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Al Bird Sputnik

Record Digger, Subkulturforscher, Universal Beatnik

12. 12. 2016 - 10:54

FM4 Schnitzelbeats #7: Künstler machen Krach!

Wir widmen uns heute den lustvollen Grenzüberschreitungen: Verstörende und bahnbrechende Tonaufnahmen aus heimischen Ateliers.

FM4 Schnitzelbeats
Sonntagnachts im FM4 Soundpark und anschließend für 7 Tage im FM4 Player

Christian Attersee, Valie Export, Ernst Fuchs, Otto Mühl, Hermann Nitsch, Peter Weibel. Sie alle – und noch viele mehr – haben es getan. Die Liste der bildenden Künstlerinnen und Künstler aus Österreich, die uns neben Malereien, Skulpturen und artverwandten Exponaten auch Schallplattenveröffentlichungen hinterlassen haben, ist verblüffend lang. Wir beginnen den heutigen Exkurs mit 3 Tonbeispielen, die selbst die exzentrischsten DJ-Parties zwischen Scheibbs und Nebraska zum Kochen (oder zum völligen Stillstand) bringen werden.

Ein Paar in Winterkleidung

Trash Rock Archives

Plattencove: Lotte und Leherb - "Irre gut" bei einem Gelage

Philips

LOTTE & LEHERB- “Irre gut” (Philips/1974)

Helmut Leherbauer alias Maître Leherb wurde 1933 geboren und gilt als einer der wesentlichsten Vertreter der sogenannten Wiener Schule des Phantastischen Realismus. In den frühen 1960er Jahren zog es den Maler ins Ausland, wo er sich mit seinen Arbeiten immer wieder als Gesamtkunstwerk inszenierte und schon bald zum Vorzeige-Dandy des heimischen Kulturbetriebes aufstieg. 1974 ging er mit seiner Lebensgefährtin, der Malerin Lotte Profohs ins Aufnahmestudio, um gleich ein ganzes Album (“Irre gut”) voller experimenteller Chansons einzuspielen. Die Nummer “James Bond Gloria” ist die famose Selbstdarstellung des exaltierten Künstlerpaars in Form eines psychedelischen Hörspiels (inklusive obligatorischen Maschinengewehrsalven). Prädikat: Surreal.

maitre-leherb.at

Valie Export

Valie Export hält eine ZIgarettenschachtel mit ihrem Konterfei in die Kamera

Trash Rock Archives

LP "BAnanen" von Valie Export und MOnsti Wiener

Trash Rock Archives

VALIE EXPORT / MONSTI WIENER- “Capri-Fischer / Bananen” (Heimproduktion/1981)

Valie Export begründete ihre künstlerische Tätigkeit im Jahr 1967 und machte sich schon bald mit experimentellen Kurzfilmen, Fotoarbeiten und feministischen Aktionen im öffentlichen Raum einen Namen. Ihr frischer Ansatz, Medien miteinander zu verknüpfen und gesellschaftliche Tabus anzusprechen, erregte die Gemüter der Öffentlichkeit und ist heute längst Unterrichtsgegenstand an den Kunsthochschulen dieser Welt. Im Laufe ihrer Karriere fertigte auch Valie Export immer wieder Tonaufnahmen an, etwa im Jahr 1981, als sie gemeinsam mit der Malerin Ingrid Wiener (alias Monsti) die Nummer “Bananen” veröffentlichte. Der Song ist eine vergnügte Dekonstruktion von österreichischer Volksmusik auf den Spuren von Anton Karas; suggestiv und nicht ganz geschmackssicher. Ein experimentelles Meisterwerk heimischer Subkultur.

valieexport.at

Hotel Morphila Orchester

Peter Weibel

Trash Rock Archives

Plattencove: Sex in der Stadt

Schallter

HOTEL MORPHILA ORCHESTER- “Sex in der Stadt” (Schallter/1982)

Die Rock-Band Hotel Morphila Orchester wurde 1979 von den beiden Künstlern Peter Weibel und Loys Egg in Wien gegründet. Im Zentrum des Interesses stand von Anfang an das Experiment, in Live-Situationen Sprache mit Musik zu verbinden. Die Formation hatte ihre musikalischen Wurzeln zwar im Progressive Rock der 1970er Jahre, der gegenwärtige Punk-Zeitgeist war aber ebenso deutlich miteingeflossen, was Weibels Performances als manischer Text-Rezitator deutlich unterstrichen.

Insbesondere die Aufnahme “Sex in der Stadt” ist wohl vielen HörerInnen in Erinnerung geblieben, in der Weibel schlüpfrige Kontaktanzeigen aus den Tageszeitungen Kurier und Kronen Zeitung liest. "Ich habe das live immer so gemacht, daß ich die Zeitungen genommen und dann auch wirklich live vorgelesen habe", erzählte er mir einmal in einem Interview. "Die Nummer war immer ein Live-Act. Es war immer eine aktuelle Tageszeitung, aus der ich die Sex-Annoncen rhythmisiert - rap-artig - vorgelesen habe. Die Musik dazu war improvisiert und dadurch immer anders. Im Studio war´s genauso. Wir haben die Platte damals in Graz aufgenommen. Der Aufnahmeleiter war wahnsinnig erstaunt, wie er gesehen hat, daß der Text von 'Sex in der Stadt' nicht vorbereitet ist, sondern daß ich mich im Studio einfach hinstelle, eine Zeitung nehme und den Text runterlese. Die Musik hat dazu gespielt, und das war´s dann. Das war die Aufnahme: ‘Sex in der Stadt steht in jedem Blatt. Sex in der Stadt ist was keiner hat.’"

peter-weibel.at