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Lisa Schneider

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1. 12. 2016 - 06:00

FM4 Intelligentkalender #1: India's Menstruation Man

24 Ideen zur Rettung der Welt. Heute: Ein Mann macht seiner und vielen anderen Frauen den Alltag in Indien viel, viel leichter.

Der FM4 Intelligentkalender

24 Ideen zur Rettung der Welt.

1998 heiratet Arunachalam Muruganatham seine Frau Shanti. Als sie im Zuge dessen zusammenziehen, macht er kurz darauf eine für ihn damals spannende, weil vor allem neuartige Erfahrung.

Seine Frau ist mit zu ihm gekehrtem Rücken, die Hände dahinter verschränkt, etwas festhaltend, durchs Haus gelaufen. Anfangs hat er gedacht, sie spielt mit ihm, dann hat er gefragt, was sie denn zu verstecken habe. Eine knallende Ohrfeige und die böse gezischten Worte: „None of your business“ waren die Antwort.

Arunachalam Muruganatham and his wife, Shanti.

Dirk Gilson / Al Jazeera

Aber nicht für Muruga: Seine Neugierde war geweckt, und schnell war ihm klar, was das eigentliche Problem war. Er war nur vorher noch nie direkt mit den monatlichen Umständen seiner – oder irgendeiner – Frau konfrontiert gewesen. Muraga war geschockt, mit welch dreckigen Lappen seine Frau sich durch diese Tage kämpfte, und beschloss, sich etwas einfallen zu lassen.

Nachdem er sich die böse Nachrede seiner Nachbarschaft und Freunde („they thought the devil captured me“) zugezogen hatte, weil er es gewagt hat, für seine Frau eine Monatsbinde zu besorgen, begann er, die Qualität der hiesigen Hygieneprodukte anzuzweifeln. Und vor allem auch die Kosten dafür! Er entschloss sich, eigene Konstruktionen zu entwerfen. Seine Frau konnte aber nur einmal im Monat das Quasi-Versuchskaninchen für seine selbstkonstruierten „sanitary pads“, also Binden, sein – und zum Beispiel Medizinstudentinnen, die er fragte, waren zu schüchtern, ihm zu seiner Erfindung Feedback zu geben.

Selbstversuch!

Schließlich hat sich Muruga selbst einen Uterus gebastelt, den er mit Tierblut gefüllt und an seinen Gürtel gehängt hat. Damit er nachvollziehen konnte, wie sich das Tragen einer solchen Binde im Alltag anfühlt- und wie sie eben zu verbessern ist.

Nach und nach entwickelte er eine Maschine, die kostengünstig die gewünschten pads herstellt. Es war ein zeitintensiver Prozess mit vielen Rückschlägen, erzählt er jetzt, wo er fast wie ein Star bei Talkshows auftritt.

Mittlerweile sind 706 seiner Maschinen in 23 indischen Staaten und darüber hinaus verbreitet, dreieinhalb Millionen Mädchen und Frauen profitieren von seiner Erfindung. Muraga weigert sich aber nach wie vor, seine Idee an einen Großkonzern zu verkaufen. Damit sichert er nicht nur die Hygiene seiner und vieler weiterer indischer Frauen, sondern vor allem über 7000 Arbeitsplätze.

Nur fünf Prozent der weiblichen indischen Bevölkerung hat Zugang zu angemessen hygienischen Monatsprodukten, Murugas Ziel ist es, diese auf 100 Prozent anzuheben.

Mittlerweile hat er nicht nur eine praktische Lösung für seine Frau gefunden, sondern auch verstanden, wie der Markt funktioniert, und, wie man ein seiner Meinung nach sinnvolles Dasein führt.