Erstellt am: 20. 11. 2016 - 06:00 Uhr
Vom Glück und Elend des Zeitreisens
Er war erst 10 Jahre alt, als er seinen geliebten Vater verloren hat. Der US-Amerikaner Ronald Mallett ist seither von der Idee beseelt, in der Zeit zurückzureisen, um seinen Vater einmal wieder zu sehen.
Robert Glashüttner
Was lange ein Kindheitswunsch blieb, hat Jahre später zu einer wissenschaftlichen Karriere geführt. Ronald Mallett ist theoretischer Physiker geworden und seit über zehn Jahren einer der führenden Forscher in Bezug auf Zeitreisen. Er war vor kurzem bei der TEDxVienna-Konferenz in Wien zu Gast, wo ich die Freude hatte, mit ihm eine halbe Stunde zu sprechen. Wie ist das also nun mit dem Zeitreisen und den wissenschaftlichen Fakten? Rollen wir das doch mal aus.
Im Raum so wie auch in der Zeit können wir vor- und zurückreisen. Diese Einsicht gewinnt Ronald Mallett zum ersten Mal aus dem Science-Fiction-Klassiker von H.G. Wells "Die Zeitmaschine" und sie lässt ihn fortan nicht mehr los. Er will mehr wissen, mehr lernen. Doch weil der Vater gestorben war, ist die Familie arm und jedes Buch muss erst verdient werden. Nach einigen Jahren als Techniker bei der US Air Force beginnt Mallett Ende der 60er Jahre sein Physikstudium und damit seine wissenschaftliche Karriere. Sein großes Vorbild heißt Albert Einstein.
Einstein begreifen
de.wikipedia.org, User Selfie756
Nun geht es erstmal darum, die Theorien des wegweisenden deutschen Physikers zu verstehen. Wirklich keine einfache Aufgabe, doch Mallett bleibt dran. Er lernt das Prinzip der Relativitätstheorie und die Verbindungen von Raum, Zeit, Geschwindigkeit, Gravitation und Licht – all diese Dimensionen und Kräfte sind laut Einstein miteinander gekoppelt. Raum kann etwa durch die Gravitation der Sonne gebogen werden. Und weil Raum und Zeit immer zusammenhängen, wird dadurch auch die Zeit gebogen. Gravitation kann Zeit verändern, Licht kann Anziehungskraft erzeugen, und daraus folgt, dass Licht Zeit manipulieren kann. Da schwirrt einem der Kopf. Doch Ronald Mallett hat das alles durchgerechnet.
Hüpfen durch die Paralleldimensionen
Alles gut und schön, doch die Theorie besagt auch, dass Zeitreisen paradox sind. Es gibt das sogenannte Großvaterparadoxon, das besagt, dass, wenn man in der Zeit zurückreist und den eigenen Großvater tötet, man selbst nie geboren worden wäre und damit auch keine Zeitreise antreten hätte können. Die Lösung dafür ist die sogenannte Viele-Welten-Interpretation. Sie besagt, dass sich das Universum bei jeder Möglichkeit und Entscheidung spaltet. Man würde im Falle einer Zeitreise in die Vergangenheit also in einer anderen Dimension landen, die unabhängig von der eigenen ist, von der aus man anreist. Zurück gibt es jedoch keines mehr, und jedes Mal, wenn man einen weiteren Sprung macht, wechselt man die Dimension.
Die Zahlen stimmen
Die Theorie liegt also vor uns und die Paradoxa sind erstmal beseitigt. Aber sind Zeitreisen nun auch praktisch möglich? Die Viele-Welten-Interpretation besagt zwar, dass ein Zeitreisender immer in einem anderen Universum als seinem eigenen ankommt, Ronald Mallett weist aber darauf hin, dass das nur dann funktioniert, wenn in diesem Paralleluniversum auch die Zeitreisetechnik vorhanden ist. Man kann also nur in eine Dimension reisen, die ebenfalls eine Zeitmaschine hat (oder man nimmt sie mit und erstellt damit eine neue Dimension). Das erklärt auch den Einwand von Stephen Hawking, dass Zeitreisen nicht funktionieren würden, weil wir ja noch keinen Zeitreisenden gesehen hätten. Einfache Antwort: Die Technologie zur Ankunft ist in unserer Dimension noch nicht erfunden worden! Das ist ähnlich wie mit dem Warpantrieb und den Vulkaniern – die kommen ja auch erst dann, wenn sie sehen, dass wir bereit sind.
Übrigens: Wenn wir es nicht schaffen sollten, eine Zeitmaschine zu bauen, ginge es mittels Wurmlöchern auch.
Hoher Energieaufwand
Derzeit schaffen wir es definitiv nicht, eine Zeitmaschine zu bauen, weil die Energie, die nötig wäre, um den Raum (und damit die Zeit) im entsprechenden Ausmaß zu manipulieren, derzeit nicht aufwendbar ist. Allerdings wendet Ronald Mallet ein: Materie in Energie umzuwandeln war zur Zeit Einsteins auch nicht möglich. Doch dann wurde in den 1930er Jahren die Kernspaltung entdeckt. Einen ähnlichen Durchbruch könnte es auch in Bezug auf Zeitreisen geben. Ob, wie und wann das passieren wird, sei natürlich gegenwärtig nicht abzuschätzen.
Also gut, wenn wir momentan noch nicht zeitreisen können, wie wär’s stattdessen damit, einen kleinen Spalt zwischen zwei Paralleluniversen zu eröffnen? Quasi mal nachsehen, wie eine alternative Version von einem selbst aussieht? Die Antwort darauf, ob das funktioniert, sagt Zeitreiseexperte Ronald Mallett, kennt nur die Quantentheorie. Die parallelen Dimensionen, erklärt er, existieren nicht in einem Universum, sondern im sogenannten Superraum. Ob es möglich ist, Verbindungen und Relationen zwischen den Dimensionen herzustellen, ist eine von vielen weiteren interessanten Fragen, sagt der Zeitreiseexperte.