Erstellt am: 11. 1. 2017 - 13:20 Uhr
Kritik an neuen Überwachungsplänen
Eigentlich war schon 2016 ein schlechtes Jahr für die Privatsphäre in Österreich. Unter anderem wurde im Vorjahr das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) von der Polizeibehörde zu einem neuen Inlands-Geheimdienst umgebaut - mit zahlreichen Überwachungsmöglichkeiten ohne richterliche Kontrolle. Vorige Woche aber hat Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) bekanntgegeben, dass es 2017 in der selben Tonart weitergehen soll – er will noch mehr Überwachung. Aber auch die Kritik daran reißt nicht ab.
Wolfgang Sobotka spricht von "vorbeugenden Maßnahmen gegen Terrorismus und Kriminalität". Einer seiner Vorschläge: Die Registrierung von Handy-Wertkarten. Laut Rundfunk- und Telekom-Regulierungsbehörde RTR gibt es viereinhalb Millionen solcher Handy-Wertkarten gibt in Österreich. Sie würden „insbesondere von Kriminellen verwendet“, so der Minister.
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Der Datenschützer Alexander Czadilek vom Verein epicenter.works (vormals AK Vorrat), der die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erfolgreich beim Verfassungsgerichtshof bekämpft hat, kritisiert den Vorschlag: „Der Minister unterstellt quasi viereinhalb Millionen Kunden, dass sie Kriminelle sind. Das ist natürlich total überschießend und übertrieben.“ Aufgrund dieser Unverhältnismäßigkeit bewertet der Jurist Czadilek eine Wertkarten-Handy-Registrierung auch als rechtlich problematisch: „Das Recht auf Privatsphäre schützt auch die unbeobachtete, freie elektronische Kommunikation.“
Wolfgang Sobotka wünschte sich im Pressegespräch vorige Woche auch die Vernetzung privater Video-Kameras in Österreich. Schätzungen zufolge exisitieren rund eine Million Überwachungskameras in Österreich. Geht es nach dem Minister, soll die Polizei am besten zentral Zugriff darauf haben. „Es ist wichtig, die bestehenden Kameras in ein Netzwerk einzubinden“, sagte Sobotka, „um so quasi auch die Fluchtwege der Kriminellen nachzeichnen und sie hinter Schloss und Riegel bringen zu können.“
Beginnen will der Minister mit den Kameras der privaten Autobahngesellschaft Asfinag. Datenschützer Alexander Czadilek hält auch von diesem Vorschlag nichts: „Es ist ein sehr schönes Beispiel dafür, dass sich der Minister überhaupt nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hat – weder auf technischer, noch auf juristischer Ebene. Denn auf technischer Ebene hat die Asfinag bereits gesagt, dass ihr Kameras gar nicht dafür ausgestattet sind, Kennzeichenerfassung durchzuführen. Auf juristischer Ebene haben wir das Problem, dass eine solche Vernetzung wieder die flächendeckende, verdachtsunabhängige Überwachung aller Bürger bedeutet würde.“ Eine solche habe der EuGH gerade erst letzten Dezember wieder zu einem unverhältnismäßigem Eingriff in die Grundrechte erklärt. Auch in Österreich hat der Verfassungsgerichtshof aus diesem Grund die Vorratsdatenspeicherung gekippt.
Zu den weiteren Vorschlägen des Innenministers gehören eine präventive Fußfessel für sogenannte „Gefährder“, sowie die „digitale Identität“ für Bürger mittels QR-Code – dies würde "den Zugang zu Melde- und Strafregister erleichtern". Derzeit sind die Ideen des Innenministers noch Fantasien von einem lückenlosen Überwachungsstaat. Abzuwarten bleibt, wie die konkreten Gesetzesvorschläge aussehen werden.