Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Immer noch hinter deinem Hintern her"

Lisa Schneider

Hören, lesen, schreiben

14. 12. 2016 - 12:01

Immer noch hinter deinem Hintern her

Bilderbuch haben gestern im Wiener Volkstheater gespielt - und es war ein bombastischer Abend.

Das letzte Mal, als Bilderbuch auf der Bühne des Wiener Volkstheaters gestanden sind, war im Frühjahr des heurigen Jahres. Da haben sie den Amadeus-Award für das beste Album entgegengenommen, er galt „Schick Schock“, dem dritten Album der Band.

Ihr Weihnachts- und Jahresabschlusskonzert fand gestern Abend im selben imperialen Ambiente statt - und das zurecht. So viel überall über 2016 geraunzt wird, Trump hat das Rennen gemacht, Bowie ist nicht mehr da, und so weiter und so weiter, ihr kennt das... Bilderbuch jedenfalls haben ein grandioses musikalisches Jahr hingelegt. Die Selbstsicherheit während des gestrigen Auftritts beweist es! Was Liveauftritte angeht, hat sich das Quartett in den letzten Monaten eher rar gemacht, um auf Hochtouren am neuen Material zu arbeiten, das teilweise gestern vorgestellt wurde.

Bilderbuch

Radio FM4 / Patrick Wally

Wie im richtigen Theater inszenieren sich Bilderbuch dem Ambiente angemessen, treten ohne Support und schon zur Primetime um 20.15 auf die Bühne. Sie spielen 45 Minuten, um dann eine angenehme Pause zum Umziehen einzulegen. Dann folgt, nicht weniger fantastisch gekleidet, die zweite Hälfte.

Neu und alt, und alles gut

„I love stress“, dieser schlotternde, aber Bilderbuch-alike seidig glänzende Ohrwurm, darf das Set eröffnen. Eine der aktuellen Singles. Wer Bilderbuch mit „Rosen zum Plafond“ oder „OM“ sehen will, fragt sich, wo hier die Megahookline fürs Stadion bleibt. Auch das neue Album, „Magic Life“ (VÖ Anfang 2017), wird in diese Richtung gehen. Cloudrap, Autotuning und viel, viel mehr Elektronik.

Seit gestern Abend bin ich diesbezüglich ein bisschen erleichtert. Es ist nämlich offenbar komplett egal, in welche Richtung sich Bilderbuch entwickeln. Von der ersten Sekunde an, von Neuvorstellungen („Erzähl deinen Mädels ich bin wieder in der Stadt“) über Bilderbuch-Evergreens („Spliff“) spielen Bilderbuch eines dieser Konzerte, bei denen man sich fragt, wer an der Uhr gedreht hat.

Da sitzt man im schicken Volkstheater, erinnert sich kurz daran, welches Bernhard-Stück man hier zuletzt gesehen hat, und fragt sich, wie das funktionieren soll, mit Sitzplätzen, bei einem Bilderbuchkonzert! Die Frage löst sich nach wenigen Minuten von selbst, weil sitzen will hier ohnehin fast niemand. Mutige Ausdruckstänzerinnen in der ersten Reihe machen’s vor, alle anderen sind zuerst noch richtig baff ob der grandiosen Lichtershow. Die wird im Laufe des Abends – neben dem ebenso sehr guten Sound – zum fünften Protagonisten auf der Bühne, spätestens dann, wenn alles in Regenbogenfarben getaucht ist.

Die Freshness kommt von früher

„Spliff“ ist das Lausbubenstück, vor dem Maurice erzählt, dass er heute nicht nur Geburtstag hat, sondern dass außerdem seine Oma im Publikum sitzt. Die blau-weiß-gestreifte Bluse, die er im zweiten Teil des Sets trägt, ist von ihr. Und das seidige Hemd der ersten Hälfte? Dreimal raten. Von Opa.

„Seht’s ihr des? Das Gewand meiner Großeltern. Sexy, oder?“, fragt Maurice sein Publikum. Mit dem Hintern wird demonstrativ gewackelt, alle brüllen wie auf Knopfdruck die Zeile, die längst tief im österreichischen Popgedächtnis eingegraben ist: „Sag es laut, gibt es zu, du bist hinter meinem Hintern her“. Schön zugeschnitzt aufs Wiener Publikum wird hier variiert, die Frage lautet dann: „Wo ist mein Hintern daheim?“

Bilderbuch

Radio FM4 / Patrick Wally

Bilderbuch live

  • 3.2.2017: Air&Style / Innsbruck
  • 5.5.2017: Kasematten / Graz
  • 18.5.2017: Arena / Wien
  • 26.8.2017: Tabakfrabik / Linz

Zwischen spitzbübisch und saublöd können nur Bilderbuch auffordern. „Tanz mit mir, ich hab alles, was du brauchst. Nutella, Vanille, Stracciatella.“ Dass Bilderbuch den schlechten Geschmack wieder auf Hochkurs geliftet haben, ist nichts Neues. Das Netzhemd von Gitarrist Michael Krammer ist nach wie vor einer der besten und schönsten Beweise dafür.

„Sweetlove“ die erste der neuen Singles, wird passend im Liegen gesungen, schmachtend, schmelzend. „Maschin“ ist noch immer nicht nervig, Zugaben gibt es natürlich auch, nachdem „OM“ das reguläre Set zum Abschluss- und zum Augenschließen und Abdriften eingeladen hat.

Der gestrige Abend, um dem Bilderbuchjargon zu huldigen: feinste Seide.