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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

12. 12. 2016 - 18:40

Santo Klaus

Das Berliner Label staatsakt. hat einen besonders unandächtigen Weihnachtssampler veröffentlicht.

In der Weihnachtszeit geht es ja manchmal ziemlich unheillig zu. Nicht so unheilig (Gott behüte!), aber doch auch. Um es mit Karl Valentin zu sagen: „Wenn die Stille Zeit vorbei ist, wird es auch wieder ruhiger!“. Klar ist, dass zu Weihnachten Anspruch und Realität nicht selten weiter auseinander liegen als Nord- und Südpol. Um ersteres kümmert sich traditionell der Weihnachtssong. Um zweiteres mittlerweile auch schon traditionell der Anti-Weihnachtssong (hier ein guter Überblick von Boris Jordan).

staatsakt. weihnachtssampler

staatsakt.

Nun hat das stets launisch kritische Label staatsakt. aus Berlin einen entsprechenden Sampler namens „Santo Klaus“ zusammengestellt. Die 12 Songs sollen nicht nur rote Ohren machen, sie dienen darüber hinaus einem guten Zweck. Anti-Weihnachtssong und guter Zweck? Aber hallo! Immerhin wird dem roten Socken der Button „Gegen Nazis“ angesteckt. Es geht also nicht um „Tschäriti“, sondern um Haltung. Im Pressetext zur Compilation heißt es dazu: „Wenn Konzerte und Demos gegen Nazis sein können, warum dann nicht das Fest der Nächstenliebe? Und war die Jesus-Geschichte nicht ein einziges Flüchtlingsdrama?“

Im Eröffnungstück ist die Weihnachtswelt noch halbwegs in Ordnung. Das erzählende Ich freut sich auf den Weihnachtsmann, zählt die Geschenke anderer Kinder auf, gibt aber am Ende zu, dass es wohl etwas zu blöde sei, um sich selbst eines zu wünschen. „Jolly Old St. Nicolaus“ ist ein Klassiker der US-amerikanischen Weihnachtstradition und vielleicht das erste (wohl ungewollt) subversive Weihnachtslied überhaupt. Die Version am staatsakt.-Sampler wurde 1985 von den Rock-Haudegen NRBQ aufgenommen. Das war die zeitweilige Hausband der TV-Serie The Simpsons und über Jahrzehnte everybody’s favorite secret band. Warum es ausgerechnet dieser Song auf eine deutsche Weihnachts-Compilation des Jahres 2016 schaffte, weiß nur der Nikolo.

Näher am Kernthema dran ist Lambert mit der Ballade „Kein Hehl“. Dort heißt es u.a. „Auch Nazis lesen Bücher, dort steht nur nicht viel drin“. Auch eine auf die Vollen gibt’s von Der Mann. Das Dramolett „Weihnachten bei den Kubitscheks“ stellt die Frage, ob Wutbürger überhaupt weihnachtsfähig sind und kommt zu relativ plakativen Ergebnissen, die scheinbar mit Asche auf dem Kehlkopf eingesungen wurden. Alles Waits. Alles Absicht.

WeiHHnachten bei den Kubitscheks from Primel Jola on Vimeo.

Etwas subtiler, aber flotter im Rhythmus, geht der unverwüstliche Andreas Dorau zu Werke. Sein „Weihnachten ist nicht mehr was es einmal war“ beginnt als Klagelied gegen den Verlust von Tradition („Lämpchen statt Kerzen“). Bald stellt sich jedoch heraus, dass es in Wahrheit um persönliches Versagen und Einsamkeit geht. Nun gräbt der Protagonist an der Bar kauernd nach Erklärungen. Man ahnt, was er finden wird, wenn er auf nichts außer Leere stößt. Heller die Glocken nie klingen auf „Santo Klaus“.

Natürlich dürfen die staatsakt.-Stars Ja, Panik auch nicht fehlen. Ihr aktueller Hit „Futur II“ passt inhaltlich zwar bloß kontextuell zur gestellten Aufgabe, ist aber durch die limitierte Vinyl-Auflage von 300 Stück erstmals überhaupt auf Rille erhältlich. Der Rapper Ill Till leidet festtagsbedingt an einer Winterdepression und das Projekt Erfolg mit Damenchor wünscht sich eine App für verkehrte Wutbürger.

„Santo Klaus“ rüttelt am Weihnachtsfrieden und bläst so manche Kerze aus, am Status Quo wird dieses Liebhaberding freilich wenig ändern. Wer seine Verwandtschaft ärgern will, ist hier aber definitiv richtig.