Erstellt am: 11. 12. 2016 - 15:47 Uhr
Einmal noch Lederjacke
Zuerst kommt die Trennung, dann kommt der Phantomschmerz. "Fucked Up Girls Like Drugged Up Guys", singen The Jesus and Mary Chain in ihrer neuen Single, und dass das eine Zeile direkt aus dem alten Rock'n'Roll-Phrasenbuch ist, wissen sie selber.
Das Stück hat den Rock'n'Roll selbst zum Thema, die möglichen Versprechen, die Selbstzerstörung, das glorreiche Risiko, den Glam des Kaputten – aber auch das schnöde Nachlassen und Verblassen.
Steve Gullick
Im März wird die schottische Band ihr erstes Album seit gut 18 Jahren veröffentlichen: "Damage and Joy" wird die Platte schon schön plakativ heißen, schon sauber konstruiert, um als Mission Statement von The Jesus and Mary Chain durchzugehen.
Mit ihrem damals revolutionären Klangdesign und dem Debütalbum "Psychocandy" aus dem Jahr 1985 hat die Gruppe neue Türen aufgemacht: Krach, Feedback, Rauschen, Minimalismus mischten sich da mit den süßesten Popmelodien. The Stooges, Velvet Underground, Sonic Youth in Umarmung mit den Beach Boys und Phil Spector. Zerstörung und helle Freude.
Der Song "Amputation" klingt wie ein Lied von The Jesus and Mary Chain. Eine Fahrt mit dem Moped, egal wohin, bloß weg. Der Wind, der Hall.
Der Beat scheint aus einer billigen Drum-Machine zu kommen, einer alten, der es egal ist. Es raschelt und zischelt und scheppert dünn und schäbig. Schon auf ihrem zweiten Album "Darklands" aus dem Jahr 1987 haben The Jesus and Mary Chain auf rudimentären Preset-Rhythmus aus der Batterie gesetzt, nachdem der leibhaftige Drummer Bobby Gillespie ausgestiegen war, um sich fürderhin vornehmlich seiner Band Primal Scream zu widmen.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Der Umstand, dass sich The Jesus and Mary Chain wenig scherten, oft mit dem Rücken zum Publikum spielten, sich kaum rührten, mit wilden Haaren angepisst in der Gegend herumstanden, hat sie ebenso berühmt gemacht wie ihr Soundentwurf.
Das passt auch heute noch, auch wenn wir früher jünger waren, heute die Zeiten andere geworden sind und Geld verdient werden will. Der Rock'n'Roll muss noch immer lärmen und klingen, als würde es um etwas gehen, nämlich darum, dass alles andere blöd ist.
"I am a Rock'n'Roll Amputation", singen The Jesus and Mary Chain wieder und wieder. Hat man ihnen etwas weggenommen, etwas abgeschnitten? Oder sind sie selbst die Abschneider, Wegnehmer und Kaputtmacher? "I don't know, I guess that we are through". Es ist ein Slogan, es ist ein Leben. Manchmal haben wir aufgegeben, manchmal wehren wir uns noch ein bisschen.