Erstellt am: 7. 12. 2016 - 00:01 Uhr
FM4 Intelligentkalender #7: Die Raumbasis
Nichts ist für immer, aber für viele Ideen reicht bereits die Möglichkeit, einen Innenstadtraum temporär für sich nutzen zu können und die Idee in die Tat umzusetzen. Aber für einen oder eine alleine ist der Aufwand an organisatorischem und finanziellem Einsatz oft zu hoch. Genau hier setzt die Raumbasis an. Die Initiative in Graz bietet Leerstände zur Zwischennutzung an. Die Raumbasis versteht sich als Schnittstelle zwischen EigentümerInnen und Raumsuchenden, gleichzeitig will die Architektin Anna Resch mit ihrem Team von der Raumbasis das Stadtleben mitgestalten.
Eine ganze Filiale für deine Ideen
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Die automatischen Schiebetüren zur ehemaligen Filiale eines italienischen Modekonzerns öffnen und schließen sich jetzt abends wieder im Minutentakt. Jahre waren die großen Räume mit erster Etage in der Schmiedgasse (und damit bester Innenstadtlage) ungenutzt, jetzt macht dort zum Beispiel der Verein Lastenrad einen Kinoabend und zeigt die Doku "The Grey Adventure". Darin chauffieren junge KopenhagenerInnen ältere Leute in Fahrradrikschas durch die Stadt und unternehmen auch Überlandpartien mit ihnen. Wer immer Fahrrad gefahren ist, der vermisse den Wind im Gesicht und das Gefühl von Freiheit, vermittelt der Film, den ein fahrradbegeisterter Grazer mit deutschsprachigen Untertiteln versehen hat. Der Verein Lastenrad will dem dänischen Vorbild folgen und im kommenden Frühjahr mit Radrikschas und Engagement den Bewegungsradius älterer Menschen wieder enorm erweitern. Und die Lastenradler gehören zu den insgesamt 17 Zwischennutzern in der "Schmiede 36", wie die Raumbasis das Ladenlokal benannt hat.
Denn das Prinzip ist einfach: Je mehr ZwischennutzerInnen sich für ein Objekt finden, desto günstiger wird es für jede und jeden Einzelne/n. Die Stadt Graz fördert das Projekt zusätzlich. Mit 250 Euro kann man ein ganzes Geschoss in der Schmiede 36 für eine Woche bespielen. Aber so pauschal können die OrganisatorInnen der Raumbasis die Miete nicht festmachen. Wer und wofür den Raum nützt und ob daneben noch andere Sachen stattfinden können und wie viel jemand zu den Kosten beitragen kann - all das berücksichtigt die Raumbasis in der Kalkulation.
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"Ich kenne einige Leute, die eine Idee haben und die ausprobieren wollen und sehen möchten, ob der Raum in der Stadt für sie Sinn macht", sagt die Fotografin, Grafikdesignerin und Illustratorin Margit Steidl. Die Hürde, ein Ladenlokal oder eine Bürofläche zu mieten, erscheine ihr jedoch für Einzelne zu hoch. Da setzt die Raumbasis an: Die vielen Fragen um die Zwischennutzung beantwortet und klären Anna Resch und ihr Team. Die Raumbasis nimmt Raumsuchenden organisatorisch sehr vieles ab.
Ein Architekturkollektiv nützt einen Seitentrakt zum Beispiel nahezu täglich. Die Wanderpoetin war eine Woche hindurch für ihre Performances vor Ort. Zwei Fachhochschulklassen haben hier Lehrveranstaltungen. The Lindy Cats, ein Verein Swingtanzbegeisterter, shaggt und hopt in der Schmiede zur Live-Band Swingwagon. Inhaltlich gibt es keinerlei Vorgaben für die Raumnutzenden.
Geht es um Experimente wie ein Geschäftsmodell oder eine Lokalidee, die einmal wirtschaftlich werden könnte, ist die Raumbasis die ideale Plattform. Für bereits kommerziell agierende Agenturen und Firmen ist die Initiative allerdings nicht gedacht.
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Anna Resch klärt mit den EigentümerInnen, welche Nutzung für den Raum passen würde. Die Betriebskosten und die Eigenbedarfskosten werden an den Eigentümer übermittelt und bei allen Zwischennutzungen teilen sich alle MieterInnen die Kosten. Ist die Schmiedgasse dann leistbar? "Auf jeden Fall!", sagt Anna Resch. "Gesamte Mieten von Lokalen sind in dieser Lage sehr schwer leistbar, vor allem, wenn jemand eine Idee umsetzen, etwas ausprobieren will oder einen Raum nur für kurze Zeit braucht und sucht", weiß sie. Seit vier Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Leerständen und was man daraus machen kann. In Bremen ist sie in den Sommermonaten bei den KollegInnen der Zwischenzeitzentrale aktiv gewesen.
Wieder finden sich bei der Raumbasis unter den Verantwortlichen bekannte Gesichter wie der Lendwirbler und Rostfest-Mitveranstalter Franz Lammer. Im Grazer Bezirk Lend hat er wie befreundete Kreative seit 2004 Erfahrungen mit Zwischennutzungen gemacht. Zu damals günstigen Mietpreisen konnten sie in leerstehende Geschäftslokale einziehen, um sie für ihre kleinen Büros zu nützen. Franz Lammer erinnert sich gern an die Bürogemeinschaften.
Das Pilotprojekt der Raumbasis endet mit Dezember. Doch Anna Resch und Franz Lammer hoffen auf eine Fortsetzung. Ist noch Platz für Interessierte? Ja! "Wir hoffen, dass das Projekt weiter geht und es gibt einige neue Räumlichkeiten in der Stadt, die möglich wären. Es sind sehr unterschiedliche Orte, zwischen dreißig Quadratmetern und 700 bei der Schmiede 36. Noch jede Menge Möglichkeiten, leerstehende Flächen mit Leben zu füllen.