Erstellt am: 8. 1. 2017 - 16:06 Uhr
Manchmal redest du im Schlaf
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Hie und da rührt es sich, es kommt eine neue Einfachheit. Gerne wird dem vornehmlich in New York ansässigen Musiker David Longstreth und seinem Projekt Dirty Projectors ein ein bisschen eitler Hang zur Verkomplizierung nachgesagt, zur ausgestellten Eifrig- und Kunstfertigkeit, zur selbstherrlichen Vertracktheit. Stimmt sicherlich und ist auch gut so.
Dass Longstreth seit jeher Kopf, Mastermind und ideologischer Alleinherrscher der Dirty Projectors ist, der hinsichtlich Fluktuation im Gefüge durchaus großzügig mit dem ihm zuarbeitenden Bandpersonal hantiert, tut da sein Übriges.
In musikalischer Hinsicht ist bei den Dirty Projectors so bislang auch so dieses und jenes möglich gewesen, zwar die silbrige Melodie immer im Hinterkopf, Hauptsache aber um die Ecke gedacht: von hibbeligem Artschool-Wave über Talking-Heads-Gedächtnis-Arbeit und der Übersetzung von Afrobeat in Gitarren-Indie hin zu Denker-R'n'B.
Dirty Projectors
Mittlerweile ist alles ein bisschen anders und weicher geworden: David Longstreth hat ausgiebig an Solange Knowles' Mega-Album "A Seat at the Table" mitgewirkt, sein erst kürzlich erschienener Song "Keep Your Name" war schlicht schön schmelzender Break-Up-Pop. Die neue Single "Little Bubble" geht eine Umdrehung weiter bzw. zwei zurück.
Ein zerbrechlich-elegantes, winziges Lied über die Liebe. Wie sie einmal gewesen ist, wie sie vielleicht verblasst ist. Im ersten Licht erwachen wir gemeinsam, in Umarmung und spüren die Wärme und den wortlosen Zusammenhalt.
"Can you still remember our world in the key of love?", singt David Longstreth und will sich damit zweifellos auf Stevie Wonder beziehen - auch wenn dessen Klassiker-Album aus dem Jahr 1976 den Titel "Songs in the Key of Life" trägt.
David Longstreth hat, die Dirty Projectors haben den Soul, so sollen wir hören, die mächtige Referenz, die Verbeugung wird überdeutlich, dabei doch beiläufig und verfremdet in den Song gewoben. Und so hören wir.
Von der Idee, was denn diese schemenhafte Formel "Indierock" so sein könnte, ist das Konzept Dirty Projectors ohnehin schon auf Ewigkeiten entkoppelt, mittlerweile aber schon gänzlich frei, fließend und offen.
Dabei aber eben doch genau daran interessiert, wie er denn wohl funktionieren könnte, gebaut sein könnte und erzählen kann, der kleine, eng gestrickte, große Pop-Song, der dabei so daherkommt, als wäre er einem in einer unachtsamen, flauschigen Sekunde gerade so aus dem Westenärmel gepurzelt.
Die Träume, die wir gehabt haben, werden wohl dumm und bedeutungslos gewesen sein, so singt David Longstreth. "We had our own little bubble, for a while", so geht der Refrain, und einmal noch: "We had our own little bubble, for a while". Mehr müssen wir nicht gewusst haben im Leben.