Erstellt am: 28. 12. 2016 - 19:06 Uhr
Gewalt ist eine Lösung
Viele Menschen sind sich einig darüber, dass 2016 weitgehend zum Vergessen war: zu viele politische Konflikte, Krisenherde, Kriege, Putschversuche, aufstrebende Europaskepsis, Rechtsruck, durchwachsene Wahlen und zahlreiche tote Schauspieler/innen und Musiker/innen, die für viele von uns eine große Inspiration waren.
Was die weltpolitische Lage bzw. die laut Papst "müde und erschöpfte" Welt betrifft, könnte man dahingehend philosophisch argumentieren, dass die ambivalente Natur des Menschen an und für sich verantwortlich dafür ist, dass so viel schiefläuft. Wäre es demzufolge besser, wenn die Menschheit vom freien Willen befreit werden würde, so dass in der Folge Gewalt, Verbrechen und Ungerechtigkeit ausgelöscht wären? Das ist die Grundfrage von "Assassin's Creed", dem ersten Teil des Hollywood-Blockbusters, der von der gleichnamigen, hocherfolgreichen Games-Serie inspiriert worden ist.
20th Century Fox, Ubisoft
Kampf der Geheimbünde
"Asssassin's Creed" erzählt den Kampf zweier Geheimbünde, die seit Jahrhunderten im Konflikt miteinander stehen, weil sie grundlegend unterschiedliche Weltordnungen propagieren und versuchen, durchzusetzen: der Orden der Templer und die Bruderschaft der Assassinen. Im Film dreht sich alles um den Apfel von Eden, ein antikes Artefakt, das im 15. Jahrhundert versteckt und seither nicht wieder gefunden worden ist. Der Apfel soll imstande sein, den Menschen ihren freien Willen zu nehmen um sie damit, so die Meinung der Templer, vor sich selbst und ihrem Untergang zu schützen.
Die Assassinen wollen diese repressive Bevormundung um jeden Preis verhindern. Sie meucheln grausame und korrupte Herrscher, die die Menschen nur zu ihrem eigenen Vorteil und der Aufrechterhaltung ihrer Macht im Zaum halten wollen. Der Moralkodex der Assassinen ist jenes Credo, von dem sich der Name ableitet: Töte keine Unschuldigen, verstecke dich mitten in der Öffentlichkeit und verrate nie die Bruderschaft. "Wir arbeiten im Dunklen um dem Licht zu dienen" lautet das dazupassende Motto.
Die Games-Comedy-Truppe MEGA64 hat schon vor acht Jahren gezeigt, wie sich ein echter Assassine verhält.
Der Film erzählt die Geschichte des zum Tode verurteilen Mörders Callum Lynch, gespielt von Michael Fassbender. Irgendwann nach der Todesspritze erwacht er plötzlich wieder in einem Labor. Da er offiziell tot ist, wird er ab sofort zum Versuchskaninchen einer seltsamen Biotechfirma namens Abstergo Industries.
Das Hauptprodukt von Abstergo ist der sogenannte Animus, eine riesige Maschine, die es ermöglicht, dass der jeweilige User durch das Anregen bestimmter Gene vergangene Geschehnisse seiner oder ihrer Vorfahren geistig und physisch nacherlebt. Lynch ist nicht der einzige, der mehr oder weniger in den Animus gezwungen wird: In den unterirdischen Räumlichkeiten werden über ein Dutzend andere Probanden gefangen gehalten. Von allen erhofft man sich Informationen darüber, was mit dem Apfel von Eden geschehen und wo er versteckt ist, doch in Callum Lynch werden die größten Hoffnungen gesetzt. Er muss die Abenteuer einer seiner Vorfahren erleben, ein Assassine, der im 15. Jahrhundert zur Zeit der Spanischen Inquisition aktiv war.
Eigen- oder fremdgesteuert?
"Assassin's Creed" spielt größtenteils in einer fiktiven Gegenwart und zu circa einem Drittel in einer stilisierten Vergangenheit von vor 500 Jahren, wo Michael Fassbender und sein Sidekick Maria (gespielt von Ariane Labed) durch Straßen laufen, über Hausdächter hechten und fiese Schergen meucheln - eben so, wie man es in den Videospielen tut. Der Film hat die übliche, hochpolierte Hollywood-Oberfläche: aufwendige Inszenierung, ansprechende Special Effects, schneller Schnitt, pseudoseriöse Dialoge und natürlich viele Action-Szenen.
"Assassin's Creed" von 20th Century Fox und Ubisoft läuft seit dem 27. Dezember in den österreichischen Kinos.
Die mächtige philosophische Frage, ob die Menschheit so sehr unter der großen Verantwotung des freien Willens leidet, dass man sie ihr nehmen müsste, wird dabei nur gestreift. Das ist schade, denn die zwei, wenn man so möchte, gesellschaftlichspolitischen Glaubensrichtungen des Films sagen viel über unsere zeitgenössische digitalisierte Welt aus. Opfert man zugungsten der Bequemlichkeit die Privatsphäre? Ist man bereit, politische Überzeugungen für einen anhaltend hohen Lebensstandard aufzugeben? Die Templer sind aufgrund der dramaturgischen Überhöhung als Bösewichte schwer in unserer physischen Wirklichkeit festzumachen, die Assassinen jedoch könnte man etwa mit den Idealen und Vorgangsweisen von Anonymous vergleichen: Es wird für Freiheit, Demokratie und "das Gute" gekämpft, die Methoden und Kontrollmechanismen bleiben dabei aber immer höchst ambivalent.
Merkwürdiger Hybrid
"Assassin's Creed" ist eine inhaltlich unaufregende, krude Mischung aus Fantasy, Science Fiction und Drama, dabei aber immer noch auffallend besser als so manch andere Videospiel-Verfilmung. Zugegeben: Die Latte liegt hier nicht besonders hoch, doch der Film zur Games-Serie der Geheimnbünde ist nichts, um das man einen großen Bogen machen müsste. Mehr als durchschnittliche Popcorn-Unterhaltung ist die Jagd nach dem Apfel von Eden aber nicht geworden.