Erstellt am: 26. 12. 2016 - 17:05 Uhr
FM4 Schnitzelbeats #9: Weihnachten!
FM4 Schnitzelbeats
Sonntagnachts im FM4 Soundpark und anschließend für 7 Tage im FM4 Player
Das wohl bekannteste Weihnachtslied aller Zeiten stammt aus dem Jahr 1818 und heißt “Stille Nacht” (bzw. “Silent night”, “Douce nuit, sainte nuit”, “Noche de paz” und so weiter). Es wird von Menschen christlichen Glaubens rund um die Erdkugel in mehr als 300 Sprachen und Dialekten gesungen.
Der Komponist der Nummer, Franz Xaver Gruber, war ein Oberösterreicher; der Texter der ursprünglichen Fassung, der Priester Joseph Mohr wurde in Salzburg geboren. Die Wiener Sängerknaben haben das Stück inzwischen hunderte Male eingespielt und millionenfach verkauft. Darüber hinaus hat die UNESCO die Nummer zum “immateriellen Kulturerbe in Österreich” ernannt. Es könnte also durchaus der Eindruck entstehen, die Kulturnation Österreich hätte mit dem Weihnachtsfest eine ganz solide Allianz geschmiedet. Und warum auch nicht? Kirche, Brauchtumspflege, Einzelhandel und Tourismus haben alljährlich ihre helle Freude mit dem Spektaktel. Die Geburt Jesu Christi bedeutet Hochkonjunktur.
Weil eine aufgeschlossene und weltgewandte Gesellschaft jedoch Gegenpositionen verträgt – vielmehr: auch dringend nötig hat – haben die FM4 Schnitzelbeats die heimische Musik-Geschichte nach alternativen Entwürfen zum Feiertag durchforstet. Es folgt eine kleine Auswahl.
Trash Rock Archives
Dum Dum
Die einflussreiche New Wave-Formation Viele Bunte Autos existierte in den Jahren 1981 bis 1984 und nutzte die kleine Do-It-Yourself-Szene des Wiener Underground-Lokals Blue Box als ihre Homebase.
Die Mitglieder Fritz Ostermayer, heute FM4-Radiomacher und Leiter der Schule für Dichtung, sowie der spätere Rhiz-Betreiber Herbie Molin sind im heimischen Kulturbetrieb nach wie vor überaus aktiv. Leadsängerin Angie Mörth tauchte Mitte der 80er-Jahre auch bei dem Gruftie-Duo Astaron auf.
Doch zurück zum Stichwort: Anno 1982 hinterließen Viele Bunte Autos der Nachwelt ein charmantes Anti-Weihnachtslied mit dem schlichten Titel “Ich freu mich so auf Weihnachten”, das vom Wiener Plattenladen Dum Dum Records auf dem zweiten Teil ihrer Tape-Serie “May I have a christmas contract” kompiliert wurde. Eine empfehlenswerte CD-Anthologie mit weiteren seltenen Recordings der Band mit dem Namen “Jetzt komme ich” ist übrigens im Jahr 2008 beim Wiener Label Klanggalerie erschienen.
Ich wünsche mir zum Weihnachtsfest
Dass man mich in Ruhe lässt
(Auszug aus dem Songtext)
Trash Rock Archives
Höhnie Records
Schund, aktiv von 1981 bis 1982, war eine unkonventionelle Pogo-Punk-Band aus dem Umfeld des autonomen Kultur- und Kommunikationszentrums Gassergasse, vulgo: “Gaga”, einem besetzten Haus im 5. Wiener Gemeindebezirk. Im dort eingerichteten Proberaum kultivierte das Trio einen harten und kompakten Live-Sound: Das Material von Schund kam typischerweise mit wenigen Riffs und gänzlich ohne Refrain-Teil aus; nach zwei Minuten ungebremster Vollgasfahrt waren die Songs plötzlich wieder aus. Echte Punk-Profis sozusagen. Sängerin Doris Schund, die aus Deutschland nach Wien gezogen war, hatte obendrein ein sicheres Händchen für aufsässige Liedtexte und leistete auch bei vorliegender Aufnahme ganze Arbeit. “Mollie” aus dem Jahr 1981 (auch bekannt als “Fasching, Ostern, Weihnachten”) ist die akustische Bastelanleitung eines Molotov-Cocktails, dargeboten zur stark verzerrten Melodie von “Stille Nacht”, die den seligen Franz Xaver Gruber wohl im Grab rotieren lassen würde. Damals unveröffentlicht, erschien die Nummer 1997 posthum auf dem Sampler “Es Chaos is die Botschaft!” (Luziprak), sowie im Jahr 2003 auf einer selbstbetitelten “Schund”-Werkschau des deutschen Punk-Labels Höhnie Records.
Leise rieselt das Benzin
Und das Heizöl dahin
In die Flasche rein
Mann, ey, das wird geil
Hört nur, wie lieblich es schallt
Wenn der Mollie knallt
Macht Euch zum Anschlag bereit
Nicht nur in der Weihnachstzeit/
(Auszug aus dem Songtext)
Trash Rock Archives
Atom
Die Wiener Punk-Band Blümchen Blau formierte sich in den frühen 1980er Jahren und spielte – unter Anleihen bei experimentellen New Wave-Bands wie Devo und Der Plan – bald schon sehr eigenständige Musik. Schräg und zackig, gleichzeitig druckvoll und tanzbar, machte sich das Quintett schon mit ihren ersten Live-Gigs zur Attraktion. Die Debüt-Single, eine Hans Albers-Parodie mit dem Namen “Flieger” (1981) konnte zudem als überraschender Radio- und Diskotheken-Hit reüssieren und verhalf der kleinen Indie-Plattenfirma Lemon Records, die die Nummer produziert hatte, zu beachtlichen Verkaufszahlen. Kurze Zeit später standen Blümchen Blau erneut im Studio, um ihr einziges Album “Wie die Tiere” (Atom/1982) einzuspielen, für das sie den Düsseldorfer Sound-Tüftler und Ata Tak-Label-Betreiber Kurt Dahlke alias Pyrolator als Tontechniker gewinnen konnten. In der Retrospektive ist diese LP der wahrscheinlich ausgereifteste und reizvollste Entwurf für den Sound einer Neuen Österreichischen Welle. Im Sinne der heutigen Themensetzung sei aber insbesondere auf das dadaistische Kinderlied “Weihnachtsmann” hingewiesen, das 1983 auch als Single-Auskopplung auf den Markt kam. Zu einem Zeitpunkt, als sich die ungestüme Band schon längst wieder aufgelöst hatte... Auf meine Spontan-Anfrage an den ehemaligen Blümchen Blau-Organisten Götz Schrage, wie der Song seinerzeit entstanden sei, schreibt mir dieser kurz und knapp, aber gewohnt pointiert: “Wir haben eine Hohner-Orgel aus den 60ern mit grauen Tasten und Holzbeinen gekauft und dann im Proberaum versucht, einen Bob Marley-Riff zu spielen. Mundi (Anm.: gemeint ist Sänger Jakob Mundl) meinte, das hört sich an wie Weihnachten. Es war Juli. Voilà!”
Hallo, liebe Kinder
hier ist der Weihnachtsmann
Kinder, oh Kinder
Ihr braucht kein Spielzeug aus Gold
Nein, nein, nicht, nicht
Nein, nein, nein, nicht
Hallo, hallo, hallo, hallo, Kinder
Ihr braucht mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
Mehr Licht
(Auszug aus dem Songtext)