Erstellt am: 14. 12. 2016 - 00:01 Uhr
FM4 Intelligentkalender #14: Tischtennis im Park
Ob über 30°Celsius heißer Sommertag selbst im Schatten unter den Bäumen oder bei 5°Celsius ohne Handschuhe: Jeden Donnerstag seit Juli 2015 spielt Maria Reiner Tischtennis im Grazer Volksgarten, „auch Jugo Park genannt“. Jugo-Park, weil während des Krieges in Jugoslawien viele Flüchtlinge kamen. „Flüchtlinge haben ja oft nicht so viel Geld und halten sich deshalb gern in so konsumfreien Räumen wie Parks auf. Der Volksgarten hat den Namen Jugo-Park bis heute behalten, obwohl dort jetzt ganz viele andere Menschen ‚herumhängen’", sagt Maria Reiner.
Zum Tischtennis-Spielen kommen Menschen, die im Alltag miteinander selten bis nie zu tun haben. Bis zu 15 Nationalitäten waren schon in einem Rundgangerl vertreten. Zählt Maria Reiner sie auf, wähnt man sich in einer Miniaturausgabe Olympischer Spiele. Mit dem Verein Stadtteilprojekt Annenviertel, dem die Kulturmanagerin angehört, unternimmt sie viele klasse gemeinnützige Sachen. Hinzugesellen können sich alle.
Rundgangerl um Rundgangerl
Der Grazer Volksgarten ist einer jener Orte, die immer wieder Zeitungsseiten der Abteilung Chronik füllen. Ein „Problempark“, in dem neben am Spielplatz schaukelnden Kindern Drogen eingekauft werden. Aber der Volksgarten ist auch ein eingenartiges Idyll: Es fließt ein Bächlein und es gibt eine kleine Skate-Rampe sowie Parkbänke. In der Mitte der gepflegten Grünfläche steht eine Stupa für BuddhistInnen, eine evangelische Kirche grenzt an den Park. Und es gibt einen fixierten Tischtennistisch. „Manchmal fehlt das Netz, weil es auch Vandalismus gibt“, erzählt Maria Reiner. Am unlustigsten findet sie den Park an Regentagen. Dann ist nichts los, es ist trüb und traurig. Scheint die Sonne, ist der Volksgarten gut besucht. In der Früh machen gebürtige ChinesInnen Tai Chi, der Verein Stadtteilprojekt Annenviertel lädt auch zu Yoga.
Annenviertel
„Allerdings habe ich das Gefühl, man muss auch etwas für die anbieten, die Drogen dealen oder dort obdachlos herumsitzen, weil sie nichts haben und sich auch keinen Kaffee im Kaffeehaus leisten können. Man muss auch etwas für sie anbieten, weil sonst verdrängt man ja wieder die Menschen“. Maria Reiner ist Donnerstag für Donnerstag von Herzen ergriffen, wie lieb die Leute sind. Sie übertreibt nicht.
„Magst du mitspielen?“, fragt Kathi. Dabei ist sie zum ersten Mal beim Rundgangerl dabei, schon ausgeschieden und eigens für das Tischtennis aus einem anderen Bezirk hergeradelt. Steht man nur herum, laufen die Hände vor Kälte rot an. Aber Handschuhe trägt keiner der Spielenden. Kathi hat aus der Runde niemanden gekannt, aber alle seien voll nett, seien gleich per du "und sie haben gesagt: Ja! Nächste Woche wieder!". Immer wenn sie an der Reihe gewesen wäre, hätten die jungen Männer den Ball freundlicher aufgeschlagen.
Nach sechs Rundgangerl ist Achmed der Sieger. Johannes ist diesmal unterlegen. "Zuvor haben wir schon zu viert ein Doppel gespielt, bis genügend Leute da waren für das Rundgangerl". Am Ende liefen fünfzehn um den Tisch. Im Sommer kann der Platz knapp werden. Ein zweiter Tisch soll aufgestellt werden.
Johannes spielt seit langem Tischtennis. "Ich habe zum Glück Freunde, die auch gern spielen, und da lässt sich immer wer aktivieren." Im Rucksack hat er Schläger und Bälle immer dabei, beruflich ist er in der Hauskrankenpflege tätig. Dass er in seiner Freizeit auch noch Bock auf Leute hat - "ja, sicher! Das ist nur bereichernd!"
Gewinner Achmed erkundigt sich nach dem Spielen, ob es einen professionellen Tischtennisverein in Graz gebe. Er würde sich gern bewerben. Ein Bekannter, Negirvan, übersetzt aus dem Arabischen für ihn. Johannes gibt Auskunft.
Annenviertel
Nicht egal, was die nebenan machen
Für Maria Reiner geht es darum, die Kommunikation anzukurbeln, miteinander in Kontakt zu treten und irgendeine Form an Beziehung herzustellen. "Wir vom Verein Annenviertel schauen ein bisschen genauer hin, was es im Viertel alles gibt, sodass man sich ein bisschen einfühlen kann in die Menschen im Nebenhaus." Ist das nicht ein sehr dörflicher Zugang zu Stadtleben? "Ja, total! Aber ich glaube an den Spruch think global, act local.", antwortet Reiner. Wenn man sich zusammentue, könne man Strukturen um einen stärken und eine Lobby bilden.
"Es gibt eine Frau, sie heißt Sanela. Sie ist mit ihrem kleinen Sohn immer dabei gestanden und hat beim Spielen zugeschaut. Und wir laden immer alle ein, mitzuspielen, weil sie schauen immer sehr neugierig. Und das ist der beste Moment, um sie dazu zu holen. Sie hat gesagt: Ich kann nicht! Wir haben gesagt: Doch! Spiel’ einfach mit! Denn es gibt immer weniger Frauen als Männer, und es ist super, Frauen zu bestärken – vor allem im Park. Sie hat schließlich mitgespielt und konnte überhaupt nicht spielen. Aber wir haben immer ein bisschen Raum dafür, Leuten Tischtennis beizubringen. Jedenfalls hat sie der Ehrgeiz so gepackt! Sie hat sich zwei Schläger besorgt und ihr Sohn musste mit ihr zuhause Tischtennis am Tisch üben. Mittlerweile ist Sanela an Nicht-Donnerstagen beim Tischtennistisch und spielt vor allem mit Mädchen und lehrt sie Tischtennisspielen, damit sie bei uns mitspielen können."