Erstellt am: 2. 12. 2016 - 16:03 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 02-12-16.
#fußballjournal16
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Jetzt ist sie fix, die Reform, die Österreichs Vereins-Fußball strukturell in die Spur bringen soll, aber Sommer 2018. Mit 12er-Profi-Bundesliga und einer semiprofessionellen 16er-Liga darunter. Mit Zweiteilung nach 22 Runden Grunddurchgang, einem Meister- und einem Abstiegs-Playoff mit 10 Runden.
Am besten hier das Erklärbärvideo anschauen:
Tricky details: die kleine Quali-Chance des Qualifikations-Play-Off-Siegers sich mit dem Dritt/Viert- oder Fünft-Platzierten (je, nachdem, it depends, es ist kompliziert) um einen Euro-League-Quali-Startplatz zu batteln.
Das und die Tatsache, dass nach dem Grunddurchgang die erreichten Punkte halbiert werden (keine Aufrundung, dafür zählt bei endgültiger Punktegleichheit die bessere Platzierung nach 22 Runden) erregt die Gemüter.
Nicht ganz zu unrecht. Aber, ganz flapsig gesagt: die Punkteteilung hatte die Liga (im Play-Off-System von 85 bis 93) schon einmal (und unbeschadet) überstanden. Und die EL-Quali ist für die kleinen Vereine (siehe Admira, siehe Altach, siehe WAC) ohnehin kein echter Bringer, da wird auch der unverständliche und undurchdachte Heimvorteil im Vor-Playoff gegen den 4. (oder 5) nichts nutzen.
Das von der Bundesliga im Mai angekündigte, seitdem im Dialog (Workshops!) mit Fans, Sponsoren, TV-Partnern, Landesverbänden intensiv besprochene, mit dem ÖFB akkordierte, von den Profi-Vereinen mit großer Mehrheit abgesegnete und medial transparent transportierte Modell, das Geschäftsführer Christian Ebenbauer hier ausführlich erklärt, hakt an anderen Ecken und Enden.
1) Die Sache mit der Wettbewerbsverzerrung
Dass eine Meisterschaft in zwei Durchgängen, also Hin- und Rückrunde, gespielt wird, dass nur in der Winterpause dazwischen die Teams Transfers vornehmen können, dass also gleiche Bedingungen für alle herrschen, das war bisher schon ein frommer Wunsch. Die Verzerrung des Wettbewerbs war schon bis dato eines der großen (und gerne unbenannten) Probleme der Liga. Letztlich zerfällt die Saison bereits in drei Teile: eine pre-season (mit etwa einem Dutzend Spiele) bis zum Transferzeit-Stopp Ende August, der Herbst-Spielzeit (22) und die Frühjahrs-Saison (etwa 18 - 20, Matches, auch nur wenn ein Team noch in Europa weiterspielt). Dass es dabei eine absurde Gesamt-Gewichtung (34 zu 20, in Meisterschaftsrunden sind es heuer 20 zu 16) handelt, ist einer der großen Elefanten im Vereins-Fußball-Raum; jeder sieht ihn, keiner spricht es an.
Mit dem neuen, um Entschlackung eines dramatisch verstopften Kalenders bemühten 22 + 10-Systems (es sind 32 Meisterschaftsspiele statt vormals 36) ließe sich sogar eine symmetrische 16/16-Lösung fertigen, die schreckliche englische Wochen mit ohne Zuschauern vermeiden. Selbst wenn das dann so wäre (und so wird's nicht kommen, es wird weiter viel zu viel in den viel zu vollen Sommer/Herbst gestopft werden) - die Verzerrung ist im neuen System quasi Programm.
Egal ob die letzten vier oder sechs Runden des Grunddurchgangs ins Frühjahr überhängen - sie werden unter gänzlich anderen Bedingungen ausgespielt als der Rest der Herbst-Spiele: die Vereine können nachrüsten oder sich aufgeben, Stärkenverhältnisse können sich dramatisch verändern. Mit anderen Worten: schon die Auslosung (hab ich die großen/schweren Gegner im Herbst oder im Frühjahr) wird mitentscheidend sein. Das 22 +10-System lädt die Clubs nachgerade zur Verzerrung ein.
2) Die Entwertung des Unteren Play-Off
Die neue Struktur kommt Hand in Hand mit dem neuen TV-Vertrag. Wer auch immer sich mit den Live-Übertragungsrechten schmücken will, egal ob Sky, ORF, ATV, puls4, DAZN oder gar der Neo-Olympia-Kanal Eurosport, keinem dieser Kunden hätte man die 2. Leistungsstufe, die Erste Liga in ihrer aktuellen Form mitverkaufen können. Das hat nichts mit Totgerede zu tun, das ist Folge einer langen und schlimmen Entwicklung; der Erkenntnis, dass sich eine zweite Profi-Liga nicht trägt.
Die neue 2. Liga wird einen Vereins-Mix aus Profi-Aspiranten, Vereinen mit semiprofessionellen Strukturen und (nur drei erlaubten, RB Salzburg wird sich wie immer durch eine Paragrafen-Lücke durchschummeln, also werden es vier werden) Amateur-Mannschaften der Profi-Klubs enthalten. Von einer Zentralvermarktung dieser Liga geht Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer nicht aus - Zielgruppe werden hier die Regional-Medien sein.
Überregionales Interesse wird sich auf die 12er-Liga fokussieren. Und auch dieser Fokus wird sich, wenn dann nach dem Grunddurchgang, im Frühjahr die Top 6 gegeneinander spielen, verengen. Die untere Play-Off, die Qualifikations-Gruppe wird ihre Partien (St.Pölten gegen Ried, Wolfsburg - Lustenau) unter weitestgehendem Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit spielen. Da kann der Meister dieser Loser-Gruppe noch so Euro-League-Playoff-verwöhnt werden.
Das Quali-Play-Off wird, sollte sich nicht ein Großer runterverirren und das Interesse auf sich ziehen, die sportliche Nachfolge der Ersten Liga antreten und der dümmliche Cousin sein, den man auf die coolen Parties mitnehmen muss. Aus den Free-TV-Übertragungen sind die Kleinen damit im Frühjahr wohl draußen. Und auch die Zuschauerschnitt-Heber-Matches der Kleinen gegen die Großen werden wegfallen. Es wird sich also sogar innerhalb der Top 12 schnell eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bilden, die die Reserven der erhöhten TV-Gelder bald auffressen werden.
3) Die wenig gut durchüberlegte neue 2. Leistungsstufe
Noch weniger mediale und zuschauerzuspruchstechnische Chancen wird die 2. Liga (die man - immerhin, ein Fortschritt, - nicht mehr beschönigend Erste Liga, sondern ehrlicherweise benennen will) haben. Das Spitzenspiel dieser Liga könnte schon Neustadt gegen Mattersburg sein - sofern der SVM seine aufkommende Krise gut übersteht. Dazu kommt dann noch Horn gegen Anif oder Hartberg gegen Ritzing.
Vielleicht kommt irgendwann der SC Eisenstadt, den Paul Scharner gerade wiederbelebt, dazu.
Das ist schon sehr Regionalliga. Um das noch von kurzem in Raum stehende Revival guter alter Traditions-Klubs (die Austrias aus Salzburg und Klagenfurt, der GAK, Sportklub, Vienna) steht es durchwegs schlecht.
Das ist wirtschaftlich gesehen nicht schlecht - und bewahrt die Grödigs dieses Landes davor denselben Fehler noch einmal zu machen.
Woraus diese völlig heterogene Liga aber ihren Reiz beziehen soll, konnten die Bundesliga-Verantwortlichen Rinner/Ebenbauer bei Ihrer Präsentation nicht vermitteln. Ebenbauer versuchte zumindest den Zweck dieser "Übergangsliga" zu verdeutlichen, die Vereine, die sich am Vollprofi-Status versuchen wollen, langsam heranzuführen, was Infrastruktur-Maßnahmen, Stadion-Qualität etc betrifft.
Zwischen den Zeilen lässt sich da eine recht konkrete Vision durchhören: da die Ansprüche für die 12er-Bundesliga verschärft werden, ist es durchaus möglich, dass überhaupt nur ein oder zwei Vereine der 2. Liga überhaupt die Lizenz für die oberste Klasse lösen könnten. Weil aber nur Erster und Zweiter sportlich aufstiegsberechtigt sind (abgesehen von einige Ausnahmeregelungen, die das ganze dann - sehr österreichisch - eh wieder unterlaufen würden) kann das auch heißen, dass sich die künftige Bundesliga als de facto geschlossene Gesellschaft präsentiert.
Die optionale Aufstockung von 12 auf 14 Voll-Profi-Vereine, war diesmal kein Thema mehr, wohl weil es aktuell echt nur 13 Clubs gibt, die alle Kriterien erfüllen. Zudem würde sich dann ein in jedem Fall schiefes Play-Off-System ergeben (entweder 2x7 mit einem spielfreien Verein oder ein einnahmentechnisch ungerechtes 1x6 und 1x8).
In diesem Licht zerfällt die Liga, die mit Liga-Geld, aber auch mit finanzieller Hilfe des ÖFB durchgefüttert werden soll, künftig also in die schmale Gruppe seriöse Kandidaten, in die breitere Gruppe von Glücksrittern, denen von Seiten der Liga der Eintritt zu en Erwachsenen verweigert wird, ein kleine Gruppe seriös wirtschaftender Semi-Profi-Vereine und die - wie immer; und auch hier - den Spielbetrieb durch ihre enormen Kader-Schwankungen bis zur Unkenntlichkeit verzerrenden Amateur-Teams der Groß-Klubs.
Das wird eine Liga, die mir durchaus Spaß bereiten wird - aber wohl nicht so sehr sportlich, sondern durch ihre Possen-Dichte.
4) Die vollkommen unüberlegte Regional-Ligen-Situation
Je weiter die Ligen-Reform nach unten geht, desto weniger Überlegung wurde investiert. Zum Thema Regionalligen etwa ließ sich Liga-Präsident Rinner zu einer absurden Ansage hinreißen. Er wolle die Gesamtzahl der Vereine in den ersten drei Spielklassen von aktuell 68 (10 + 10 + 3 x 16) um 20 reduzieren. Das bedeutet: 12 + 16 + X = 48 mit dem Resultat x = 20. Bei der Nachfrage ob er denn zwei statt drei Regionalligen meine, nickte der Steirer beflissen. Die Bundesliga/Rinner hätte/n also gerne eine regional zweigeteilte 10er-Regionalliga. Das ist (Amateur-Bestimmungen, Wochenendbetrieb) völlig unmöglich und lässt nur die Rückschlüsse verrechnet/verwirrt zu.
Dieser Unfug ist Ausfluss des Faktums, dass man sich - zum bereits wiederholten Male - keine Gedanken um die allerproblematischste aller Schnittstellen im österreichischen Vereins-Fußball gemacht bzw sie zum xten Male auf die lange Bank geschoben hat. Wie sich ein Übergang aus den Landesverbänden/ligen in den halbprofessionellen, überregionalen Fußball gestalten soll - das bleibt weiter der gordische Knoten.
Ist es trotzdem eine gute Reform?
Ja, eh.
Und dazu bräuchte es auch die ein bissl scheinheilige 10%-Gewinn-Karotte, die Rinner/Ebenbauer sich von ihrem niederländischen Branchen-McKinsey evaluieren ließen, nicht.
Es war dringend nötig die kaputte zweite Pseudo-Profi-Liga zu schließen. Es ist ebenso dringend nötig die Dorf-Clubs in einer Übergangsliga vor dem lemminghaften Sprung über die Klippen abzuhalten. Es wird weiter wichtig sein an Stadien- und Umfeld-Infrastruktur zu arbeiten und sich auf die wenigen gesunden Vereine zu konzentrieren. Es schadet nicht, ein bissl was zu riskieren, um Attraktivität und Spannung zu steigern - auch wenn allen klar sein sollte, dass das allein nicht reichen wird, sondern eine Anhebung des spielerischen und strategischen Levels zumindest ebenso nötig ist.
Dass bei all diesen Erst-Schritten vieles nicht mitbedacht wurde, liegt in der Natur der systemimmanenten Notlage, in der Österreichs Fußball noch vor einigen Jahren vorgefunden werden konnte. Dass auch diese gut gemeinte Reform scheitern kann, sofern keine Lösungen für den Unterbau gefunden werden, auch.