Erstellt am: 1. 1. 2017 - 14:54 Uhr
Schatten und Nebel, lieblich
Die Welt ist voller Zeichen, doch für manche sind wir blind. Es muss nicht immer alles etwas bedeuten, gerne wollen wir uns vom Nebulösen, vom Schemenhaften einlullen lassen. Suchend durchs Leben tapsen, die violetten Blumen sehen, uns irgendwo hinbewegen, zu irgendetwas werden, von dem wir noch nicht wissen, was es sein könnte.
Die aus San Francisco stammende Musikerin Melina Duterte macht unter dem Namen Jay Som gut zugehallten, vom Wind verblasenen Gitarrenpop, feinstofflich, kleinteilig, wie flüchtiges Parfüm, wie süßer Rauch.
Kann man oft gerne Dreampop nennen, hinter Effekten und Rauschen tun sich da kleine poppige Liedchen auf, angelehnt an die Shoegaze-Heiligen My Bloody Valentine und Slowdive, in der Nachbarschaft von deren Nachfolgern wie Deerhunter zuhause, bisweilen auch dem Krachpop von Sonic Youth in freundlicheren Momenten zugetan.
Jay Som
Jay Soms Debütalbum "Turn Into" ist schon Mitte dieses Jahr als Tape quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit erschienen, kürzlich ist es noch einmal mit breiterem Vertrieb und höherer Aufmerksamkeit wiederveröffentlicht worden.
Die Musikerin singt da von Geistern und geheimen Schlafliedern – bei aller Verhuschtheit und Weichheit klingt das alles aber auch immer aufgekratzt und rätselhaft gut gelaunt.
Das Highlight ist das Titelstück: Es eiert und groovt schön verbogen, Jay Som erzählt uns davon, dass wohl ihr Schatten verschwunden sei. Sie singt von kryptischen Spiegelbildern, von Signalen, die von glücklicher Orientierungslosigkeit und vage vom Abschiednehmen künden.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Der Song bleibt bewusst unscharf, erweckt aber doch mit skizzenhaften Bildern ein nachfühlbares Szenario zum Leben: "You've turned into the sign I've wished for".
Am Ende des Songs kitzelt die freundliche Sonne die Erzählerin wach, ganz sanft, ohne große Absichten: "The light kisses my eyelids, as I take a short breath", singt Jay Som, ganz zum Schluss wiederholt sie wieder und wieder, federleicht, zukunftsfroh, mit unbekümmerten Blick Richtung Morgen, dabei ohne große Hast und ohne Zwänge: "I'm coming home".
Zuhause - wo ist das? Bei der geliebten Person? Ein seliges Driften durch pastellfarbene Tage, die nach Spätsommer duften, vielleicht wird sich irgendwann ein Ziel auftun, vielleicht bleiben wir einfach in Bewegung, schwerelos, mühelos.