Erstellt am: 7. 1. 2017 - 14:25 Uhr
Legende wird gemacht
Es blubbert, quietscht und brummt. Es scheppert und die Sirenen jaulen auf. "A Christmas Fucking Miracle" hat die Abschlussnummer auf dem 2013 erschienenen Debütalbum von Run the Jewels geheißen, und so ist es jetzt nur logisch – und war sicherlich auch verschmitzt beabsichtigt - dass dieser Songtitel als Slogan wirkungsmächtig durch die Welt gegeistert ist, als das Rap-Duo vor rund zwei Wochen seinen dritten Longplayer als Überraschung in die Welt, ja, gedroppt hat.
Der aus Atlanta stammende MC Killer Mike - vor Run the Jewels hauptsächlich im Dunstkreis der Crew von Outkast unterwegs gewesen - und der langgediente New Yorker MC und Produzent El-P haben mit ihrem gemeinsamen Projekt den angefaulten, nach Rost schmeckenden, industrialhaften HipHop aus der Fabrikshalle, aus dem Undergound in den letzten Jahren nahe an den Mainstream geführt.
Run the Jewels
Ein Sound, der klingt und verbeult groovet wie nichts sonst, voller Noise und Punch und Maschinenlärm. Das ist nun auf dem schlicht und pragmatisch und nur richtig "RTJ3" betitelten Album nicht anders. Es ist das Manifest von Run the Jewels. Abwechslungsreich und schlank, übersprudelnd und minimalistisch, spröde und voller kaputtem Funk.
El-P und Killer Mike umkreisen einander in ihren Texten, ergänzen sich, teasen einander katzenhaft und feiern den gemeinsamen Triumph. Es geht wieder um Rassismus, Politik, Polizeigewalt, Straßenkampf. Aber auch um Fun, Sex, Party und den wasserdicht verbrieften Umstand, dass Run the Jewels ganz klar die Freshesten sind. Niemand kann sie untenhalten.“We talk too loud, won’t remain in our places”, meint El-P im Stück “Everybody Stay Calm.”
Mit seinen Co-Producern Little Shalimar und Wilder Zoby hat El-P auf dieser Platte wieder ein ätzend und giftig duftendes Bett bereitet: Die Synthesizer gurgeln, ächzen und rülpsen, trocken und voller Durchschlagskraft klappert und zischelt es, die Beats stolpern voller Elan aus der sicherlich sehr alten Drum-Machine.
Es gibt kurze Bläser-Salven, schiefe Gitarrenlicks, Hup-Geräusche, Explosionen in der Flipperhalle. So on Point sind Run the Jewels noch nie gewesen.
Ein Highlight ist das Stück "2100", aufgenommen gemeinsam mit dem Producer, Sänger, Rapper, Musiker BOOTS, den man vor allem für seine Zusammenarbeiten mit Beyoncé kennt und der auch schon auf dem zweiten Album von Run the Jewels mitgearbeitet hat.
Der Track entwickelt sich von anfänglichen siruphaften Orgel-Drones über aufgekratzten, nervös zuckenden Schnellfeuer-Rap hin zu smoothem elektronischen Soul, gar sehnsuchts- und weihevoll seufzt BOOTS.
Ein symptomatisches Stück für die Album: Vieles geschieht, Wendungen und Knalleffekte, Falltüren gehen auf und Signalfeuer hoch, dabei ist die ganze Angelegenheit immer konzentriert und genau gestrickt und so, wie sie sein muss.
Run the Jewels
Man höre: die Jazz-Annäherung mit dem Saxophonisten Kamasi Washington im Stück "Thursday in the Danger Room". Den gespenstisch-wehmütigen Witch-Hop mit Tunde Adbimpe von TV on the Radio in "Thieves! (Screamed the Ghost)". Die unumschmeißbaren Party-Granaten "Legend has it" und "Panther like a Panther" mit der Rapperin Trina aus Miami.
Ein klares Mission-Statement wird noch einmal in der letzten Nummer "A Message to the Share Holders" formuliert: “Maybe that’s why me and Mike get along / Not from the same part of town" heißt es da, und – "but we both hear the same sound coming / And it sounds like war” .
Die Veränderungen von einem zum nächsten Album von Run the Jewels sind bislang nie erdrutschhafte Verschiebungen gewesen. Sie manifestieren sich vielmehr in punktuellen Blitzlichtern, kleinen neuen Soundideen da und dort, frischen Höhepunkten, deftigen Pointen, Breaks, Zeilen.
Wo El-P und Killer Mike auf ihrem ersten Album ihren rohen und brutalen, aber doch eng konstruierten und gewitzten Entwurf übermütig und unbekümmert etabliert haben, mit ihrem zweiten Album auf der Höhe ihrer Kunst voller Saft mit einem Bulldozer in einen Skyscraper gebrettert sind, da ist "RTJ 3" eher ein schleichendes Gift. Durchaus ein heftiges.
Aber bei allem Krawall, sexy Lärm und heißen Metall-Sounds, bei aller gereckter Faust und notwendigem Kampfgeist doch beruhigter, ausgeglichener. Hier ist ein Klangdesign ausformuliert – jetzt muss dann wohl etwas anderes kommen. Die Vertonung des Gefühls, dass man es keinem und niemandem mehr beweisen muss. Es aber halt dennoch tut, die Revolution geht weiter, mit einer Bewegung des kleinen Fingers.