Erstellt am: 7. 1. 2017 - 10:38 Uhr
Kein Voluntourismus
„Voluntourism“ – so nennen Ehrenamtliche, die sich kontinuierlich und langfristig um geflüchtete Menschen kümmern es, wenn jemand einen Rucksack packt und unvorbereitet nach Griechenland reist, um mitzuhelfen.
Wohlbemerkt vorbereitet, ist eine Gruppe aus Graz mit einem Hilfskonvoi über die Weihnachtsferien zu den Flüchtlingslagern bei Thessaloniki gefahren.
Wie ist das: Kann man sich als ÖsterreicherIn in anderen Ländern nützlich machen und den geflüchteten Menschen tatsächlich helfen?
Ja, sagt Nicola Baloch vom Verein Spendenkonvoi Graz. Es sei ja nicht so, dass sie zum ersten Mal in Griechenland gewesen wäre. Die Aktion über Weihnachten und Neujahr war der fünfzigste, private Hilfseinsatz. "In Griechenland sind wir schon mehrere Male gewesen und wir haben dort sehr gute Kontakte zu den Voluntärgruppen, die langfristig dort sind. Es hat sich ein internationales Hilfsnetzwerk gebildet, in das man sich sofort einklinken und mitarbeiten kann", sagt Nicola Baloch, die am Afro-Asiatischen Institut in Graz arbeitet.
Verein Spendenkonvoi Graz
Beim Spendenkonvoi kann mitkommen, wer will. Bei jedem Einsatz ist eine erfahrene Person dabei, damit es zu keiner Überforderung kommt und sinnvolle Dinge gemacht werden. "Wir bemühen uns, uns so viele Menschen wie möglich zu erreichen und konzentrieren uns nicht auf die Hilfe für einzelne Geflüchtete, sondern es geht darum, zum Beispiel ein ganzes Lager mit Hygieneartikeln zu versorgen, wie wir es jetzt gemacht haben", sagt Baloch. In der vergangenen Woche hat das Team an mehreren Stellen mitgearbeitet. Angereist sind sie mit Spendengeldern in der Höhe von 10000 Euro. Das Appartment und die Reise bezahlen sich die Ehrenamtlichen selbst, damit die Spenden zur Gänze den Geflüchteten zukommen. "Für die Community der Jesiden haben wir für einen Monat die Grundnahrungsmittel gesponsert und die Schwangeren und die Neugeborenen in einem leerstehenden Hotel mit dem Wichtigsten versorgt".
Verein Spendenkonvoi Graz
Die Geflüchteten würden in Griechenland so gut wie gar nicht versorgt, hat Nicola Baloch festgestellt. Besonders Schutzbedürftige wie zB Schwangere sind in leerstehenden Hotels untergebracht, von der Regierung bekommen sie einmal am Tag ein Essen. Das ist dann zum Beispiel eine Tasse Reis, ein Stück Brot und eine Flasche Wasser. Davon könnten die Menschen nicht leben, so Baloch, und das Geld wäre ihnen inzwischen ausgegangen. Die Freiwilligen kaufen Reis, Öl, Zucker und Tee in Märkten und Obst und Gemüse bei Bauern, um die Menschen zusätzlich zu versorgen.
Die Lager sind von Militär und Polizei gesichert. Die Geflüchteten können sich frei bewegen. Einlass bekommen Akkreditierte. Für das diesmal achtköpfige Team aus Graz war es kein Problem, in die Flüchtlingslager zu kommen, sie kennen Ehrenamtliche vor Ort. Die Ausgabe von Essen und Sachspenden hat das Team mit vorbereitet. Das müsse man gut strukturieren, weil die geflüchteten Menschen oft Angst hätten, zu wenig zu bekommen.
Verein Spendenkonvoi Graz
"Wir haben auch mit dem DocMobile kooperiert. Das ist eine Organisation, die einen Rettungswagen ausgestattet hat und zu den Lagern fährt und dort Flüchtlinge medizinisch versorgt, denn es gibt auch keine medizinische Betreuung", erzählt Nicola Baloch. In einer Freiwilligenküche haben sie für jene Flüchtlinge gekocht, die obdachlos in den Parks von Thessaloniki leben.
"Die griechische Regierung sagt, es sind alle Leute bereits in winterfesten Quartieren untergebracht. Aber wir haben sehr viele Zeltlager gesehen, in denen die Leute noch immer im Freien in ganz dünnen Armeezelten schlafen, und dass eigentlich alle Menschen dort krank sind. Auch wir sind dort großteils krank geworden."
Verein Spendenkonvoi Graz
Angelaufen wären die Resettlement-Programme, sagt Nicola Baloch. Die Geflüchteten werden nach Quoten auf Länder in der Europäischen Union aufgeteilt. Im Sommer wären über 20000 Geflüchtete in Thessaloniki gewesen, jetzt sind es weniger als zehntausend. Auch die Asylverfahren laufen.
Ute Bock hat einmal in einem FM4 Doppelzimmer gesagt, dass sie eigentlich dagegen arbeite, dass der Staat seine Aufgabe macht, indem sie Menschen hilft und damit dem Staat Aufgaben abnimmt. Wie sieht Nicola Baloch ihren Aktivismus? "Es ist immer das Dilemma, dass man Dinge übernimmt, die der Staat übernehmen sollte. Aber das Problem ist, dass der Staat das nicht tut und wenn er es nicht tut, dann macht es einfach niemand. Für mich ist es auch eine politische Arbeit: Wir möchten dem Aufnahmesystem in Europa ein anderes Gesicht geben und den Flüchtlingen auch zeigen, dass sie hier nicht nur nicht willkommen sind, sondern dass es auch Leute gibt, denen der humanitäre Aspekt und eine würdevolle Aufnahme von Menschen auf der Flucht ein Anliegen ist. Sie sind nicht bessere oder schlechtere Menschen als wir. Sie sind in einer extremen Notsituation. Und wir als eigentlich sehr satte Gesellschaften könnten anders reagieren."
Verein Spendenkonvoi Graz
Für Ostern ist ein Auslandseinsatz des Spendenkonvoi Graz geplant. Wohin die Reise geht, hängt von den Entwicklungen ab. In Serbien verschärfe sich die Situation. Die AktivistInnen des Spendenkonvois widmen sich in der Zwischenzeit der Integrationshilfe und der Begleitung von geflüchteten Familien in der Steiermark.