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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

1. 12. 2016 - 15:08

SOHN im Interview

Der britische Musiker mit Wien-Vergangenheit über seine Zeit in Österreich - und wie der Bundespräsidentschaftswahlkampf sein neues Album beeinflusste.

Mit 28 zog er von London nach Wien, um seiner Karriere auf die Sprünge zu helfen. Mittlerweile lebt Christopher Taylor a.k.a. SOHN in Los Angeles und schreibt Songs u.a. für Rihanna. Das zweite Album des High-Tech-Soul-Barden erscheint am 13. Januar. Es heißt „Rennen“. Der deutsche Titel ist nicht der einzige Bezug zur alten Heimat. Bevor wir uns am Mittwoch beim Interview in Berlin um die neue Platte kümmerten, kümmerte sich SOHN um den Wiener Dialekt und die anstehenden Bundespräsidentschaftswahlen in Österreich.

SOHN in Berlin

Christian Lehner

Lehner: In welcher Sprache sollen wir uns unterhalten?

SOHN: Englisch bitte. Ich muss aber sagen, dass ich wesentlich besser Deutsch spreche, als ich dachte. Das merke ich immer, wenn ich mit Freunden aus Wien in Kontakt bin.

Man weiß über deine Zeit in Wien, aber dass du in Österreich geboren bist, so wie es im Pressetext zu deinem neuen Album steht, ist mir neu.

Was? Das steht da drin? Ha! Nein, ich bin in London geboren. Klarer Fall von postfaktischer Gesellschaft!

Für jene, die das zum erstem Mal hören: Was waren seinerzeit deine Beweggründe für den Umzug nach Wien?

Ich war 28. Mein damaliges Projekt Trouble Over Tokyo funktionierte nirgendwo außer in Österreich. Ich hatte die Wahl, weiterhin in London zu scheitern, oder dorthin zu gehen, wo meine Musik gut ankommt. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Hast du dir jemals die Frage gestellt, warum das ausgerechnet in Österreich funktionierte?

In London habe ich alles falsch gemacht. Ich habe schlechte Entscheidungen getroffen und ich habe in den falschen Venues gespielt. Wenn du in England nicht sofort Wind unter die Flügel bekommst und zum Hype wirst, kannst du deine Karriere vergessen. Österreich hingegen verfügt über eine sehr gute Infrastruktur für aufstrebende Bands und man hat auch viel mehr Zeit, sich zu entwickeln. Österreich, das hast Du gut gemacht!

Und wie ist das konkret in deinem Fall gelaufen?

Ein Promoter hat mich kontaktiert und mir gesagt, dass er für mich eine ganze Reihe von Shows organisieren könnte, wo dann auch tatsächlich Publikum ist. Das wäre in England zu diesem Zeitpunkt unmöglich gewesen. Meine erste Tour war mit Garish. Sie hatten ein Publikum und die Leute mochten auch meine Musik.

Wie lange bist du in Wien geblieben?

Insgesamt sechs Jahre, obwohl ich am Ende sehr viel auf Tour war und der Begriff „Home“ etwas verschwommen ist. Aber Wien bleibt für mich eine Heimat.

Wie haben dich diese Wien-Jahre geprägt? Gibt es etwas, das du mitgenommen hast an Erfahrung?

Die Menschen in meinem Alter sind einfach großartig und die meisten Kreativen können noch von ihrer Arbeit leben. „Noch“ deshalb, weil das international mittlerweile eher die Ausnahme ist als die Regel. Ich glaube, in keiner vergleichbaren Stadt ist der Prozentsatz an Grafikdesignern höher als in Wien. Bei jeder Party triffst du 250 Grafikdesigner (lacht). Im Ernst, das funktioniert wirklich gut.

"Signal", erster Vorbote auf das neue SOHN-Album mit Milla Jovovich

Du bist ja mittlerweile international sehr erfolgreich. Wurde Wien als Standort dann doch zu klein?

Das hatte andere Gründe. Das erste Album kam heraus und plötzlich stand die Welt Kopf. Private Beziehungen sind auseinandergebrochen und ich war kaum noch in Wien. In vier Monaten verbrachte ich ganze vier Tage in meiner Wohnung im 6. Bezirk. Nach der Tour wusste ich nicht, ob das noch der ideale Ort war, um mich körperlich und seelisch neu zusammenzubauen. Dann hatte ich einige Jobs in Los Angeles und dann, ja dann verliebte ich mich in meine zukünftige Frau. Also packte ich meine Sachen und zog nach LA. Seit fünf Wochen bin ich Papa.

Congrats! Jetzt versteh ich auch, warum du die ganze Zeit so zufrieden lächelst.

Danke! Ja, es ist unglaublich. Ich bin jetzt das erste Mal unterwegs seit der Geburt unseres Sohnes und es fühlt sich zugegebenermaßen etwas seltsam an, nicht bei meiner Familie zu sein.

Was dir auf alle Fälle geblieben ist, ist dein Faible für die deutsche Sprache. Dein Projekt heißt jetzt noch passender SOHN und das neue Album „Rennen“. Für viele Menschen aus dem UK oder den USA klingt Deutsch hingegen schrecklich.

Deutsch ist nicht gleich Deutsch! Ich liebe den österreichischen Akzent. Im Vergleich zum Deutsch der Deutschen klingt er wie Musik. Das war aber nicht der Grund. Für mich ist es einfacher, eine zweite Sprache im Kopf zu haben. Manche Wörter sind präziser, andere mehrdeutiger. Ich hätte das Album nie „Running“ oder „Run!“ oder „The Race“ genannt. Aber all diese Bedeutungen stecken im deutschen Wort „Rennen“. Und sie beschreiben sehr gut, wie ich mich zum Zeitpunkt des Schreibens und der Produktion gefühlt habe. Außerdem sieht es gedruckt einfach sehr gut aus. Meine Grafikdesinger-Freunde in Wien haben mich sehr gut beraten (lacht).

Warum war dir gefühlsmäßig nach „Rennen“?

Ich habe mir die letzten paar Jahre so eine Art Regel verordnet, zu allem einfach Ja zu sagen und keiner Erfahrung auszuweichen.

Im Musikgeschäft?

Nein, eher so auf der persönlichen Ebene. Ich bin in zwei Jahren sieben Mal um die Welt gereist. Im Rückblick ist das eine einzige Wolke aus Sounds, Gerüchen und Gedanken und natürlich Menschen. In einem Moment war ich gefangen zwischen hunderten Motorrädern in Taipeh, dann saß ich auf dem Gepäcksträger eines Fahrrads in Antwerpen, das einem Unbekannten gehörte und plötzlich landete ich betrunken bei einem Tätowierer. Das alles passierte in einem sehr kurzen Zeitraum. Ich sehe das so: Jedes noch so kleine Erlebnis hat mich hierher geführt. Und das alles findet sich in der einen oder anderen Form auf dem Album.

SOHN in Berlin

Christian Lehner

Wir leben ja in nicht gerade uninteressanten Zeiten. Schlägt sich das im Album nieder?

Ja, „Rennen“ ist auch als atemloser Zustand, als Fluchtbewegung, vielleicht auch als eine Warnung zu verstehen. Das Stück „Conrad“ geht auf die politische Situation in Österreich zurück, auf die Polarisierung der Gesellschaft, wie sie auch im Präsidentschaftswahlkampf zu spüren ist. Ich bekomme das über meine österreichischen Freunde mit, habe es aber natürlich auch selbst während meiner Zeit in Wien erlebt. Für mich stellt sich die Frage: Wie das möglich? Wie kann in einem wohlhabenden Land wie Österreich der Rechtspopulismus so stark werden? Was treibt Menschen in die Arme eines Kandidaten, der Angst verbreitet? „Wir müssen uns verteidigen! Die wollen uns alles wegnehmen!“ Come on! Ihr habt eines der schönsten und reichsten Länder der Welt. Ich glaube, es ist die Angst vor dem Unbekannten, die die Menschen dazu treibt, Rechts zu wählen.

Warum kommen die Botschaften von Rechtspopulisten so gut an?

Weil sich die Menschen denken: better safe than sorry! Ich sperre die Tür lieber ab, als dass ich sie offen lasse. Es ist auch viel einfacher und bequemer, den Schlüssel umzudrehen, als sich mit dem Unbekannten zu konfrontieren.

Hattest du mit dem Namen „Conrad“ eine bestimmte Person vor Augen, oder wolltest du einen Archetypen beschreiben?

Ich weiß, den schreibt man auf Deutsch mit K, aber ich fand keinen passenden Titel und so habe ich den Namen jenes Mannes genommen, der mir in Kalifornien sein Haus für die Aufnahmen zur Verfügung stellte. Dieser Name ist also eine verklausulierte Danksagung.

SOHN live

  • wien | arena | 13.02.
  • graz | ppc | 16.02.

Abschließende Frage zu deiner Vergangenheit. Gibt es ein österreichisches Lieblingswort?

„Oida!“