Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Rewind 2016: Elisabeth Wehling im Interview"

Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

3. 1. 2017 - 16:34

Rewind 2016: Elisabeth Wehling im Interview

Das Jahr 2016 hatte vor allem eines: Eine Wahl nach der anderen. Die US-Wahlen, die Brexit-Abstimmung und die österreicheichische Bundespräsidentenwahl. Linguistin Elisabeth Wehling zieht Bilanz.

Die deutsche Linguistin Elisabeth Wehling berät Parteien und Organisationen in politischer Kommunikation. Wir haben uns mit ihr getroffen und die Wahlen und Abstimmungen des vergangenen Jahres Revue passieren lassen. Sie spricht über Gewinner, Verlierer und gemachte Fehler.

Was ist Ihre Bilanz für das Wahljahr 2016?

Rewind 2016

Der FM4 Jahresrückblick

In Amerika ist man zur Erkenntnis gekommen, dass die Demokraten, wenn sie sich selbst manipulieren, sich selbst Steine in den Weg legen und eine Kampagne fahren, die auf mittlerweile völlig veralteten Weisheiten basiert, wie zum Beispiel der Idee, dass man in einem Wahlkampf interessengruppenorientiert argumentiert und besonders viele Fakten, Statistiken und Programme vorstellt. Dass das so nicht geht, das hat man jetzt hoffentlich gelernt.

Ein Beispiel dafür ist der Fall Bernie Sanders. Er war ein Kandidat, der ganz klare Werte betont hat, der richtig gute Sprache eingesetzt hat. Aber man hat ihn nie richtig durchgelassen. Er kam einem irgendwie ein bisschen als Fremdling vor. Man dachte, das wird nichts. Es war nicht der Stallgeruch der Demokraten und das Problem kennen wir.

Elisabeth Wehling

Privat

Die Linguistin Elisabeth Wehling

Somit hat es Trump ins Amt geschafft. Trump als jemand, der den ganzen Wahlkampf hindurch eine absolut klare ideologische Schiene gefahren ist. Er hat das raffiniert gemacht. Zudem hat er die Menschen glauben lassen, dass er das alles aus Versehen aus dem Handärmel schüttelt. Man hat geglaubt, er stellt sich hin und fängt einfach an zu reden.

Was haben wir noch gesehen? Wir haben gesehen, dass mit dem Brexit-Votum in Großbritannien letztlich ein völliges Fiasko passiert ist, was das Kommunizieren von progressiven, proeuropäischen, demokratischen Werten angeht.

Was hätten die proeuropäischen Briten und was hätte Europa anders machen können?

Anders sprechen. Wir haben ja vielerorts proeuropäische Programmatik. Aber es fehlt oftmals die Kommunikation dieser proeuropäischen Programmatik. Die Menschen haben keine wirkliche Vorstellung davon, was Europa eigentlich ist und wieso es wichtig ist und wieso Zusammenhalt wichtig ist.

Menschen denken in Geschichten über ihren Alltag, über ihren Beruf, über die Politik, über die Welt. Und wenn es für Europa keine wirkliche Geschichte gibt, dann ist es ein Stück weit naiv sich darauf zu verlassen, dass dennoch jeder europäische Mitbürger für sich selbst erkennt, wieso Europa wichtig ist und die unterschiedlichen Fakten, Statistiken usw. durchschaut.

Ich gebe Ihnen ein Beispiel dafür, wie schlecht in Europa kommuniziert wird: Europa wird konsequent über das ganze politische Spektrum hinweg als Friedensprojekt benannt. Was ist denn ein Projekt im Alltag? Wenn ich ein Projekt habe, dann ist es zeitlich begrenzt. Ein Projekt ist ein kurzes Bemühen um etwas. Man weiß nicht genau, wie es laufen wird. Wenn es nicht so läuft wie vorgestellt, machen wir einfach das nächste Mal etwas anderes. Sie haben eine ganze Reihe von Assoziationen, die natürlich völlig der Idee entgegenstehen, dass Europa ein langfristiges Miteinander sein soll.

Was hat das Wahljahr 2016 in Österreich für Erkenntnisse gebracht?

In Österreich haben wir gesehen, dass es bei den Wahlen tatsächlich noch einmal so gekommen ist, dass die FPÖ bzw. der Kandidat Hofer nicht gewonnen haben. Van der Bellen hat es geschafft, allerdings auch nur mit der Unterstützung fast aller Nicht-FPÖler in Österreich. Bei einer Nationalratswahl ist das natürlich so nicht zu erwarten. Ich glaube, in dieser Wahl hat man sich über den politischen Moment hinweggerettet.

Ich glaube, auch bei Parteien wie bei den Grünen, SPÖ, ÖVP, NEOS und so weiter muss noch viel solider kommuniziert werden. Da lässt die FPÖ und Hofer die anderen Parteien wirklich weit zurück, weil man dort auch wirklich gut kommuniziert. Vielleicht nicht immer besonders diplomatisch und das ist sicher ein Problem, aber man lässt keine Zweifel daran, um welche Ideologie es bei der Gestaltung des Landes geht.

Alexander Van der Bellen jubelnd im Kreis der Wahlkämpfer

APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK

Hat denn Van der Bellen besser kommuniziert als Clinton?

Nein, würde ich nicht sagen. Die beiden Kandidaten kann man natürlich nicht miteinander vergleichen. Der amerikanische Wahlkampf hat eine ganz andere Tonart als der österreichische. Und meines Erachtens hat keiner von beiden einen besonders herausragenden Wahlkampf geführt. Bei Clinton hat es nicht gereicht, bei Van der Bellen hat es knapp gereicht. Nicht unbedingt weil er mit einer tiefgreifenden überzeugenden Vision auftrat, sondern sicherlich ein Stück weit, weil er politische Unterstützung aller demokratischen Gruppen bekommen hat.

Und hie und da hat Van der Bellen natürlich in seiner Kampagne wichtige Dinge aufgegriffen, wie zum Beispiel den Heimat-Begriff oder die Patriotismus-Idee. Das ist eine super Idee, das zu machen. Man hat ja viel zu lange den Heimat-Begriff den populistischen Gruppen überlassen. Und ich predige seit Jahren: Jeder, der sich um die politische Führung einer Gruppe bewirbt, muss diese Gruppe auch benennen können und wollen. Wenn ich mich für ein Amt bewerbe, bei dem es darum geht, Österreich zu regieren, dann muss ich auch ganz klar sagen können, es geht mir um Österreich, ich bin Österreicher, das Land liegt mir am Herzen, ich mag unsere Kultur und ich mag die Österreicher.

Insofern fand ich das immer eher ein bisschen merkwürdig, dass viele Gruppen gesagt haben, Heimat ist pfui, oder das Wort Patriotismus nicht mal in den Mund nehmen. Es ist ein bisschen diese Sorge, dass man in nationalistische Diskurse hineinfährt. Aber das ist ja gerade das Wichtige an der Demokratie in Österreich. Es gibt ein strenges, konservatives Österreich und es gibt ein fürsorgliches, progressives Österreich. Beides ist aber Österreich. Das heißt, sie können ihre Geschichte von Heimat auf beiden Seiten erzählen, aber es ist natürlich jeweils eine völlig unterschiedliche Geschichte.