Erstellt am: 21. 11. 2016 - 12:06 Uhr
FM4 Schnitzelbeats #4: Gerhard Heinz
FM4 Schnitzelbeats
Sonntagnachts im FM4 Soundpark und anschließend für 7 Tage im FM4 Player
Wir widmen uns heute einer lebenden Legende österreichischer Musikgeschichte, dem Film- und Werbekomponisten Gerhard Heinz, der mittlerweile auf rund 140 Soundtrack-Arbeiten für Kino und Fernsehen zurückblicken kann und im Laufe seiner einzigartigen Karriere gewissermassen zu einem Weltstar der Gebrauchsmusik geworden ist. Neben einem notorischen Naheverhältnis zu einschlägigen B-Movies, für die Heinz häufig die Ton-Arrangements produzierte, sticht im d'oEuvre des Wiener Multiinstrumentalisten besonders seine Leidenschaft für zeitgenössische Pop-Genres ins Auge: Von Rock-N-Roll über Soul-Jazz bis hin zu Minimal-Elektronik war fast alles dabei – visionär und handwerklich gut gemacht! “Ich hab’ mich immer an Strömungen der Zeit orientiert”, erzählt mir Gerhard Heinz in einem Interview. “Vielleicht war ich auch manchmal der Zeit ein bisschen voraus. Aber im Prinzip war es, wie es schon immer in der Musik war. Seit den Tagen des Gregorianischen Chorals gilt, dass man das weiterentwickelt, was schon da ist. Das ist der Gang in der Musik.”
Trash Rock Archives.
Still aus “Humanic Varese”
Geboren 1927 in Wien, beschritt Gerhard Heinz bereits als Teenager eine aussergewöhnliche Musiker-Laufbahn: Mit Kriegsende tingelte er durch verrauchte Vorstadtlokale des regionalen Jazz-Underground (als Mitglied des Hot Club Vienna, sowie gemeinsam mit künftigen Weltstars des Genres wie Fatty George, Hans Koller oder Joe Zawinul), um wenig später als Hammond-Organist des profilierten Horst-Winter-Tanzorchesters auf großen Bühnen im Rampenlicht zu stehen. Ab den 1950er Jahren wirkte er als Aufnahmeleiter des sagenumwobenen Austrophon-Studios, wo er im Hintergrund etlicher Millionenhits des deutschen Marktführers Polydor die Fäden zog. Mit Ende des Jahrzehnts nahm sich Gerhard Heinz schliesslich der Marktlücke “Filmmusik” an und begann mit der Komposition von Werbespots. Eine seiner ersten Auftragsarbeiten im Zeichen der Bildvertonung entstand im Jahr 1958 für einen avantgardistischen Clip der Schuhgeschäft-Kette Humanic, den der bekannte Trickfilmzeichner Hans Albala mit einer schrillen Stop-Motion-Animation in Szene gesetzt hatte: “Humanic Varese”, eine frühe Sternstunde des heimischen Werbefilms.
Trash Rock Archives
“Schamlos” (Digatone Records)
Die Aufnahme “All you ever need is Beat” blieb seinerzeit unveröffentlicht und erschien erstmalig 2015 beim Innsbrucker Re-Release-Label Digatone Records als Teil einer offiziellen “Schamlos”-Soundtrack-LP.
1964 hatte Gerhard Heinz den Betrieb eines eigenen Studios aufgenommen, das sich in den kommenden Jahren zur führenden Wiener Adresse für kostengünstige Filmvertonungen entwickeln würde. Für den vielbeschworenen Sex-&-Crime-Klassiker “Schamlos” des österreichischen Exploitation-Regisseurs Eddy Saller schuf Heinz im Jahr 1968 die passende Begleitmusik, deren Erfindungsreichtum und zeitgeistigen Arrangements einmal mehr die Vielseitigkeit des Komponisten unter Beweis stellten.
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“Blooy Moon” (Director's Cut / Stella International)
“Cheater’s Theme” erschien 1981 auf der Library-Zusammenstellung “Go get a kick...” (Music Pool Austria) und wurde auch unlängst im Rahmen eines offiziellen “Bloody Moon”-Soundtrack-Releases wiederveröffentlicht.
Während seiner rund 60-jährigen Laufbahn als Komponist und Arrangeur hinterliess uns der hyperproduktive Gerhard Heinz die Soundtracks zu etlichen kommerziellen Kassenerfolgen des europäischen Kinos, wie auch die Filmmusiken zu einschlägigen Schundstreifen mit Verleihtiteln wie “Sex auf Rädern”, “Die nackte Gräfin” oder gar die “Dirndljagd am Kilimandscharo”. Doch unabhängig von der cineastischen Qualität der jeweiligen Produktionen, entwickelte Gerhard Heinz – wie kaum ein anderer seiner Zunft – über die Jahre ein intuitives Gespür für den Zeitgeist und vermochte gegenwärtige Pop-Entwicklungen stets geschmackssicher zu adaptieren. Für die Musik des Jess Franco-Horror-Schockers “Die Säge des Todes” (aka “Bloody Moon”) schrieb er im Jahr 1981 mit harten Beats und unterkühlten Synth-Arrangements etwa einen lupenreinen Minimal-Disco-Hit. Einmal mehr eine äußerst bemerkenswerte Tonaufnahme aus dem Studio Heinz; unnötig zu erwähnen, dass noch viele weitere folgen sollten.
Christian König
Vor einigen Wochen wurde Gerhard Heinz 89 Jahre alt. Die “FM4 Schnitzelbeats“ verbleiben mit den besten Glückwünschen und bedanken sich bei ihm für viele schillernde Momente heimischer Musik- und Filmgeschichte!