peter Mueller (@PeterMueller9) 9. Januar 2017
Es ist die schriftliche Vereinbarung zwischen EVP und Sozialdemokraten, dass nach der Hälfte der Legislaturperiode der Posten des Parlamentspräsidenten an die Konservativen gehen soll. Doch das wollen die Sozialdemokraten jetzt nicht zulassen, denn die EVP stellt bereits den Ratspräsidenten Donald Tusk und den Kommissionschef Jean Claude-Juncker.
Was diese Veröffentlichung nun für das Verhältnis zwischen den beiden Parteien bedeutet, wird man spätestens nach der Wahl sehen. Der aktuelle Beziehungsstatus der zwei größten Fraktionen im EU-Parlament lautet jedenfalls: Es ist kompliziert.
Kein Verständnis bei EVP
Othmar Karas, der für die ÖVP im EU-Parlament sitzt, findet wenig Verständnis für den Schwenk der Sozialdemokraten. "Es war schon mehrfach der Fall, dass in allen drei Institutionen ein Bürgerlicher Präsident war", so Karas. Er wünscht sich, dass sich die Sozialdemokraten an die bisher geheime Vereinbarung halten, am Dienstag für den EVP-Kandidaten stimmen und das nicht von der Kompetenzverteilung im Rat oder der Kommission abhängig machen.
Die EVP-Fraktion stehe jedenfalls geschlossen hinter Tajani. Die Fraktion sei laut Karas auch die einzige gewesen, die innerparteilich den Kandidaten demokratisch bestimmt hätten.
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Die Rolle der anderen Fraktionen
Ausschlaggebend für den Sieg werden die Stimmen der Abgeordneten aus den anderen sechs Fraktionen und der Fraktionslosen sein. Doch wie diese abstimmen werden, ist schwer abzuschätzen. EVP-Fraktionschef Manfred Weber ließ aber schon anklingen, dass man "keine Stimmen von Radikalen" akzeptieren werde.
Die Europäischen Grünen wollen laut Parlamentsvizepräsidentin Ulrike Lunacek einen Parlamentspräsidenten Antonio Tajani verhindern. Auch sie schicken - eher symbolisch - eine Kandidatin ins Rennen: Jean Lambert aus Großbritannien. "Das ist Absicht", erklärt Ulrike Lunacek die Entscheidung, nach der Brexit-Abstimmung eine Britin zu nominieren. Lambert wird aber wohl chancenlos bleiben. Deshalb schwanke man bei den Grünen noch zwischen dem Sozialdemokraten Gianni Pittella und Guy Verhofstadt von der liberalen ALDE-Fraktion.
Verhofstadt dürfte es sich aber nun mit einigen Liberalen und Linken verscherzt haben, nachdem er kurzzeitig mit einer Aufnahme Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung in die ALDE-Fraktion geliebäugelt hatte, was schließlich am Widerstand des ALDE-Fraktionsvorstands scheiterte. Guy Verhofstadt machte schließlich einen Rückzieher. Es gebe "zu wenig Gemeinsamkeiten" mit Grillos Bewegung, twitterte er am Montag.
Grillos Partei wollte sich von der EFDD-Fraktion, der auch die UKIP von EU-Kritiker Nigel Farage angehört, loslösen. Als wäre das nicht genug, wechselten diese Woche kurzerhand zwei Abgeordnete Grillos zu anderen Fraktionen, einer zu den Europäischen Grünen, ein anderer zur Fraktion ENF, der auch die FPÖ-Abgeordneten angehören.
Maximal vier Wahlgänge
Die Wahl für den neuen EU-Parlamentspräsidenten soll am Dienstag, 17. Jänner 2017, stattfinden, für den Wahlsieg braucht es eine absolute Mehrheit. Vier Wahlgänge wird es maximal geben. Zwischen den Wahlgängen können die Fraktionen unter sich beraten, welcher Kandidat für sie geeignet erscheint. Es herrscht aber generell kein Klubzwang und die Wahl ist geheim.
Wenn in den ersten drei Wahlgängen keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht, treten schließlich im vierten Wahlgang die zwei stärksten Kandidaten gegeneinander an. Bei Stimmengleichheit gewinnt übrigens der ältere Kandidat.