Erstellt am: 13. 12. 2016 - 14:29 Uhr
Fantastic Gondolas
Wenn Skiorte Musikevents organisieren, dann ist das üblicherweise ein Höllentrip zwischen Folklore-Techno und Stadion-Mainstream-Acts auf großen Openair-Bühnen. Der Nobelskiort Lech-Zürs am Arlberg geht da immer schon andere Wege und verzichtet auf Aprés Ski-Beschallung und Großevents der Elton John/Zucchero/Andreas-Gruselier-Liga. Seit sechs Jahren ist das hochalpine, nicht unbedingt leicht erreichbare Dorf auch Austragungsstätte eines multimedialen Kunsthappenings, das die schneebedeckte Berglandschaft zum Hauptakteur macht. Beim Fantastic Gondolas trifft Kunst auf Landschaft: Visual Artists übermalen mit Großprojektionen die schneebedeckte Berglandschaft und eine hervorragend kuratierte Auswahl von Bands und DJs verwandeln die Rüfikopfseilbahn zu einer schwebenden Disco und die Aussichtsplattform am Berg zum Dancefloor unter freiem Himmel.
reich
Fantastic
Wenn ein von der Natur her schon idyllisches Bergdorf wie Lech von Visual Artists und DJs total verzaubert wird, dann kriegen wir Winterfreaks ganz schön runde Pupillen. Stell dir vor, du stehst am Dorfplatz von Lech in 1450 Meter Seehöhe. Vor dir die Talstation der Rüfikopfseilbahn, die von Lichttapete und 4youreye mit psychedelischen Farbmustern bespielt wird. Hoch oben am Berggrat strahlen die riesigen Stützen der Seilbahn in grellen Primärfarben. Dahinter der klare, kalte Sternenhimmel und der strahlende Mond, der die Schneeflächen am gegenüberliegenden Omeshorn bläulich silbrig leuchten läßt.
Gondolas
Du gehst rein in die Talstation der Rüfikopfseilbahn und tauchst - dort wo tagsüber die Leute mit Skiausrüstung Schlange stehen - in einen schwarzen, geisterbahnartigen Tunnel.
lech-zürs tourismus
Udo Kapeller und die Künstlerin Noemi Kiss, die laut Eigendefinition gern „mit Erwartungen und Stoffen spielt“, haben alles mit Wandteppichen verhangen, die im Schwarzlicht zu grusligen Sounds und flashenden Lichtblitzen wie Galaxien und Sternennebel wirken.
lech-zürs tourismus
Du tastest dich durchs flackernde Dunkel über die Stiege hoch und dann stehst du plötzlich an der Plattform der Seilbahn und siehst eine bunt leuchtende Discogondel runterschweben und hörst den pumpenden Sound von Lieblings-DJs wie Hari (Bar 25, Berlin), Sheldon Drake (New York), Denis Yashin (Schönbrunner Perlen), Patrick Testor, Gümix, Sebastian Schlachter uvm.
lech-zürs tourismus
Schwebedisco
Als rave-geeichter FM4-La boum der Oberlüchs habe ich (Berufsethos verpflichtet!) keine legale oder illegale Party ausgelassen und so glaubte ich, alle denkmöglichen Locations erlebt zu haben: Ich hab schon in Fabrikshallen, Eisenbahnremisen, Bahnhöfen, Schwimmbädern, in der Raffinerie Schwechat, in einem Iglu, auf Schiffen, in Zügen und sogar in Kirchen getanzt, aber in einer Seilbahn-Gondel echt noch nie!
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Und das Gefühl ist sensationell. Es passen je 60 Leute in die zwei kleinen und je 80 in die zwei großen Gondeln der Rüfikopfseilbahn. Insgesamt pendeln also vier schwebende Dancefloors mit unterschiedlichen Sounds durch die Nacht. In jeder steht ein DJ-Pult und der Klang ist in diesen verhältnismäßig kleinen, dicht abgeschlossenen Räumen sehr dicht und intensiv, wie im Inneren eines riesigen Lautsprechers.
Angst? Take me higher!
Ich hab mich ja gefragt, ob sich die Leute überhaupt zu tanzen trauen, so hoch in der Luft, wenn sich jede Bewegung auch in Schwingungen der Gondel überträgt. Wir erinnern uns an den Physikunterricht, das Beispiel der Soldaten, die im Gleichschritt über eine Brücke gehen und durch die Eigenschwingungen die Brücke zum Einsturz bringen. Aber je später der Abend und je höher der Berauschungsgrad, desto mehr wird gehüpft.
lech-zürs tourismus
lech-zürs tourismus
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Es ist ein Wechselbad aus Euphorie und schon auch ein bissl Angst. Vor allem in dem klassischen Moment, wo die Gondel über die Stütze fährt, wo’s dir quasi den Boden unter den Füßen wegzieht und alle kreischen.
Aber das beste an diesen kleinen fliegenden Dancefloors ist die unglaubliche Optik. Um dich sind schließlich keine Wände, sondern Panoramascheiben. Du siehst die schwarzen Bäume vorbeiziehen, dann schwebst du irre hoch im Himmel, die Gondeln heben die Tänzerinnen 900 Meter hoch, von 1.450 auf 2.350 Meter. Unter dir bewegen sich Schneefelder, die im Mondlicht bläulich bis silbrig leuchten und plötzlich jagen die VJs fluoreszierende Riesenglühwürmchen über die Hänge, wo normalerweise Freerider ihre Lines ziehen.
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Bergstation – Tanz am Vulkan!
Oben am Gipfel ist die Openair-Bühne mit Acts wie Ogris Debris, Dr Motte, Space Echo, C-Rock oder Blade&Beard aus dem Iran. Im Bergrestaurant spielen bÄndscheibenvorfall und die Four Star Foundation. Zum guten Sound projizieren 4youreye grafische Muster, die mit der Topografie der Berge, der Architektur der Bergstation und der riesigen Seilbahnstützen spielen. Es ist eben kein reines Partyding, sondern wirklich ein multimediales Kunsthappening in den Bergen, oder wie der Tourismusdirektor sagen würde: „Verquickung von urbaner Kultur und alpiner Landschaft auf höchstem Niveau!“ Mein Highlight ist aber der Moment wo Hannes von Lichttapete mit seinen großen PANI-Projektoren auf den gegenüberliegenden Berghang zielt, ein mittels Mapping präzise vorbereites Großbilddia reinschiebt und das Face, wo ich letzten Winter schon bis zu den Knien im Tiefschnee raufgehiked bin, in einen Vulkan mit glühenden Lavaströmen verwandelt! It’s magic!
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