Erstellt am: 26. 11. 2016 - 15:25 Uhr
Kuba ohne Fidel Castro
In der Nacht auf Samstag ist Fidel Castro gestorben. Er war bis 2008 insgesamt 49 Jahre lang Staatschef des kommunistischen Kuba. Michael Fiedler hat Kuba-Kenner Thomas Mießgang über das Kuba nach Castro und die Bedeutung des "Máximo Líder" im heutigen Kuba befragt.
APA/AFP/RAFAEL PEREZ
Welche Bedeutung hatte Fidel Castro im heutigen Kuba noch?
Im heutigen Kuba war er das biologische Bindeglied zur kubanischen Revolution. Aktivpolitisch wissen wir ja, dass er seit 10 Jahren gar nichts mehr gemacht hat aber Fidel Castro ist eine Figur, die viel größer ist als Kuba. Das war die erste geglückte Revolution in Lateinamerika und eigentlich glaubte man damals, im Sinne der Revolution der 3. Welt, jetzt wird ein Flächenbrand entstehen und alle Länder werden kippen und die bösen Senores Imperialistas vertrieben. Das war alles nichts. Aber Fidel Castro als Leuchtfigur hat eine Bedeutung gehabt, die weit über seine realpolitische Bedeutung hinausging.
Er war auch sehr umstritten. Die einen sehen den gnadenlosen Diktator, der die Demokratiebewegung brutal unterdrückt hat, die anderen den Revolutionär und Visionär, der allen Embargos und Umsturzplänen zum Trotz das einzige funktionierende kommunistische Land der Welt geprägt hat – welches Bild haben Sie von ihm?
Castro hat einen sehr großen Fehler gemacht, dass er das, was er eigentlich vor der Revolution versprochen hat, nämlich wenn die Revolution glückt, eine Demokratie aus Kuba zu machen und sich frei in Wahlen zu stellen, einfach nie realisiert hat. Er wollte, so wie jeder, der an die Macht kommt, diese Macht nicht mehr hergeben. Und hat dann praktisch eine Art Demokratur eingerichtet, also ein doch sehr autoritäres Regime, und in diesem Sinne das verspielt, was er mit der Revolution gewonnen hat.
Man muss die Figur einfach teilen. Es gab diese historischen Verdienste für das Land, das ja unter der Knute der amerikanischen Industrie und auch der Politik gestanden ist. Man weiß ja, dass sich in Kuba die Mafia breit gemacht hat, und dass die Marionettendiktatoren vor Castro die Geschäfte der Amerikaner unter Ausplünderung des Volkes betrieben haben. Dieser historische Verdienst ist ihm nicht zu nehmen.
Man hätte aus dieser Revolution mehr machen können, wobei man auch berücksichtigen muss, dass die Widerstände groß waren. Wir erinnern uns an die Kubakrise 1962, wo die Welt am Rande des Abgrunds stand. Die Zuwendung zur Sowjetunion war eigentlich eine eher forcierte. Ursprünglich wollten sie ja keine kommunistische Revolution machen, aber nachdem mit den USA gar nichts ging, hat man sich der Sowjetunion zugewandt. Und damit ist das eine heiße, kontaminierte weltpolitische Zone geworden.
APA/AFP/ADALBERTO ROQUE
Wie kann denn ein Kuba ohne Castro aussehen? Ist die Demokratiebewegung, die vor allem von ExilkubanerInnen aus den USA getragen wird, im Aufbruch?
Eigentlich habe ich eher den Eindruck, dass diese Bewegung deutlich an Relevanz verloren hat, weil die erste Generation der vertriebenen Landbesitzer nicht mehr existiert, die sind ja alle tot. Das heißt, dieses ideologische Gegenüber, dass von Miami aus versucht wird, Kuba wieder zurückzuholen, spielt keine so große Rolle mehr. Und ich denke mir, es wird eher eine pragmatische Annäherung geben.
Was sein kann, ist, dass mit Trump jetzt einiges wieder rückgebaut wird. El Bloqueo – die sogenannte Wirtschaftsblockade – wurde ja nie aufgehoben. Man hat die symbolischen Geschichten, dass etwa die Botschaft wiedereröffnet wurde, ein bisschen überbewertet. Die Tatsache, die Kuba wirklich in die Knie zwingen könnte, ist die Wirtschaftsblockade, und die existiert ja nach wie vor.
Kann dieses Ursprungsversprechen von Fidel Castro, Demokratie auf Kuba einzuführen, jetzt nach seinem Tod tatsächlich eingelöst werden?
Ich glaube, wenn die letzte biologische Brücke zur Revolution - das ist Raúl Castro, der letzte, der noch als Person die Revolution verkörpern kann - weg sein wird, dann gibt es zumindest keine ideologischen Hindernisse mehr. Und wahrscheinlich wird es lang- oder mittelfristig auf das rauslaufen müssen. Als die Revolution stattgefunden hat, hat es den Sowjetblock, hat es die kommunistische Welt noch gegeben. Mittlerweile ist Kuba neben Nordkorea bald das einzige kommunistische Land, das noch existiert. Das ist ein Zustand, der auf Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist.