Erstellt am: 2. 12. 2016 - 12:00 Uhr
This Human World
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Mittlerweile zum neunten Mal stellt sich das Filmfestival This Human World der Herausforderung, Filme auf die Leinwand zu bringen, die sich mit der Darstellung von (zumeist) Menschenrechtsverletzungen befassen und dabei filmisch mehr als den Anspruch haben, die Kamera auf das Elend zu halten. Daran hat sich auch für die neue Festivalleitung durch Djamila Grandits und Julia Sternthal nichts geändert.
This Human World ist dieses Jahr in thematische Sektionen aufgeteilt, filmische Schwerpunkte wie bodies, borders, working realities, die die Orientierung durch die Auswahl an 114 Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen erleichtern soll.
Ein großes Beispiel für das gelungene Zusammentreffen von moralischem und filmischem Anspruch läuft in der Reihe institutions, die sich mit institutionellem Machtmissbrauch befasst. Der neue Film des tschadisch-französischen Regisseurs Mahamad Saleh-Haroun (der für "L'Homme qui Cri" 2010 in Cannes den Jurypreis gewonnen hat) handelt von den Folterkammern, in denen unter der Diktatur von Hissein Habré zwischen 1982 und 1990 rund 4.000 Menschen im Tschad starben.
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Man weiß davon kaum etwas, denn, so Saleh-Haroun in einem Interview mit dem Guardian, dieses Massenmorden sei ignoriert worden, weil es ohnehin nur ein paar Schwarze betroffen habe,
In "Hissein Habré, une tragédie tchadienne" besucht der Regisseur Überlebende und begleitet einen Prozess, bei dem sich ehemalige Täter und Opfer zum ersten Mal begegnen. Der ehemalige Diktator Hissein Habré ist Ende Mai 2016 von einem Gericht in Dakar (wo er im Exil lebte) zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
"Hissein Habré, une tragédie tchadienne" läuft am 9.12. im Top Kino.
Eröffnet hat das Festival mit "Houses Without Doors", einem Dokumentarfilm aus dem Inneren Syriens, konkret aus Aleppo. Gedreht wurde bis ins Jahr 2015, in den letzten Monaten einer Normalität, die bereits im vagen Bewusstsein stattfand, dass sie nicht mehr lange hält. Regisseur und Kameramann Avo Kaprealian hat vom Balkon seiner Eltern aus das Leben auf der Straße filmisch beobachtet. Einen Mann, der kehrt, noch einen Mann, der kehrt, Unterhaltungen vor einem Geschäft, eine lächerlich kleine, aus ein paar Autoreifen gestapelte Straßenbarriere. Man hört aus der Ferne eine Detonation, die Straße wird wieder gekehrt. Irgendwann stellt die Mutter des Regisseurs fest, dass sogar die Bäume schneller altern als sonst. "Houses Without Doors" läuft am 10.12. noch einmal im Top Kino.
In der Sektion der working realities läuft "Eldorado XXI", ein Dokumentarfilm über La Rinconada, einer Barackensiedlung neben einer Goldmine hoch in den peruanischen Anden. Die erste Stunde des Films besteht aus einer einzigen Einstellung: Es ist finster, gatschig und kalt, Frauen und Männer nehmen den steilen Weg in die Mine. Und auf der Tonebene Radioschnipsel, die von weiteren Unwirtlichkeiten der Gegend erzählen. Das ist zugegebenermaßen recht anstrengend, vermittelt aber gerade aufgrund der formalen Starre ein Gefühl dafür, wie sich das Leben dort abspielt. "Eldorado XXI" läuft am 2.12. im Schikaneder Kino.
In der Sektion the future is ours to see geht es um Perspektiven in düsteren Zeiten und Umgebungen. Da wird eine Skatertruppe in der konservativen georgischen Gesellschaft porträtiert ("When the Earth Seems to be Light"), da versucht sich eine 18-jährige Afghanin, die im Iran als Migrantin lebt, an der scheinbaren Unmöglichkeit, mit einer Karriere als Rapperin einer Zwangsehe zu entgehen ("Sonita", die sich in ironischer Bitterkeit einen Barcode auf die Stirn zeichnet).
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Und dann ist da die junge Boxerin Toni in "The Fits", einem der wenigen Spielfilme im Programm. In ihrem Debütfilm erzählt Anna Rose Holmer von einem 11-jährigen afroamerikanischen Mädchen, das zunächst in einem Boxclub trainiert und später in einer Schultanztruppe Aufnahme findet, obwohl Toni nichts von der hysterischen Aufgeladenheit ihrer Mittänzerinnen hat, sie beobachtet still und distanziert und folgt in ihren tänzerischen Bewegungen eher einem unerwartbaren Boxstil als dem Rhythmus der Musik. Dass andere Mädchen in ihrer Gegenwart zusammenbrechen, Übelkeit erleben und Kopfschmerzen bekommen, macht sie vollends zu einer Figur mit einem Geheimnis. "The Fits" erzählt eine seltsame Geschichte über das Erwachsenwerden und setzt statt auf Dialoge auf einen eindringlichen Sound. Ein Coming-of-Age-Psychodrama, präzise und spannend in jeder Einstellung. "The Fits" läuft am 10.12. um 20:45 im Schikaneder Kino.
Wir haben 5x2 Karten für "The Fits" zu verlosen!
Die Preisfrage diesmal: Welche Boxerin gewann bei den olympischen Spielen diesen Sommer keine Goldmedaille?
a) Nicola Adams
b) Estelle Mossely
c) Claressa Shields
d) Diana Guzman
Die richtige Antwort schickt ihr bitte an game.fm4@orf.at, Einsendeschluss ist der 7. Dezember um 12 Uhr Mittag.