Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Wednesday Edition, 14-12-16. "

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 12. 2016 - 15:37

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 14-12-16.

Warum die Grünen keinen linken Populismus können. Und warum sich linker Populismus immer radikal platzieren muss, während sich rechter Populismus in der Mitte verortet.

#demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Innerhalb der österreichischen Grünen läuft gerade eine Populismus-Debatte; also offiziell ist es keine, weil die Chefin die Sache als erledigt betrachtet - inoffiziell aber köchelt es, logischerweise, schon. Denn:

Auf die Grünen kommen harte Zeiten zu. 2018 (oder 2017) droht der Absturz in die Einstelligkeit. Zum einen ist da das Gefühl, dass mit dem Präsidentenamt eh schon viel Macht im grünen Bereich ist, zum anderen droht Kanzler Kern (wie schon Häupl in Wien) viele Anti-FP-Stimmen auf sich zu ziehen, und zudem nagen sowohl die Neos als auch die Kurz-VP am bourgoisen Wähler-Rand. Und weil sich die grüne Partei im gesamten Jahr 2016 präsidial präsentierte und keinerlei Kante zeigen wollte/durfte, war der Vorstoß des altgedienten Abgeordneten Peter Pilz nachvollziehbar.

Pilz regt - nicht zum ersten mal, das letzte mal war es nach der Wien-Wahl, auch einem gegebenen Anlass - einen linken Populismus an; vor allem um aus der Blase raus- und in andere Welten reinzutauchen. Pilz verwendet dabei das Bild des Stammtischs und spricht von Diskussionen, meint also Überzeugungsarbeit. Die Parteispitze (Glawischnig) sagt, angefressen, das tun wir eh, und du nicht.

Man redet (per Aussendung) also gepflegt aneinander vorbei. Denn Populismus arbeitet ganz anders: nicht mit Überzeugung durch Diskussion, nicht mit Eröffnung von Diskursräumen, also der Auseinandersetzung mit anderen Ansichten. Populismus bestätigt, affirmiert und sammelt: erklärt seine Bewegung zum Unterstützer, Wortführer und Helfer der Stammtische (um beim Beispiel zu bleiben), prostet bei allem und jedem mit, schlägt alle meinungstechnischen Haken mit und verspricht Besserung durch Bündelung von Wut und Protest.

Viel näher dran an dieser Wirklichkeit ist die grüne Abgeordnete und Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer. Sie zitiert den französischen Soziologen Didier Eribon: "Jeder Populismus öffnet nach rechts einen Raum der nicht mehr kontrollierbar ist." Populismus, sagt Maurer dann in einem weiteren Facebook-Post, "besteht immer in der Verkürzung und Zuspitzung, in der Pauschalisierung, dem Versprechen einfacher Lösungen.". Das, wofür die Grünen in ihren Kernbereichen stehen, also Differenzierung, oder Faktenbezogenheit ginge dadurch verloren. Und auch der der Verkürzung innewohnende Anti-Intellektualismus wäre ein echtes Problem.

Maurers Schlussfolgerung: "Wir brauchen keinen Populismus, sondern eine neue Ernsthaftigkeit in der Politik." Einer Politik, die trotzdem die Interessen vieler vertreten kann. So wie es Glawischnig dann gestern im ORF-Bürgerforum auch immer wieder probierte: soziale Ungerechtigkeiten anprangern, die Macht der Konzerne brechen etc. Das Problem dabei: mangelnde Exklusivität, kein USP. Vor allem Kanzler Kern hat diese Themen bereits breit besetzt.

Populismus geht sich für eine Partei wie die Grünen, deren grassroots-Politik auf differenziertem zivilen Ungehorsam aufgebaut ist, einfach nicht aus. Populismus kann in erster Linie Menschen abholen, die in denkerischer Starre verharren und das Tun anderen überlassen wollen - also Menschen, die keine dramatische Veränderung, sondern den Rücksturz in gute, alte Zeiten wollen. Deshalb existiert ein linker Populismus tendenziell dort, wo diese guten alten Zeiten auch "links" geprägt waren, etwa in der DDR - davon lebt die Linkspartei. Die ihren linken Populismus vorsichtig mit ihrer Diskursivität paart und dabei auf einen grünen Zweig kommen kann.

Warum nur der linke Populismus sich verortet

Im Übrigen hat diese Links-Populismus-Diskussion einen zweiten hochinteressanten Aspekt. Links der Mitte wird der Einsatz populistischer Mittel nämlich immer diskutiert, man überlegt sich eine genaue Positionierung, wägt ab, wertet moralisch etc.

Rechter Populismus entsteht ganz anders, aus sich heraus, aus einer Selbstverständlichkeit, einer inneren Notwendigkeit, die Mitte, den Bauch, die Norm, den Anständigen, den kleinen Mann, you name the next clichés, zu repräsentieren. Zumindest in der Außenwirkung - die strategische Planung dieser Positionierung erfolgt unter großer Sorgfalt und Einfluß mächtiger Denkschulen.

Rechter Populismus lebt vor allem davon, sich selber eben nicht als rechts, oder gar rechtsradikal oder rechtsextrem zu bezeichnen - auch deshalb hat Hofer letztens vor den internationalen Medien diese Begrifflichkeiten deutlich von sich gewiesen. Rechter Populismus sucht die Mitte und erfindet sich deshalb als neue Mitte. Und nur dort, im Segment der Unbeweglichen, kann er abgreifen.

Linker Populismus gesteht sich selber immer und automatisch die linke Position zu, trägt sie wie eine Fahne vor sich her und vergibt damit die Chance in den Bereich der selbsternannten Mitte vorzustoßen, die Menschen anzusprechen, die schon vor den Punzierungen "rechts" und "links" Angst haben und sich bei den rechten Populisten gut aufgehoben fühlen, weil die a) darauf verzichten und b) diese Ängste auch noch unterstützen.

Linker Populismus kann also tendenziell nur jene Prekären, Abgehängten, Polit-Verdrossenen erreichen, die sich bereits zu widerständischem Denken (vielleicht auch Handeln) gegen die Ungerechtigkeiten des Systems entschlossen haben. Und das ist wieder nur eine Minderheit.