Erstellt am: 12. 1. 2017 - 15:38 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 12-01-17.
#demokratiepolitik #securitization
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Die nach der gestrigen Pressekonferenz von US-President-Elect Donald Trump weiterhin am Köcheln gehaltene Diskussion um die russischen Hacker-Angriffe während des US-Wahlkampfs haben letztes Wochenende erstmals ein Gesicht bekommen. Es ist das von Alisa Shevchenko, einer jungen Hackerin (sie selbst bezeichnet sich als mishacker) mit dezenter Website aber szenebekannter kleiner Company (Neuron Hackspace, mittlerweile defunct), hoher Reputation und großen Fähigkeiten.
Es war in einem (aufs Cover gehobenen) Mail-Interview mit dem samstägigen Guardian, das selbstverständlich encrypted geführt wurde, und folgte einem Artikel in der russischen Ausgabe von Forbes - hier die Zusammenfassung der Aussagen in der NYT.
Shevchenko wehrt sich da wie dort gegen Schuldzuschreibungen der US-Geheimdienste, die sie als ausführendes Organ der von der Regierung Putin beauftragten Attacke auf die Server der demokratischen Wahlkampfzentrale ausweist. Ihre Firma Zor Security hätte den russischen Geheimdienst mit "technical research and development" unterstützt, ein Euphemismus für Hacking. Shevchenko entgegnet, dass Zor Security schon längst aufgelöst wäre.
alisa shevchenko
Shevchenko, die sich als klassisch-introvertierten Computer-Geek bezeichnet, achtet sorgsam auf ihr Image - die dem Guardian zur Verfügung gestellten Bilder zeigen sie als verfilmungsreife Figur von ikonischer Coolness, wie auch das nebenstehende Twitter-Profil-Foto belegt. Diese Achtsamkeit ist nicht neu: auf der endlosen Speaker-Liste dieser Zero Nights-Konferenz (Moskau, 2012) ist Shevchenko nicht nur die einzige Frau, sondern auch der einzige Nicht-Geek.
Interessanter als diese kluge Informations-Politik ist aber Shevchenkos Ausbildung: die erfolgte bei Kaspersky, einem in Moskau gegründeten, mittlerweile global agierenden, auf Sicherheitssoftware spezialisierten Software-Unternehmen mit der allerhöchsten Reputation.
Die Strukturen von Kaspersky wiederum veranschaulichen wie das postkommunistische, neoautoritäre Russland funktioniert. CEO Jewgeni Kasperski, der stolz darauf ist, dass seine Company neben dem FBI als global bester Code-Knacker gilt, bekennt sich zu Kooperationen mit dem russischen Geheimdienst, zur Weitergabe von Informationen, auch etwa im Fall des oppositionellen Bloggers Alexei Nawalny. Co-Gründerin Natalja Kasperskaja ist Mitglied einer Arbeitsgruppe in Putins Präsidialamt. Die Sichtweise des Westens, die eine solche Koop für demokratiepolitisch höchst bedenklich hält, kann und wird eine Organisation wie Kaspersky auch deshalb nicht nachvollziehen, weil der kulturelle Umgang zwischen Staat und Unternehmen in Russland ein gänzlich anderer ist.
Firmen wie Kaspersky, die großteils mit staatlicher Förderung aufgebaut wurden, sehen sich als selbstverständlicher Teil einer nationalen Interessensgemeinschaft, die durch die Regierung repräsentiert und geschützt wird. Es geht dabei gar nicht so sehr um Nationalismus oder Patriotismus, sondern einen kulturellen Zusammenhalt, ein quid pro quo, das Erfolge beschleunigt und einen starken Rückhalt, den Russland vorschnell als ehemalige und mittlerweile strategisch wie politisch wieder in die Rolle der Weltmacht gerückte Nation, garantieren kann.
Innerhalb dieses Selbstverständnisses bewegt sich auch die Kaspersky-Schülerin Shevchenko, die die Hacker-Vorwürfe mit dem Argument einer "technically incompetent misinterpretation of the facts" abtun kann, ohne sich verleugnen zu müssen. Der Guardian interpretiert diese Denklogik als "carrot and stick" (Zuckerbot und Peitsche), die Wurzeln einer quasi institutionalisierten Dankbarkeit, die Russinnen und Russen ihren repräsentierenden Autoritäten entgegenbringen, sind aber komplexer als eine simple Geschäftsübereinkunft gestrickt.