Erstellt am: 11. 1. 2017 - 16:22 Uhr
Kreuzfischen
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov und sein satirischer Blick auf das Zeitgeschehen - jeden Mittwoch in FM4 Connected und als Podcast.
"Die Leiden des jungen Todor" - Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es im FM4 Shop.
Der 6. Jänner. Es hat -20 Grad. Der Schnee steht den Menschen bis zum Gürtel. An diesem Tag feiert man in Bulgarien den Jordantag – an diesem Tag wurde Jesus im Jordanfluss getauft. In jeder Ortschaft, in der es ein Gewässer gibt, liest ein Pope ein Gebet und wirft danach ein Holzkreuz ins Wasser. Gruppen von jungen und nicht so jungen Männern springen ins Wasser, um das Kreuz hinauszufischen. Man glaubt, dass derjenige, der das Kreuz als Erster fängt, im nächsten Jahr gesund bleiben wird. Der Sinn von diesem Aberglauben ist, den Glauben mit Schmerz und Leiden zu beweisen.
Auf der Facebookseite der ZEIT IM BILD wurde ein kurzes Video aus Bulgarien veröffentlicht, das Männer zeigt, die ins eisklate Gewässer des Schwarzen Meeres springen. Die meisten, die das Video kommentieren, machen sich über den Brauch lustig und veräppeln es als Barbarei. Als Antwort darauf protestieren empörte Bulgaren, die ihre Tradition verteidigen.
Man braucht nicht nur einen tiefen Glauben um in eiskaltes Wasser zu springen, man braucht auch Mut. Böse Zungen meinen, dieser Mut wird mit großen Mengen von hochprozentigem Alkohol verstärkt.
Die Tradition des Kreuzfischens entwickelt sich weiter. Seit ungefähr 20 Jahren steigen im Balkanstädtchen Kalofer Männer in den eiskalten Fluss und tanzen und singen. Sie haben Trachten an und schwenken bulgarische Flaggen. Im Fluss sind sowohl die Tanzenden, als auch die Musiker. Heuer sind Touristen aus ganz Europa nach Kalofer gekommen. Alle Hotels im Städtchen waren ausgebucht. Die Touristen wollten die tanzenden Männer nicht nur filmen, sie wollten auch mitmachen. Der Andrang der Touristen hat den Bürgermeister von Kalofer dazu bewogen, den „Eismännertanz“ von Kalofer als UNESCO Weltkulturerbe zu bewerben.
Ich wünsche allen FM4 Hörerinnen und Hörern Gesundheit für das gesamte Jahr 2017, egal ob sie im eiskalten Wasser getanzt haben oder nicht.