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1. 12. 2016 - 15:56

Der Streit zwischen GEMA und Youtube

Wie internationale Konzerne versuchen, das Urheberrecht zu ihren Gunsten zu beugen, und was das für MusikerInnen bedeutet, Teil 1: Die deutsche Verwertungsgesellschaft und der Video-Anbieter.

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von Markus Deisenberger

Wer Youtube verwendet, hat in den letzten Jahren auch irgendwann einmal die Fehlermeldung mit dem roten Anti-Smile kennengelernt:

Der Hintergrund: ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen Youtube und der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA über die Vergütung von Videoabrufen. Schon 2009 war es zum Bruch gekommen, als der zwischen beiden bestehende Lizenzvertrag verlängert werden sollte und man sich auf kein Modell einigen konnte. Grundsätzlich bestand die GEMA auf eine Vergütung pro abgerufenes Video. Youtube dagegen versuchte, eine Beteiligung an erzielten Werbeeinnahmen durchzusetzen. Wie das genau funktionieren soll, wusste man allerdings nicht einmal bei Youtube. Eine Unternehmenssprecherin gab gegenüber den Medien zu Protokoll, dass es aufgrund der Komplexität des Algorithmus, der entscheidet, welche Werbung bei welchem Video läuft, schlicht und ergreifend unmöglich sei, einem Youtube-Abruf direkt einen bestimmten Geldbetrag zuzuweisen. Das aber hieße dann, dass für die genaue Höhe der auszuzahlenden Tantiemen Parameter ausschlaggebend sind, die letztlich auf Zufall beruhen. Transparenz lässt sich so freilich nicht erzielen. Abrechnungen sind für den/die MusikerIn schlichtweg unkontrollierbar. Klar, dass der GEMA dieses Abrechnungsmodell nicht gefiel.

Markus Deisenberger

Andreas Kolarik

Markus Deisenberger, mica – music austria, Journalist & Jurist

In Geldwert ausgedrückt bedeutete die Auseinandersetzung in etwa Folgendes: Statistiken zufolge zahlte Youtube in den USA zuletzt 0,18 Dollar-Cent an die jeweiligen Plattenfirmen, davon erreichten aber nur 0,03 Dollar-Cent den oder die KünstlerIn. Die GEMA hatte von Youtube aber zwischenzeitlich 0,375 Euro-Cent pro Abruf verlangt, was mehr als das Doppelte ist (1 Euro entspricht derzeit 1,06 Dollar). Die Vorstellungen lagen also deutlich auseinander, was auch die Länge und Härte der Auseinandersetzung erklärt. Für den User, der Titel abrufen wollte, an denen die GEMA Rechte hielt, war die Situation daher die letzten Jahre unbefriedigend: Die so genannte Sperrtafel ließ sich zwar mit Tricks umgehen, für den durchschnittlichen Youtube-User aber, der über kein entsprechendes Know-How verfügte, waren die Titel schlicht nicht abrufbar. Damit war weder dem User noch dem/der UrheberIn geholfen, der/die so gar keine Tantiemen bekam.

Das GEMA-Dilemma

Noch im Juni dieses Jahres hatte Youtube dann einen Etappensieg errungen: Das Landgericht München hatte eine Schadenersatzklage der GEMA abgewiesen und den Status von Youtube als sogenannten Hostprovider – d.h. als technische Onlineplattform, die nicht unmittelbar verantwortlich für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte ist – bestätigt. Das Gericht sprach aus, dass die GEMA deshalb von Youtube keine Vergütungen für auf und über deren Plattform verbreitete urheberrechtlich geschützte Musik einfordern könne, sondern sich an die Nutzer von Youtube wenden müsse. Das GEMA-Dilemma schien also zu sein: An die User will sie nicht, weil schlichtweg unadministrierbar, an Youtube kommt sie nicht heran.

Nur einen Tag später aber dann die Kehrtwende: In einem Parallelverfahren entschied das Oberlandesgericht Hamburg, dass Youtube haftbar gemacht werden kann, wenn es bestimmten Kontrollen auf Urheberrechtsverletzungen nicht nachkommt. Zusammenfassend kann man (vereinfacht) sagen, dass den Schadenersatzprozess Youtube gewann, in Bezug auf einzelne Titel aber ein Haftungsanspruch von Youtube bejaht wurde.

Die GEMA-"Lösung"

Diese beiden gegensätzlichen Entscheidungen veranlassten die Parteien offenbar, sich noch einmal an den Verhandlungstisch zu setzen. Denn nun, beinahe ein halbes Jahr später, haben sich GEMA und Youtube doch noch geeinigt. Nach sieben Jahren gerichtlicher Auseinandersetzung wurde eine Lösung gefunden, wie KomponistInnen, TextdichterInnen und VerlegerInnen angemessen vergütet werden sollen. Künftig werden Inhalte von MusikverlegerInnen, SongwriterInnen und KomponistInnen, die von der GEMA vertreten werden, also auch für deutsche Nutzer (oder österreichische Nutzer) wieder abrufbar sein.

Gut für die Nutzer, weil es keine Sperrtafeln mehr geben wird. Aber ist die Einigung auch für die UrheberInnen gut? Die entscheidende Frage ist leider nicht beantwortbar, weil das genaue Verhandlungsergebnis nicht publik gemacht wurde. D.h. die UrheberInnen werden für die Youtube-Klicks entschädigt. Anzunehmen ist auch, dass die Entschädigung über den bislang kolportierten Werten liegen wird. Wie hoch aber genau, ist unbekannt. Der Nachteil der außergerichtlichen Einigung besteht natürlich auch darin, dass die Rechtslage weiterhin ungeklärt ist, es also kein definitives und letztgültiges Urteil gibt, auf das sich MusikerInnen berufen könnten.

mica – music austria unterstützt die Karriere von österreichischen MusikerInnen durch kostenlose Karriereberatungen & Workshops, sowie durch die Aktivitäten von Austrian Music Export. Auch in den Bereichen Vernetzung, Lobbying und Forschung ist der Verein, mit Sitz in Wien und Salzburg, laufend aktiv.