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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 12. 2016 - 15:25

The daily Blumenau. Friday Edition, 09-12-16.

Was ein Jahr #bpw16 bewirken sollte: ein neues journalistisches Regelwerk für den Umgang mit demagogischer Propaganda.

#medienselbstverständnis #demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Siehe auch: #dailyBlumenau. Wednesday Edition, 07-12-16. Was sich nach einem Jahr #bpw16 ändern wird: Österreich macht sich bereit für einen neuen Korneuburger Eid.

Leseempfehlung: Florian Klenk über die Geheimwissenschaft Journalismus

Vor knapp zwei Wochen hat Jack Shafer im US-Online-Magazin politico.com ein paar journalistische Regeln für einen neuen Umgang mit den Propaganda-Mechanismen der Populisten/Rechts-Demagogen aufgestellt. Sein Anlassfall ist logischerweise Trump, seine Vorschläge haben aber allgemeine Gültigkeit. Klassische Medien werden, auch wegen ihres holprigen, aus überkommenen Zeiten stammenden Selbstverständnisses, welche Geschichte zur Erhellung des Publikums zu erzählen ist, allzu leicht instrumentalisiert.

Der zentrale Satz lautet: Many times the story isn’t what Trump says but the meta concept behind why and how he’s saying it. Das bedeutet: die bisherigen 6 großen Ws des Journalismus (wer, was, wann, wo, wie und warum?), die in den letzten Jahren um das quellensichernde woher? ergänzt wurden, benötigen eine massive Aufwertung der Warum-Frage, die bis dato nur auf rein faktischer Ebene gestellt wurde. Da es sich Journalismus nicht mehr leisten kann, die Meta-Ebene auszublenden, weil Populisten genau dort die Themen setzen, wird das warum?, das sich der Dekodierung der tatsächlichen Botschaften widmet, die zentrale, wichtigste und unerlässlichste Frage für den Journalismus werden - sofern er Lust aufs Überleben hat.

Die Regeln lauten:
1. Curb Your Twitter Enthusiasm
Nicht sofort aufgreifen, aufregen und dadurch das gesetzte Thema verbreiten. Ruhe bewahren und den Kontext recherchieren und erklären.

2. Starve the Troll
Trump ist für Shafer ein Troll; der ausgehungert gehört wie alle Trolle. Nicht der postfaktische Unsinn, den der Demagoge vermeldet, ist die Nachricht, sondern dass er (wieder) etwas gegen besseres Wissen, gegen die Faktenlage abgesondert hat.

3. Don’t Fact-Check Everything He Says
Die eigenen Grundregeln anwenden: erst wer Behauptungen durch Belege stützt, wird einen Fact-Check unterzogen.

4. Crack the Code Behind His Psyops
Wie jemand etwas sagt ist genauso wichtig wie was jemand sagt.

Shafer sagt das so "news consumers will profit more if the press digs harder into what the fake news-generating president is actually trying to do rather than what he’s saying"

Punkt 5 betrifft den White-House-Journalism, das ist nicht übertragbar. Punkt 6 lautet Stop Blaming Yourself und betrifft die Selbstgeißelung des Journalismus, der sich für Trump mitverantwortlich fühlt - das ist ansatzweise vergleichbar mit der in Österreich grassierenden Schuldzuschreibung dass "die linken Intellektuellen schuld am Erstarken der nationalen Kräfte" wären - auch eine leicht widerlegbare Mär.

7. Remember: There Is No Magic Bullet
Kein Selbstmitleid. Journalismus war nie beliebt. Macht was draus, denkt immer einen, besser drei Schritte voraus. Stop playing his/their game. Wir müssen unser Bestes dagegensetzen.

Ein post-#bpw16-Journalismus benötigt also:

Ein verstärktes Warum, der immer nötige, immer mitzudenkende Sprung auf die Meta-Ebene, beinhaltet selbstverständlich auch klassische Fragen wie cui bono (wem nützt es?) und immer auch das follow the money mitzubedenken.

Eine gezieltere Beachtung des Wie von Formulierungen, das vor allem bei NLP-geschulten Akteuren die Bedeutung des Was in den Schatten gestellt hat.

Eine unaufgeregtere Herangehensweise an News, die auch Fake-News (und sei es nur eine Lasterfahrerei nach Seefeld) oder gezielte demagogische Themensetzungen (zb eh gegen die Todesstrafe sein, aber nichts gegen eine entsprechende Volksabstimmung haben) sein können. Belege einfordern, ehe man sich durch Fact-Checking zum Mit-Verbreiter einer sublimen Botschaft macht.

Kontext-Erklärung statt Zuspitzung; auch bei scheinbar einfachen (aber wichtigen) Meldungen.
Dem Tun/Handeln mehr Aufmerksamkeit widmen als der Ansage/Behauptung.

Wie das geht, zeigt etwa diese Geschichte von Anna Thalhammer in der Presse: statt dem lärmenden SPÖ-Wien gespalten-Vermeldern, die ihre Berichte aus Vermutungen und bewusst gesetzten spins ableiteten, arbeitete Thalhammer die Mikroebene, die Positionen aller Machtzentren der Stadtpartei heraus, und hinterlässt ihr Publikum mit einem guten Eindruck einer komplexen Sache. Bestinformiert.

Im übrigen beschränkt sich diese Herangehensweise keinesfalls auf den Politik-Journalismus. Da wäre das oben verlinkte Beispiel des hervorragenden Umgangs (der Tiroler Tageszeitung zu Seefeld) mit Fake-News. Oder ein Beispiel aus dem Sport: nachdem Werner Grabherr, Interimstrainer in Altach, öffentlich darüber gejammert hatte, dass ihm "Ausländer" den Weg in die Trainerausbildung blockieren würden, stellte Philipp Bachtik auf laola1.at die 16 Kursteilnehmer vor, den denen genau 3 Ausländer sind (Jancker, Zickler und Chaile, die seit Jahren in Österreich arbeiten und leben). Alle anderen Medien hatten Grabherrs gesellschaftspolitisch zündlerische Attacke einfach so stehengelassen.

Es geht also. Auch mit simplen Mitteln.
Wir sind keine Hofberichterstatter, sondern Volksberichterstatter, sagt Florian Klenk hier.