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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

1. 12. 2016 - 18:25

Futuristische Melancholie

In der Retrospektive "Triste Technik" widmet sich das Filmmuseum dem düsteren Science-Fiction-Kino der 70er Jahre.

Zugegeben freue ich mich immens auf den zweiten Leinwand-Auftritt der charmanten "Guardians Of The Galaxy", und der Trailer zu "Rogue One: A Star Wars Story" nimmt mich auch gefangen. Aber das Science-Fiction-Kino entwickelt dennoch seine maximale Intensität erst abseits von knallbuntem Eskapismus und hektischer Weltraum-Action.

Es sind rare Filme wie der eben angelaufene "Arrival", der mit bestechenden Bildern, aber gedrosseltem Tempo und todernsten Inhalten von unserer verlorenen Existenz in diesem Sonnensystem erzählt, in denen das Genre zu seiner Höchstform aufläuft.

Wer sich auf die Suche nach solchen nachdenklichen Sci-Fi-Streifen begibt, die sich dezidiert an ein erwachsenes Publikum richten, wird besonders in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts fündig. Das Filmmuseum zeigt in seiner Schau "Triste Technik: Science-Fiction und Melancholie, 1968-1983" einige der wichtigsten davon. Wem jetzt auf Grund diverser niedriger Aufmerksamkeitsspannen gleich die Augen zufallen, dem sei gesagt: Grelle und plakative Elemente werden dabei keinesfalls zu Gunsten einer bieder-bürgerlichen Pseudoseriosität ausgespart, ebensowenig wie Humor.

Blade Runner

Filmmuseum

"Blade Runner"

Beklemmende Dystopien

Wie so oft in der Geschichte der Pop(ulär)-Kultur sind die filmischen Anti-Utopien der 70ies eine Reaktion auf den Status Quo und das Kino in den Jahren zuvor. Lustig-schrullige Weltraummonster, grüne Männchen vom Mars und Gummikreaturen from outer space bevölkerten in den 40er und 50er Jahren die Drive-In-Cinemas und Grindhouse-Schuppen. Mit billigsten Mitteln wurden B-Movies am Fließband gedreht, die den Blick ins unendliche All riskierten und für Gänsehaut und Lachen sorgten.

In den späten 60ern verdunkelte sich aber die Perspektive. Während auf dem Mond tatsächlich die amerikanische Flagge gehisst wurde, tobte auf der Erde der Krieg. Nicht nur in Vietnam, im Zuge der 68er-Revolte hagelte es auch Plastersteine bei unzähligen Demos. In den 70er Jahren hatte die Revolution dann aber nicht nur wieder ihre (Blumen-)Kinder gefressen, der Kapitalismus zeigte besonders zähnefletschend sein Antlitz. Erstmals machten sich ökologische Krisenstimmungen breit, während die linke Gegenkultur verzweifelt um gewisse gesellschaftliche Errungenschaften kämpfte.

Nicht nur das progressive New Hollywood mit seinen Filmen, die in der rauen Realität angesiedelt waren, spiegelte die sozialen Hangover-Gefühle. Auch das Science-Fiction-Kino wandelte sich drastisch und reflektierte den Zeitgeist. Die irdische Zukunft, der Drang nach den Sternen, die Träume des Menschen von der Unendlichkeit wurden auf einmal ernüchternd betrachtet. Für einen kurzen Zeitraum verstörten Sci-Fi-Filme mit beklemmenden Dystopien.

2001: A Space Odyssey

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"2001: A Space Odyssey"

Totalitär regierte Hölle

Am Anfang der Reihe "Triste Technik" steht fast schon offensichtlich ein Schlüsselwerk. Stanley Kubrick gelingt mit "2001: A Space Odyssey" 1968 ein atemberaubender Streifen, der das Genre neu definiert, der Raumschiffe Walzer tanzen lässt und Computern allzumenschliche Züge verleiht. Vor allem ist es aber ein zutiefst mysteriöser Film, in dem die grundsätzlichen Fragen des menschlichen Seins diskutiert werden.

John Carpenter, anno 1974 noch am Beginn seiner illustren Karriere, parodiert Stanley Kubricks Geniestreich ganz köstlich in seinem wunderbaren Low-Budget-Debüt "Dark Star". Übrigens einer der komischsten Filme in der Retrospektive, inmitten rabenschwarzer Dystopien wie "Soylent Green", "The Andromeda Strain", "THX 1138" oder "Silent Running".

Hollywood imaginiert die Zukunft als totalitär regierte Hölle auf Erden, in der Menschen wahlweise wie Maschinen agieren, sich aus Nahrungsmangel gegenseitig auffressen oder gleich ganz ausgestorben sind, bis auf wenige überlebende Astronauten im All. Auch "Beneath The Planet Of The Apes", der dunkelste Teil der bizarren "Planet der Affen"-Saga, verstrahlt 1970 pure Hoffnungslosigkeit. An der Oberfläche ein trashiges Stück Actionentertainment, stehen eigentlich Atomkriegsängste, knappe Ressourcen, diskriminierte Minderheiten im Mittelpunkt. Über zehn Jahre später schließt "Max Mad 2: Road Warrior", der unbestritten beste Film der apokalyptischen Saga, nahtlos an diese Untergangsvisionen an.

The man who fell to earth

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"The Man Who Fell to Earth"

Hypermoderner Film Noir

Als David Bowie 1976 in "The Man Who Fell to Earth" einen seelisch kaputten Außerirdischen auf Erdbesuch spielt, ist es der Anfang vom Ende der Anti-Utopien. Der radikale Film von Nicolas Roeg, voller experimenteller Einschübe, wird trotz seines gefeierten Hauptdarstellers zum Kassenflop. Mit "Star Wars" versinkt das Genre danach in der alten Infantilität. Das Weltall wird zum Spielplatz für überdimensionale Teddy-Bären, asexuelle Helden und ebensolche Prinzessinnen.

1982 erscheint mit "Blade Runner" aber noch ein Meisterwerk der futuristischen Melancholie. Gnadenlose Konzerne haben in dem hypermodernen Film Noir die Welt im Griff, die Natur ist beinahe ausgelöscht, Paranoia treibt die versklavten Menschen an.

"Triste Technik: Science Fiction und Melancholie 1968 – 1983" läuft im im Wiener Filmmuseum vom 1. Dezember bis zum 5. Jänner.

Weil Regisseur Ridley Scott aber ein ausgesprochener Ästhet ist, sieht der unwirtliche Stadtmoloch Los Angeles gleichzeitig wie ein verführerisch funkelnder Großstadttraum aus, durch den Harrison Ford als einsamer Detektiv drifted. Natürlich ein ganz zentraler Film in der Retro "Triste Technik", bei der man die Zukunft aus dem Blickwinkel der Vergangenheit neu entdecken kann.