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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

30. 11. 2016 - 19:24

US-Geheimdienstapparat im Umbruch

Die Fäden bei der Neuverteilung der Führungsposten von NSA & Co zieht der geschasste Reformierer General Michael Flynn als Oberster Sicherheitsberater Donald Trumps.

Die aktuellen Personalentscheidungen Präsident Donald Trumps für den US-Geheimdienstkomplex lassen tiefgreifende Veränderungen erwarten. Das garantiert schon einmal die Berufung Michael Flynns, Ex-Direktor des Militärgeheimdienstes DIA, zum Obersten Sicherheitsberater. Mit dem Tea-Party-Hardliner Mike Pompeo wird ein Außenstehender, nämlich ein Anwalt und Geschäftsmann neuer CIA-Direktor, wie Flynn ist auch er für seinen ruppigen Führungsstil bekannt.

Flynn war 2014 nach nur zwei Jahren Amtszeit abgesetzt worden, gerade bevor er seine geplante Generalreform der DIA starten konnte. NSA-Direktor Michael Rogers könnte nach zwei Jahren ebenfalls vor seiner Absetzung stehen, zumindest hatte das der Oberste Geheimdienstkoordinator Richard Clapper kurz vor seinem Abgang Mitte November gefordert. Rogers hatte daraufhin seine Vorgesetzten mit einem unangekündigten Blitzbesuch im Trump-Tower irritiert. Nicht erst seitdem wird er als Clappers Nachfolger gehandelt.

USCYBERCOM

Die Hoheit über USCYBERCOM

Dahinter steht eine Auseinandersetzung um die Oberhoheit über die Kriegsführung im Internet und die Rolle der NSA dabei. Trump hatte ja bereits vor der Wahl angekündigt, das dafür zuständige US Cyber-Kommando (USCYBERCOM) und seine Rolle im Militär einer genauen Prüfung zu unterziehen. USCYBERCOM ist seit seiner Gründung 2010 der NSA unterstellt, übergeordnet sind nur noch das Stategische Kommando STRATCOM, der Generalstab und der Präsident.

Die Aufgabe des Cyber-Kommandos ist es, sowohl die eigenen Netze zu verteidigen, als auch "militärische Operationen über das volle Spektrum und in allen Domänen des Cyberwar durchzuführen." Diese Rolle geht über die reine Nachrichtenaufklärung weit hinaus und umfasst etwa auch Angriffe auf zivile Netze im Ausland. Sowohl der noch amtierende Verteidigungsminister Ashton Carter wie auch Clapper hatten sich zuletzt offen dafür ausgesprochen, der NSA die Kontrolle über das Cyber-Kommando zu entziehen.

Zwei verheerende Pannen

US Navy

NSA-Direktor Admiral Michael Rogers

Das hat seine Gründe, denn bei der Verteidigung der militärischen Netze sind der für die Abwehr zuständigen NSA selbst zweimal hintereinander in kurzem Abstand verheerende Datenlecks und obendrein im eigenen Hochsicherheitsnetz passiert. Die Publikation der Dokumente Edward Snowdens ab 2013 hatte den vorzeitigen Abgang des damaligen NSA-Langzeitchefs Keith Alexander zur Folge. Sein Nachfolger Michael Rogers hat aktuell mit einem ganz ähnlichen Problem zu kämpfen, wenn es sich auch nicht um einen Whistleblower wie Snowden handelt, sondern um einen Mitarbeiter, der massenhaft interne Dateien im obersten Klassifikationgrad abgezogen und privat gehortet hat.

Die Motive Harold Martins, der Ende August verhaftet wurde, über die Jahre angeblich 50 Terabyte an Daten aus den NSA-Systemen unbeobachtet abzuziehen, sind unklar. Feststeht jedenfalls, dass es sich bei einer solchen Datenmenge nicht nur um Dokumente, sondern um ganze Datenbanken handeln muss beziehungsweise um Programme. Die Dokumentensammlung Snowdens nimmt sich vergleichsweise bescheiden aus, obendrein hatte Snowden nur ausgesuchte Folien über Angriffe auf zivile Netze veröffentlicht, aber kein einziges Programm.

"Shadow Brokers" blamieren NSA

Zwei Wochen vor der Verhaftung Martins hatte eine bis dahin unbekannte Gruppe namens "Shadow Brokers" einen ganzen Wust an Exploits für Firewalls ins Netz gestellt. Diese Angriffsprogramme betrafen vor allem Firewalls der Firma Cisco, für jede neue Softwareversion zurück bis 2001 enthielt das Paket den passenden Exploit. Diese Dateien - vor allem nicht in der Form als historisches Archiv - hätten die Domäne der NSA nie verlassen dürfen. Passiert ist es dennoch und wenigstens Teile der von Martin gehorteten Daten gelangten an einen unfreundlich gesonnenen fremden Dienst, der sie benutzte, um die NSA und ihre Führung öffentlich bloßzustellen.

DIA

Michael Flynn in Range eines Generals als Direktor der DIA

Unter diesen Begleitumständen spielt sich der Umbau des Geheimdienstkomplexes ab, bei dem Flynn als Oberster Sicherheitsberater Trumps und ehemaliger Chef der "Defense Intelligence Agency" die Fäden zieht. Ein wichtiger Teil der geplanten Reformen Flynns als Chef der DIA betraf ebenfalls Daten und Kommunikationssysteme. Flynn trat vehement dafür ein, das "Distributed Common Ground System" (DCGS) zur Nachrichtenaufklärung für die kämpfende Truppe durch ein moderneres System zu ersetzen. Das stieß auf Ablehnung im Armeekommando, auch der Rüstungsriese Raytheon hatte etwas dagegen. Der Auftragswert für das Kommunikationssystem beträgt nämlich vier Milliarden Dollar, ein Gutteil davon sind laufende Servicekosten.

Die Laufbahn von Michael Flynn, dem auch gute Beziehungen zu Moskau nachgesagt werden

Eingesessene Rüstungsfirmen, Big Data, Start-Ups

Das riesige Geschäftsfeld für militärische Software wird derzeit noch von Rüstungsfirmen dominiert, die seit Jahrzehnten Radars, Raketen und andere Waffensysteme an die US-Streitkräfte liefern. Wie DCGS sind auch viele andere, der nach 2000 eingeführten Programme zur Kommunikation- und Nachrichtenaufklärung entsprechend angejahrt. Die internen Beschwerden aus der kämpfenden Truppe über das DCGS decken sich in etwa mit solchen über Softwares aus andernen Militärbereichen: umständlich mit langen Schulungszeiten und für die heutigen Bedürfnisse viel zu langsam.

Peter Thiel

CC BY-SA 2.0, Dan Taylor on Flickr

CC BY 2.0 Peter Thiel im März 2014 in Berlin

Eine ganze Reihe neuer Unternehmen aus dem "Big-Data"-Bereich drängt nun in dieses Geschäft, das größte dieser auf Analyse großer Datenmengen spezialisierter Unternehmen heißt "Palantir technologies". Größter Anteilseigner des mit Venturekapital des CIA-Inkubators In-Q-Tel gegründeten Start-Ups ist der Investor Peter Thiel, der als einziger großer Unternehmer aus dem Silicon Valley Trump unterstützt hat und zu seinen Beratern gehört. Thiels Palantir hat für "Mitarbeiter von Geheimdiensten" die richtige Software parat, "um intuitive Erkenntnisse aus massiven Datensätzen zu ziehen", heißt es im Prospekt der Firma.

Thiels Mann im Pentagon

Tiefere Analyse der Aktivitäten von Palantir, dem letzten bekannten Arbeitgeber der vormaligen SPÖ-Parteisekretärin Laura Rudas.

Unstrukturierter Datenverkehr in den Netzwerken werde etwa mit "strukturierten E-Mail- und Telefoniedaten, Excel-Tabellen und vielem mehr abgeglichen (...), ohne dass eine spezialisierte Syntax zur Suche nötig" sei, heißt es weiter. Das bedeutet: einfache Bedienung und kurze Schulungszeiten, wie zugeschnitten auf die Forderungen der unzufriedenen Militärs.

Thiels Imperium hat auch bereits einen Mann vor Ort, seitdem Trae Stephens in Trumps Transitionsteam gewechselt ist, Zuständigkeitsbereich: das Verteidigungsministerium. Begonnen hatte Stephens bei Palantir und war dann in Thiels Venturekapitalfirma Founders Fund gewechselt, von dort ging es Mitte November Richtung Pentagon. Stephens ist nach eigenen Angaben auf "Start-Ups für den Behördenbereich" spezialisiert.

Wie es im Apparat weitergeht

Ob NSA-Direktor Michael Rogers tatsächlich wie in US-Medien kolportiert, Oberster Geheimdienstkoordinator Donald Trumps wird und ob die NSDA die Hoheit über USCYBERCOM verliert, wird derzeit hinter den Kulissen des Trump-Towers in New York entschieden.

Was den neuen CIA-Direktor Mike Pompeo betrifft, der sich im Repräsentantenhaus als Draufschläger und Hardliner der rechten Tea-Party-Bewegung bewiesen hatte, so tritt der ein schwieriges Erbe an. Es ist der Drohnenkrieg in Pakistan mit seinen vielen zivilen Opfern, den die CIA seit 2007 verantwortet. Die Administration Barack Obama hatte bis zuletzt vergeblich versucht, das Drohnenkommando wieder unter dem Kommando des Generalstabs anzusiedeln.

Die Fortsetzung dazu folgt