Erstellt am: 14. 1. 2017 - 07:00 Uhr
Junge Augen träumen gern
Die letzten Jahre, das waren spannende für die Flaming Lips. Nachdem 2013 mit "The Terror" das letzte Studioalbum erschienen war, begab man sich 2014 mit "With A Little Help from my Fwends" in Beatles-Cover-Territorium und lud ein paar Freunde zum lustigen Neuinterpretieren der Popklassiker ein. Darauf auch zu finden: Ein Cover von, natürlich, "Lucy in the Sky with Diamonds" mit Moby und Miley Cyrus. Und genau die sollte prägend für die nächsten Jahre der Flaming Lips sein.
"Miley Cyrus & Her Dead Petz", so nannte sich die Kollaboration zwischen den Lips und der ehemaligen Hannah Montana, die damit ihre eigene Rebellion so richtig entdeckte und nebenbei ein überraschend großes Album veröffentlichte. Für immer soll die Nummer "Karen Don’t Be Sad" darauf in der musikkulturellen Wahrnehmung existieren, eine neue Version eines alten Flaming Lips-Bootlegs. Cyrus und die Lips erreichten damit beide ein neues Publikum für sich, was die Frage nach der musikalischen Richtung des nächsten Releases umso interessanter machte.
Diese Woche erscheint nach vier Jahren endlich die neue Platte der Flaming Lips. "Oczy Mlody", was im Polnischen so viel bedeutet wie "junge Augen", aber laut Flaming Lips-Frontmann Wayne Coyne einfach sehr schön klingt. Und für ihn auch ein bisschen nach Oxy (also wie in Oxycodone) Melody klingt. Womit sie auch schon da ist, die erste Drogenreferenz.
Flaming Lips
Weiche Weiten
"Oczy Mlody" ist ein verspieltes Album der Softness geworden. Der Soundtrack für die Afterhour, wenn draußen die Sonne aufgeht. Für den jungen Morgen danach, wenn der Kopf immer noch halb in der weichen Traumwelt steckt. Das Licht ist weder Tag noch Nacht, das Draußen ist kalt und das weiß man auch alles. Deswegen bleibt man lieber noch ein bisschen länger drin. Die Flaming Lips bauen Räume auf "Oczy Mlody", temporäre autonome Zonen, sichere Rückzugsmöglichkeiten. Eskapismus ist das trotzdem nicht. Denn der Bullshit der Welt zieht sich trotz der verträumten Psychedelik quer durch das Album.
"How??", mit gleich zwei Fragezeichen. Das ist der Name der zweiten Nummer auf dem Album. Wie sollen wir denn bitte miteinander reden?, so lautet die Frage darin. Wie sollen wir es schaffen, in all unserer Inkompetenz unsere Emotionen in Worte zu verpacken? Das was wir fühlen auch ausdrücken und uns nicht nur die ganze Zeit missverstehen. Und wie geht man mit der Müdigkeit um, die durch diesen ständigen Kampf der Kommunikation, dem Versumpfen zwischen Monolog und Dialog, entsteht?
"The lyric 'I tried to tell you but I don’t know how!!' is really what the main power and dilemma of the song is. Which is often how we communicate with each other in real life situations all the time. And in real life we struggle to find the right words to say some 'all encompassing perfectly meaningful statement' and, on an emotional level, it does communicate and then we fuck it up with words." – Wayne Coyne über "How??"
Märchenwelten und Zaubertricks
Ein großes Talent der Flaming Lips, mit ihrer Musik schöne Bilder zu malen, setzt sich auf "Oczy Mlody" fort. Nächtliche Ausflüge in den Wald werden da herbeigezaubert, Spaziergänge durch Sumpflandschaften, Reisen durchs Weltall in ferne Galaxien. Und auch in den Songtiteln selbst verstecken sich wunderschön psychedelische Symbole: Einhörner gibt's da, Sonnenaufgänge, Feen und Hexen, Schlösser und Frösche mit Dämonenaugen.
Noch mehr lässt sich entdecken, wenn in die Textzeilen der Songs selbst abgetaucht wird. "Some edible butterflies we put ketchup on. Some motorcycle stunts that always crash," singt Coyne auf "There Should Be Unicorns" und "I saw the universe in your giant eye. I want to touch your mind hole and go inside" auf "Galaxy I Sink".
Es ist viel zu einfach, die Lyrics auf dem Album als Stream-of-Consciousness-Nonsens abzustempeln. Tatsächlich verbirgt sich, wie so oft bei den Flaming Lips, mehr hinter den Zeilen und Tönen als beim ersten Hinhören erkennbar ist. "Glowy Glowy Glowy", lautet die immer wiederholte Zeile auf der Nummer "Do Glowy". "Glowy", das bedeutet aber auch "Kopf" auf Polnisch. Und wenn der Songtitel sich damit auf "Do Head" umändert, bekommt so manche Textzeile gleich eine ganz andere Bedeutung:
"Doin’ it right, doin’ it like you care
Under the tree where the spider got in your hair
and I thought we should spend the night together
Dewy dewy dew"
Flaming Lips
"Oczy Mlody" von den Flaming Lips ist auf Warner Bros. und Bella Union erschienen.
Zum Abschluss des Albums darf dann auch noch einmal Busenfreundin Miley Cyrus ein Ständchen geben. "We A Family" heißt die Ballade, in der die beiden Parteien klarstellen, wie nah sie sich immer noch stehen. Besonders schön ist hier das unverkennbare Miley Cyrus-Lachen, das kurz vor ihrer Stelle im Song ungefiltert ausgespielt wird.
Sonst noch schön auf der Platte: "The Castle", ein Song für die Ewigkeit, das langsam vor sich hin säuselnde Instrumental-Titellied "Oczy Mlody", die Songzeile "Yeah there should be unicorns. Ones with the purple eyes. It should be loud as fuck. Hope the swans don't die" und das in bittersüße Farben getauchte Cover des Albums.